Reinbek. Zu erster Demo für Demokratie in Reinbek kommen zehnmal mehr Teilnehmer als erwartet. Redner richten eindringlichen Appell an Bürger.
Sie sind alle zur ersten Reinbeker Demonstration und zur Kundgebung für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus gekommen, die sämtliche Reinbeker Parteien in einem gemeinsamen Bündnis organisiert hatten: Fast 2000 Menschen haben durch ihr Kommen bekundet, dass es ihnen ernst ist mit ihrer Haltung. Unter den Teilnehmern waren viele Familien, nicht nur Reinbekerinnen und Reinbeker, sondern auch Bürgerinnen und Bürger aus Wentorf, Glinde, Oststeinbek, Barsbüttel und Bergedorf.
„Die Zeit der Zaunhocker ist vorbei, es ist Zeit, Position zu beziehen“, erklärte beispielsweise die Demonstrantin Margit Felsner aus Reinbek den großen Zulauf. Die Reinbekerin Sabine Eggers, die mit ihrem Mann Christian gekommen war, sagte: „Meine Großeltern haben noch beide Weltkriege erlebt. Wir wollen das alles nicht mehr, wir wollen keine Ausgrenzung und keine rechte Gesinnung mehr in Deutschland. Schlimm genug, dass so etwas hier wieder geäußert werden darf.“
Demo in Reinbek: Fast 2000 Menschen stehen zusammen gegen Rechtsradikalismus
Verena Dittrich, aktive Oma gegen rechts aus Hamburg, erhielt bei der Begrüßung das erste Wort, weil die Organisatoren aus der Demonstration keine parteipolitische Veranstaltung machen wollten. Als Vertreterin der Nachkriegsgeneration erzählte sie davon, wie ihr als 15 Jahre alter Austauschschülerin 1970 in den USA „Nazi“ hinterhergerufen wurde. „Und das Schlimme war: Ich wusste nicht einmal, was das bedeutet. Weil unser Geschichtsunterricht damals mit dem Ersten Weltkrieg endete.“
Das habe sich geändert, erklärte Dittrich: „Ich habe gelernt, dass es zu jeder Zeit Nazis, Rassisten, Antisemiten in unserem Land gab und gibt, heute die AFD, Reichsbürger, Identitäre und andere mehr. Aber es gab auch immer die andere Seite.“ Ältere Frauen und Männer aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes seien ihre Vorbilder geworden. Denn diese Menschen hätten trotz ihrer schlimmen Erfahrungen während der NS-Zeit im Widerstand, im Gefängnis oder im Konzentrationslager auch im Alter noch für ihre antifaschistischen Überzeugungen eingestanden.
Demo in reinbek: Es sind weit mehr gekommen als erwartet
„Wir wollen in einer demokratischen und freien Gesellschaft leben, dass alle Menschen mit Respekt und Achtung behandelt werden sowie dass die Menschenrechte und das Asylrecht unangetastet bleiben“, erklärte Verena Dittrich und zitierte das Grundgesetz. „Denn die Würde des Menschen ist unantastbar!“
Der Protestzug bewegte sich unter Polizeibegleitung den Rosenplatz und die Bergstraße hinunter über den Landhausplatz, Bahnhofstraße und Schlossstraße bis auf den Innenhof des Schlosses Reinbek, der nicht alle Menschen fassen konnte. Angemeldet waren 200 Teilnehmer. „Wir hatten tatsächlich mit weniger gerechnet, nachdem Hamburg seine Demonstration angemeldet hatte“, sagte Martin Habersaat, Reinbeker und Landtagsabgeordneter der SPD, begeistert. Er war pro forma von den Parteien zum Versammlungsleiter ernannt worden. Laut Polizei waren 1600 Menschen gekommen, das Organisationsteam schätzte die Zahl auf mehr als 2000.
Demo in Reinbek gegen Rechtsextremismus: „Demonstrieren allein genügt nicht“
Bürgermeister Björn Warmer lobte dies in seiner Rede während der Abschlusskundgebung im Schlosshof: „Es ist sehr gut zu sehen, wie viele von Ihnen heute zu dieser Kundgebung gekommen sind, um für Demokratie und Vielfalt einzustehen.“ Er bedankte sich bei denen, die zum ersten Mal bei einer Demonstration dabei waren: „Viele bringen ihre Kinder mit, und gemeinsam setzen sie ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit. Sie setzen ein Zeichen gegen Rechtsextreme und Nazis.“
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Dazu zählte beispielsweise auch Miriam Schaper. „Ich bin für meine Kinder hier“, erklärte die Geschäftsfrau. „Denn es geht um ihre Zukunft.“ Für ihre Töchter Carlotta (10) und Mathilda (6) war es ihre erste Demo. Unterwegs schienen die Protestierenden tatsächlich noch etwas ungeübt. Denn der Zug war ungewöhnlich still. „Fast wie ein Trauermarsch“, stellte Sabine Eggers verwundert fest. Dabei sprachen die mitgebrachten Transparente eine klare Sprache. „Demokratie ist alternativlos“ war dort zu lesen, „Menschenrechte statt Rechte Menschen“, „Keine Böcke auf B. Höcke“ oder: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“.
„Demonstrieren allein genügt nicht“
Die Stimmung änderte sich im Schlosshof: Nicht nur Björn Warmer, sondern auch Bürgervorsteherin Brigitte Bortz (CDU) und der Reinbeker Liedermacher Torsten Lange ernteten viel Applaus und Zwischenrufe. Warmer erinnerte daran, dass das Grundgesetz bald 75-jähriges Bestehen feiert und stimmte zu, dass Demonstrieren gelebter Verfassungsschutz sei. Er forderte: „Verteidigen wir unsere Demokratie!“ Brigitte Bortz ging noch weiter: „Demonstrieren allein genügt nicht“, stellte sie fest und appellierte an die Anwesenden: „Die Wahlquoten sind zu niedrig. Deshalb gehen Sie auch wählen! Beweisen Sie mit Ihrer Stimme, dass Sie auch weiter in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat leben wollen.“
Torsten Lange sang zum Abschluss in seinem eigens geschriebenen Lied „Nie wieder!“: „Und es werden immer mehr, immer mehr steh`n Hand in Hand. Stell`n sich gegen rechte Spinner, kämpfen für ein buntes Land. Denn man darf es nie vergessen, sich den Rechten widersetzt – Lasst uns aufsteh`n, sagt nie wieder, und zwar jetzt!“