Bad Oldesloe. Nur die Hälfte des Kreisgebiets kann derzeit über das akustische Warnsystem alarmiert werden. Cell-Broadcasting wird getestet.

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack hat gerade alle Bürger des Bundeslandes aufgefordert, sich den 8. Dezember vorzumerken. Es ist der nächste bundesweite Warntag, an dem um 11 Uhr allerorten die Einsatzbereitschaft der verschiedenen Warnsysteme getestet wird, von den Sirenen über die verschiedenen Warn-Apps bis zum Cell-Broadcasting. „Bestehende Schwachstellen sollen erkannt und im Anschluss behoben werden. Das schaffen wir am besten, wenn sich möglichst viele Menschen beteiligen und den Behörden Rückmeldungen geben“, so Sütterlin-Waack.

Angesichts der aktuellen Angriffe der russischen Armee auf die kritische Infrastruktur der Ukraine ist einmal mehr deutlich geworden, wie wichtig ein funktionierendes Warnsystem zur Alarmierung der Bevölkerung in Krisensituationen ist. Hierzulande ist spätestens seit der verheerenden Flutkatastrophe Mitte des vergangenen Jahres in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein neues Bewusstsein für das Thema gewachsen.

Probealarm 2021 scheitert an falschem Signal

Im Kreis Stormarn war es zuletzt zu erheblichen Alarmierungsproblemen gekommen. Insbesondere beim Probealarm am 10. Juli des Vorjahres. „Der von der Integrierten Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe programmierte Alarm ist zwar ausgelöst worden, war aber mit dem falschen Signal verknüpft“, so Andreas Rehberg, Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Gefahrenabwehr der Kreisverwaltung. Statt des auf- und abschwellenden Heultons für eine Katastrophenschutzwarnung sei in vielen Gemeinden nur das Signal für den gewöhnlichen Feuer(wehr)alarm zu hören gewesen.

Experten des Schweizer Unternehmens Swissphone, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von Alarmierungslösungen für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben spezialisiert hat, nahmen daraufhin eine eingehende Fehleranalyse vor. „Das Problem konnte schließlich mit einem umfassenden Software-Update behoben werden“, erklärt Carsten Horn, Chef der Oldesloer Regionalleitstelle.

Momentan gibt es nur 157 zumeist alte Sirenen

Doch selbst wenn die Ansteuerung mittels eines Radio Identification Codes (RIC), der von der Sirene digital empfangenen wird, tadellos funktioniert, werden nicht überall in Stormarn Sirenen zu hören sein. Der Grund ist ziemlich simpel: Weil es kreisweit nur noch 157 Sirenen gibt, ist längst keine flächendeckende Alarmierung über Sirenen mehr möglich.

„Zwar verfügen 80 Prozent aller Stormarner Kommunen über mindestens eine funktionsfähige Sirene. Dennoch können nur 50 Prozent des Kreisgebiets auf diesem Weg alarmiert werden“, sagt Rehberg. Die meisten Sirenen seien zwar grundsätzlich aus der Regionalleitstelle in Bad Oldesloe zentral ansteuerbar. „Doch in der Regel handelt es sich um ältere Modelle, die sich ins neue zentrale Warnsystem des Bundes nicht einbinden lassen“, so Rehberg.

Kreis stellt 1,5 Millionen Euro zur Verfügung

Das gilt etwa für die weit verbreitete Sirene E 57, über die nur bestimmten Warntöne ausgespielt werden können. „Es gibt noch uralte Modelle, die bei einem Stromausfall gar nicht mehr funktionieren“, weiß Leitstellenchef Horn. Modernere Fabrikate seien hingegen mit einem Akku ausgestattet, der sie vollkommen unabhängig von einer externen Stromquelle mache.

Die weit verbreitete Sirene E57 lässt sich zumeist nicht ins zentrale Warnsystem des Bundes integrieren.
Die weit verbreitete Sirene E57 lässt sich zumeist nicht ins zentrale Warnsystem des Bundes integrieren. © picture alliance / HA | Bildagentur-online/Ohde

„Für den Aufbau eines flächendeckenden Systems müssen rund 100 moderne Sirenen in Stormarn installiert werden“, erklärt Rehberg. Im Kreishaushalt für das kommende Jahr seien dafür zwar 1,5 Millionen Euro berücksichtigt. Diese Summe werde aber bei Weitem nicht reichen. „Ohne eine Kofinanzierung durch Bund und Land wird es nicht gehen“, so Rehberg.

Fördertopf des Bundes ist bereits ausgeschöpft

88 Millionen Euro hatte der Bund zum Aufbau eines nationalen Sirenennetzes bereitgestellt. Laut Schleswig-Holsteins Innenstaatssekretär Jörg Sibbel ist dieses Geld aber längst verteilt. Deshalb werde das Land ab 2023 ein eigenes, mit 23,3 Millionen Euro dotiertes Sirenenprogramm auflegen. So sollen nicht nur neue Anlagen installiert, sondern auch bestehende ertüchtigt werden.

„Wir wollen vorrangig die weißen Flecken sukzessive mit neuen Sirenen ausstatten“, sagt Rehberg. Dazu gehörten unter anderem auch Bereiche der Städte Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe. Neun Kommunen hätten nach Informationen der Kreisverwaltung Förderanträge beim Bund gestellt, von denen aber nur drei eine Zusage erhielten. „Wir gehen davon aus, dass der flächendeckende Neuaufbau des Sirenennetzes mindestens bis 2025 dauern wird“, so Andreas Rehberg.

Deshalb stehen auch nach Ansicht von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack beim Warntag am 8. Dezember weniger die Sirenen im Fokus als vielmehr die Warn-Apps Nina und KatWarn, vor allem aber das sogenannte Cell-Broadcasting. Dieses, in vielen anderen Staaten bereits verfügbare System, warnt Menschen ebenfalls übers Handy. Allerdings auch dann, wenn sie die bekannten WarnApps nicht heruntergeladen haben.

Das Cell-Broadcasting soll bundesweit bis Februar 2023 einsetzbar sein. „Voraussetzung dafür sind jedoch notwendige Updates der Smartphone-Betriebssysteme“, betont die Ministerin. Das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz bietet auf seiner Internetseite eine umfangreiche Übersicht, welche Modelle überhaupt Cell-Broadcasting ermöglichen, und was Nutzer eventuell tun müssen, um eine (Test-)Warnung empfangen zu können.