Grande. Im Moment sind Upcycling-Möbel besonders gefragt. Die Großenseerin konnte sich schon als Kind für Holz aller Art begeistern.
In Anna Andersons Werkstatt sieht es nach Arbeit aus. In der Halle in Grande wird gehämmert und genagelt, gefeilt und gewerkelt. Kein Wunder, denn vor ihrem Werkstattverkauf am zweiten Adventswochenende hat die Tischlerin und Restauratorin noch einiges zu tun. Einige Schmuckstücke sind schon fertig: zum Beispiel ein ausgefallenes Holzobjekt, das nicht nur künstlerisch anmutet, sondern auch noch zwei Sitzflächen Rücken an Rücken bietet. Oder ein anderes, das gleichzeitig Stehpult und Couchtisch ist. Was Anna Anderson so restauriert und baut, bewegt sich stets irgendwo zwischen Möbelstück und Kunstobjekt.
Eigentlich wollte die gebürtige Hamburger Ärztin werden
Seit 2003 ist sie mit ihrem Betrieb selbstständig. „Eigentlich wollte ich Ärztin werden“, sagt Anderson. Doch weil dafür das Abitur nicht reichte, überlegte sie: Was gefällt mir noch? Der Rohstoff Holz faszinierte sie schon als Kind. „Ich habe schon immer viel vom Sperrmüll mitgenommen und bearbeitet“, so die gebürtige Hamburgerin. „Meine Eltern fanden es furchtbar, was ich da immer angeschleppt habe.“ Doch Anna Anderson war dabei voll in ihrem Element.
Also wurde sie Tischlerin und Restauratorin, machte ihren Meister, studierte später noch Gestaltung in Lüneburg. „Ich habe schon während der Ausbildung gemerkt, dass mir die Tätigkeit sehr zusagt“, sagt Anderson. Ihr Studium absolvierte sie berufsbegleitend. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon selbstständig – und alleinerziehende Mutter. „Das war schon ganz schön viel“, sagt sie. „Aber es war auch schön.“ Den Entschluss, in die Selbstständigkeit zu gehen, fasste sie kurz nach der Ausbildung mit Mitte 30.
Dass alte Möbel derzeit gefragt sind, kommt Anna Anderson entgegen
Während ihrer Ausbildung hatte Anderson bereits eine kleine Werkstatt übernommen. „Damals war meine Mutter gerade gestorben“, sagt die Mutter einer Tochter. Durch das Erbe konnte sie einige Anschaffungen machen. Mit ihrem heutigen Betrieb begann sie vor knapp 20 Jahren in Schönberg, kam schließlich nach Grande. Die Halle, in der sich ihre Werkstatt heute befindet, teilt sie sich mit drei Firmen. „Wir haben hier die Möglichkeit mit großen Maschinen zu arbeiten, das ist sehr schön“, so die Restauratorin. Momentan bearbeitet sie eine 200 Jahre alte Eiche, baut daraus einen Tisch. „Ich liebe altes Holz“, so Anderson. Dass genau das und das Upcycling alter Möbelstücke seit einigen Jahren besonders gefragt sind, kommt ihr sehr gelegen.
Als sie startete, ging es für die Selbstständige erst einmal darum, Kunden zu gewinnen. „Das ist ein schwieriges Thema“, sagt sie. Viel sei über Mund-zu-Mund-Propaganda gelaufen, auch in der Wochenzeitung habe sie annonciert. Nach und nach ist der Betrieb gewachsen. „Irgendwie hat es geklappt“, sagt sie. Seit vier Jahren hat Anderson eine Mitarbeiterin. Mittlerweile könne sie sich auf ihren Betrieb als sichere Einnahmequelle verlassen.
Die Restauratorin hatte gerade während Corona viele Aufträge
Und: Anders als bei vielen anderen Selbstständigen hat sie unter der Corona-Krise nicht gelitten – im Gegenteil. „Ich hatte während der Pandemie extrem viel zu tun“, sagt sie. „Denn gerade zu dieser Zeit haben viele Leute zu Hause aufgeräumt und kamen mit ihren alten Möbelstücken zu mir, damit ich sie restauriere“, so Anderson. „Es lief sehr gut.“ Seit die Gaspreise so enorm gestiegen sind, habe die Nachfrage aber wieder abgenommen. Anderson: „Vielleicht halten die Leute ihr Geld mehr zusammen.“
In ihrer Werkstatt restauriert die 62-Jährige alte Möbelstücke, die Menschen zu ihr bringen. „Wenn zum Beispiel ein Stuhl wackelt, mache ich den wieder fit“, sagt sie. Aber auch ohne spezielle Aufträge baut sie aus altem Holz Möbelstücke und verkauft diese: Tische, Schränke und vieles mehr. Die wird Anna Anderson auch ausstellen, wenn sie zu ihrem weihnachtlichen Werkstattverkauf einlädt. Am Sonnabend, 3., und Sonntag, 4. Dezember, können Interessierte jeweils von 11 bis 18 Uhr in der Werkstatt in der Hamburger Straße 2-6 in Grande vorbeischauen.
Auch kleine Objekte wie Vasen oder Adventsbalken gibt es zu kaufen
Es gibt allerdings nicht nur Möbel, sondern auch kleine Produkte wie Vasen oder Adventsbalken. „Es ist immer am Rande zur Kunst“, sagt die Restauratorin, die sich in ihren Objekten gerne kreativ auslebt. Was sie baut, mutet stilvoll und besonders an. Alle Objekte sind nachhaltig aus altem Holz hergestellt und zu einem neuen Leben erweckt. Auch ausgediente Zaunpfähle oder ausrangierte Holzbretter werden von ihr und ihrer Mitarbeiterin aufgemotzt. Die Preise variieren. Ein mittelgroßes Möbelstück kostet um die 350 Euro.
Auch nach so vielen Jahren im Beruf ist Anna Anderson immer noch mit Leidenschaft dabei. „Zu zweit arbeiten macht sowieso Spaß“, sagt sie. „Außerdem sehe ich jeden Tag, was ich geschaffen habe. Ich kann mich austoben und meine Ideen in die Tat umsetzen. Das ist sehr schön.“ Dennoch: „Die Selbstständigkeit kann auch aufreibend sein. Ganz sicher ist man nie, dass man genug Aufträge bekommt für die Rechnungen, die man zu zahlen hat. Auch für die Gelenke ist die Arbeit etwas anstrengend“, sagt sie.
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Auch zu Hause in Großensee stehen viele selbst gebaute Möbel
Obwohl die Selbstständigkeit einen großen Teil ihres Lebens ausmache, bleibe auch Zeit für Entspannung und Freizeit. „Ich lese gerne und liebe es, in der Natur unterwegs zu sein“, so Anderson. Ihr Arbeitsweg führt sie von ihrem Haus in Großensee mit dem Fahrrad einmal quer durch den Wald. Übrigens: Auch zu Hause stehen viele Möbel, die Anna Anderson selbst gebaut und restauriert hat. Aber: Auch ihr Lebensgefährte müsse die Einrichtung mögen. Anderson: „Bis jetzt sind wir uns immer einig geworden. Aber komplett freie Hand habe ich nicht.“