Bargteheide. Vor sieben Jahren hat Nele Karall ihr Herz an den Inselstaat im Südwestpazifik verloren. Dort hat sie auch beruflich großen Erfolg.
Als Gerrit Karall von den Zukunftsplänen seiner jüngsten Tochter Nele hörte, war er ganz und gar nicht begeistert: „Was, du willst auswandern? Und dann auch noch nach Neuseeland? Kommt ja gar nicht in Frage!“ Das Veto des besorgten Vaters erscheint nachvollziehbar. Der geografisch isolierte Inselstaat im Südwestpazifik liegt nicht mal eben „um die Ecke“. Er liegt streng genommen sogar buchstäblich am anderen Ende der Welt, 18.290 Kilometer vom beschaulichen Bargteheide entfernt. Mit dem Flugzeug dauert die Anreise im besten Fall 27 Stunden, mit dem Schiff noch deutlich länger.
Stormarnerin nach Neuseeland ausgewandert: Schon immer von Fernweh getrieben
Als Gerrit Karall seine berechtigten Bedenken anmeldete, war es aber längst zu spät. Nicht nur, weil Nele schon immer ihren eigenen Kopf hatte. „Als ich 2015 das erste Mal nach Neuseeland kam, war das vom ersten Tag an für mich wie nach Hause kommen“, erinnert sich die 29-Jährige jetzt bei ihrem jüngsten Heimatbesuch in Bargteheide. Die grandiose Natur der beiden Hauptinseln, die freundlichen, zugewandten Menschen, das deutlich weniger reglementierte und durchstrukturierte Leben dort – all das machte Neuseeland für sie zum Sehnsuchtsort. „Ich habe mich sofort wohl gefühlt. Und wusste genau, dass ich nie wieder in Deutschland würde leben wollen“, sagt Nele.
Das Fernweh begleitete die im Hamburger Amalie Sieveking Krankenhaus geborene Stormarnerin von Kindesbeinen an. Ebenso wie ihre ausgeprägte Tierliebe. „Sie hat als kleines Mädchen alles angeschleppt: Meerschweinchen, Hamster, Hasen – das ganze Programm“, berichtet Mama Monika. Dass später auch das Thema Pferde akut werden würde, sei faktisch unvermeidlich gewesen.
Globetrotterin lockte zuerst vor allem Kanada
Nach einem Praktikum bei einem Tierarzt während ihrer Schulzeit an der Anne-Frank-Schule in Bargteheide stand für Nele fest: ich werde Tierärztin. Um ihr Englisch aufzubessern, schickte ihre Lehrerin sie in der elften Klasse im Rahmen eines Schüleraustauschs auf die englische Kanalinsel Jersey. Bei einer Schulmesse zu Auslandsaufenthalten wurde wenig später ihr Interesse für Kanada geweckt. Dort verbrachte sie drei Monate in der Nähe von Toronto. Und ließ ihre Eltern am Ende wissen, dass sie am liebsten gleich dortbleiben würde.
Nele: „Da spielten meine Eltern aber nicht mit. Erstmal wird die Schule beendet und dann sehen wir weiter, hieß es.“ So kam es dann auch. Nach dem Fachabitur in Hamburg absolvierte sie eine Ausbildung im Bereich Tourismus und Eventmanagement. Und durfte sich anschließend für eine Jahr zu einer Work-and-Travel-Tour nach Australien verabschieden.
Aus zwei Monaten sind sieben Jahre geworden
„Dort habe ich vor allem auf Ranches mit Pferden, Rindern und Schafen gearbeitet“, berichtet Nele. Es sei eine richtungsweisende Erfahrung gewesen. Denn sie habe Dinge im Umgang mit den Tieren gesehen, die sie irritierend und fragwürdig fand. „Das verschaffte mir andererseits aber Klarheit darüber, welchem Beruf ich nachgehen wollte: Tiertherapeutin und nichts anderes“, sagt sie.
Doch zuvor wagte die Stormarnerin noch einen Abstecher nach Neuseeland: „Wer schon in Australien ist, muss unbedingt auch Neuseeland besuchen, heißt es doch immer.“ Eigentlich wollte sie nur zwei Monate bleiben. Daraus sind dann aber sieben Jahre geworden. Auch deshalb, weil sie ihr Herz nicht nur an Land und Leute verloren hat, sondern auch an einen waschechten Neuseeländer mit schwedischen Wurzeln: Josh Svensson.
Mutter sah statt „best buddies“ lauter Schmetterlinge
„Wir trafen uns auf einem Weingut bei Queenstown, wo ich gejobbt habe“, erzählt Nele. Anschließend sei sie ihm nach Christchurch gefolgt, wo er mit seinen Brüdern ein Baugeschäft betreibt. „Wir haben viel zusammen unternommen und waren lange eigentlich nur best buddies. Bis sich eines Tages meine Mutter das erste Mal auf die weite Reise in den südlichen Pazifik machte“, so Nele.
Monika Karall sah die Dinge mit den Augen einer Mutter völlig anders. „Wie jetzt, nur beste Freunde? Ich sehe doch überall Schmetterlinge herumflattern“, stellte sie mit untrüglichem Gespür fest. „Alles Quatsch“, konterte die Tochter da noch abwehrend, „die einzige, die hier verliebt ist, bist du.“
Langer Bootssteg wurde zum Hochtzeitsaltar
Mit Round-the-World-Tickets begaben sich Nele und Josh wenig später auf eine Tour nach Hawaii, Los Angeles und Kanada. Mit einem altersschwachen Van erkundeten sie dort unter anderem Vancouver Island, die der Millionenmetropole vorgelagerte Insel an der Westküste. Als das Gefährt im kleinen Örtchen Sooke inmitten eines großen Oldtimer-Treffens schlappmachte, erschien das dem Oldtimer-Fan Josh als reinstes Paradies, glückliche Fügung und wunderbares Omen.
„Wer es wochenlang mit einem Kerl in einem klapprigen Van aushält, der kann ihn auch heiraten“, beschied Mama Monika voller Weisheit. Und behielt recht: Vor vier Jahren haben Nele und Josh geheiratet. Auf einem endlos langen Bootssteg, nahe des magischen Orts Sooke, mit anschließendem, dreistündigen Segeltörn durch die malerischen Pazifikkanäle.
Neues Zuhause ist eine Farm mit vielen Tieren
Nach British Columbia kehrte Nele auch noch mal für ihre Ausbildung zur Tiertherapeutin zurück. „Dort gibt es eine renommierte Schule. Der extrem hohe Lehrstandard mit drei Hauptexamen hat mich bis an mein Limit gebracht, doch ich habe mich durchgebissen“, erzählt sie. Von 34 Startern seien nur sieben ans Ziel gekommen: „Dass ich dabei war, hat mich schon stolz gemacht.“
Vor kurzem sind Nele und Josh auf eine zehn Hektar große Farm nahe Christchurch gezogen. Dort wohnen sie jetzt mit Palomino-Hengst Marley und zwei jungen Norweger-Stuten, dem riesigen Stier Ferdinand und den Jersey-Kühen Molly und Jess, den Hühnern Eins, Zwei, Drei, Vier und Fünf (die heißen wirklich so), Rhodesian Ridgeback Milow und Katze Minnie.
Stormarnerin ist längst Neuseeländerin mit Leib und Seele
Nele hat sich auf der Südinsel längst einen Namen als Tiertherapeutin mit einem ganzheitlichen Ansatz gemacht. Mittels Magnetfeld- und Massage-Therapien, homöopathischen Arzneimitteln, Kräutern und einem speziellen Ernährungsprogramm hat sie unter anderem Marley gerettet, den Tierärzte wegen massiver Kopfbeschwerden schon aufgegeben und empfohlen hatten, ihn umgehend einzuschläfern.
Dass Nele längst Neuseeländerin mit Leib und Seele ist, mag auch die Tatsache belegen, dass sie stets an Joshs Seite ist, wenn im örtlichen Biergarten beim Public Viewing die Spiele der legendären All Blacks gezeigt werden, des Rugby-Nationalteams. „Das sind unvergleichliche Festtage, die einfach kein echter Kiwi verpassen darf“, sagt Nele Svensson.