Bad Oldesloe. Karl-Reinhold Wurch tritt FDP-Fraktionsvorsitz im Kreistag an den bisherigen Stellvertreter Thomas Bellizzi ab.

Er ist sicher eines der bekanntesten Mitglieder des Stormarner Kreistags: Karl-Reinhold Wurch. Mit einer kurzen Unterbrechung gehört der gebürtige Nütschauer dem Gremium fast 40 Jahre an, davon 32 Jahre als Vorsitzender der FDP-Fraktion. Mitten in der parlamentarischen Sommerpause hat sich der 74-Jährige jetzt von diesem Posten zurückgezogen. Seit 1. Juli ist sein bisheriger Stellvertreter Thomas Bellizzi neuer Fraktionschef. „Damit geht eine Ära zu Ende“, sagt Bellizzi. Wurch habe das Stormarner Modell, das kooperative Miteinander der Fraktionen des Kreistags, in beispielhafter Weise gelebt und praktiziert und sich dadurch bleibende Verdienste erworben, so Bellizzi.

Den temperamentvollen Nachfolger etwas gezähmt

Der neue Mann an der Spitze der FDP-Fraktion sieht die Kontinuität in deren Ausrichtung gewahrt. „Schließlich hat mich Kalle Wurch wie kaum ein Zweiter politisch geprägt und beeinflusst“, sagt Bellizzi. Und den temperamentvollen 39-Jährigen mit italienischen Wurzeln dabei wohl auch ein Stück weit gezähmt. Weil dem in Miami Beach (Florida) geborenen Ahrensburger früher schon mal Geduld und diplomatisches Geschick abgingen, empfahl ihm sein väterlicher Freund Wurch in dessen gelassener Art unter anderem, nicht immer nur die Axt zu schwingen, sondern gelegentlich auch mal zum Florett zu greifen.

Bellizzi, der bis zur Regierungsumbildung in Kiel persönlicher Referent von Sozialminister Heiner Garg war, wird die Schwerpunkte liberaler Kreispolitik wie Bildungs- und Generationengerechtigkeit sowie eine solide Haushaltspolitik dennoch etwas anders moderieren als sein Vorgänger. Er hofft aber weiter auf das Mentoring von Wurch, der mit seinem Erfahrungsschatz momentan noch nicht wegzudenken sei.

Wurch bleibt noch bis zur nächsten Kreistagswahl

Wurch wird der FDP-Fraktion bis zur Neuwahl des Kreistags am 14. Mai kommenden Jahres weiter als einfacher Abgeordneter zur Verfügung stehen und auch Vorsitzender des Hauptausschusses bleiben. „Damit vermeiden wir einen harten Cut und schaffen zugleich einen fließenden Übergang. Spitzensportler müssen ja schließlich auch kontrolliert abtrainieren“, sagt der Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Bad Oldesloe.

Karl-Reinhold Wurch (l.) beim Kommunalen Abend 2011 im Gespräch mit dem früheren Chef der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), Norbert Leinius.
Karl-Reinhold Wurch (l.) beim Kommunalen Abend 2011 im Gespräch mit dem früheren Chef der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), Norbert Leinius. © HA | Alexander Sulanke

Ja, er habe sich als Alt-68er, der sich nach der Notstandsgesetzgebung den Liberalen zuwendete, mehr als fünf Jahrzehnte mit viel Hingabe und Leidenschaft der Politik gewidmet. Anfangs als Assistent des FDP-Bundestagsabgeordneten Werner Zywietz, der von 1966 bis 1972 selbst Mitglied des Stormarner Kreistags war. Später als Stadtverordneter in seiner Heimatstadt Bad Oldesloe und Kreistagsabgeordneter.

Fortan vor allem als Großvater gefordert

Hat es ihn denn nie gereizt, in den Landtag oder in den Bundestag einzuziehen? „Nein“, sagt Wurch im Brustton tiefster Überzeugung. Er habe sich ganz bewusst für die Kommunal- und Kreispolitik entschieden. „Probleme, die man vor Ort und im unmittelbaren Lebensumfeld lösen kann, erschienen mir einfach naheliegender und handfester, da bin ich sehr schollenverbunden und bodenständig“, sagt er. Doch nun sei es an der Zeit, Jüngeren den Vortritt zu lassen und mehr Zeit für seine Familie zu haben.

Sein Sohn, der als Richter in Freiburg tätig ist, und seine Tochter, eine Grundschullehrerin, haben ihm insgesamt fünf Enkelkinder im Alter zwischen 16 Monaten und elf Jahren geschenkt. „Da wirst du als Opa immer gebraucht“, sagt der Familienmensch Wurch.

Ein Glashaus als Refugium zum Lesen und Entspannen

2018 errichtete Karl-Reinhold Wurch dieses Glashaus im Garten seines Wohnsitzes in Bad Oldesloe. Es ist für ihn auch Rückzugsort zum Lesen und Entspannen.
2018 errichtete Karl-Reinhold Wurch dieses Glashaus im Garten seines Wohnsitzes in Bad Oldesloe. Es ist für ihn auch Rückzugsort zum Lesen und Entspannen. © Privat | Privat

Als er vor vier Jahren Teilzeitrentner wurde, hat er im Garten seines Oldesloer Domizils ein Glashaus gebaut. Dort zieht der passionierte Hobbykoch, der früher auch schon seine beiden Kinder täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgte, Tomaten, Gurken und Paprika. Es gibt aber natürlich auch ein Beet mit saftigen Erdbeeren für die Enkelschar. Das Glashaus ist für ihn zugleich Rückzugsort, um Zeitung und Bücher zu lesen, bevorzugt historische Romane und Krimis von Jean-Luc Bannalec, dessen Hauptheld der bretonische Kommissar Georges Dupin ist.

Wie Wurch überhaupt ein Faible für Frankreich hat. Dort war er schon als Jugendlicher mehrfach, dort zieht es ihn immer wieder hin. Auf der Île de Noirmoutier, einer Gezeiteninsel im Atlantik, die nur bei Ebbe über die gepflasterte Passage du Gois zu erreichen ist, hat er seine ersten Austern geschlürft. „Mit Frankreich verbinden sich für mich viele Erinnerungen, die aufzufrischen lohnt“, schwärmt er.

Bellizzi bringt 20 Jahre Kreistagserfahrung ein

Deshalb freut er sich schon auf seine nächste ausgedehnte Tour de France. Allerdings nicht auf dem Rad und ohne die Himmelsrampen in den Alpen und den Pyrenäen. Wenn er sich Mitte nächsten Jahres endgültig aus der Politik zurückzieht, soll es mit Ehefrau Monika auf eine ausgedehnte Reise entlang der Rhône bis an die Côte d’Azur gehen.

Dass die Freien Demokraten im Kreistag auch ohne ihn eine wichtige Rolle spielen werden, daran hat Karl-Reinhold Wurch keinen Zweifel. Sein Nachfolger Thomas Bellizzi bringe als FDP-Fraktionschef der Stadtverordnetenversammlung Ahrensburg und fast 20 Jahren im Kreistag viel Erfahrung mit und wisse, wie er funktioniere. Der Diplomverwaltungswirt, der jetzt hauptberuflich als Mitarbeiter des Rettungsdienstreferats im schleswig-holsteinischen Justiz- und Gesundheitsministerium tätig ist, habe das „politische Gespür für Mehrheiten“. Und sei dank Töchterchen Leonie Sophie (2) auch schon viel ruhiger und bedachter geworden.