Bad Oldesloe. 64-Jährige aus Bad Oldesloe war lange Zeit für den Kinderschutzbund Stormarn tätig – als Ehrenamtlerin. Das hat sie bereichert.
Die Pflanzen in ihrem Garten, die Strandspaziergänge auf Sylt und jede Menge Zeit zum Reisen – es sind die schönen Seiten des Lebens, denen sich Birgitt Zabel seit ein paar Wochen mit Genuss widmet. Gelegenheit, die weniger schönen Seiten des Lebens kennenzulernen, hatte die 64-Jährige in den zurückliegenden 28 Jahren durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit beim Kinderschutzbund Stormarn zur Genüge. Eine Tätigkeit, die ihr Leben bereichert, aber auch über lange Jahre bestimmt hat.
Begonnen hat sie mit einem Aufruf des Kinderschutzbundes, der auf der Suche nach engagierten Mitbürgern war. Birgitt Zabel: „Er hat in einem Bericht auf die Probleme der Kinder und Jugendlichen und deren Familien vor Ort aufmerksam gemacht und gesagt, wir brauchen eine anonyme Anlaufstelle für die betroffenen Kinder und Jugendlichen.“ Dazu wurden Menschen gebraucht, die eine Ausbildung als Berater für das neue Kinder- und Jugendtelefon machen wollten. Zabel folgte dem Aufruf. Für die junge Mutter ließen sich die Ausbildungszeiten abends und an Wochenenden gut mit ihrem Familienleben vereinen.
1998 wurde Zabel als Beisitzerin in den Vorstand gewählt
Ihre berufliche Tätigkeit beim Bargteheider Unternehmen Getriebebau Nord gab Zabel wegen der Kinder auf. „Es war mir wichtig, meine Kinder aufzuziehen und zu Hause zu sein“, sagt sie. Doch das Dasein als Hausfrau und Mutter füllte sie auf Dauer nicht aus. Sie habe sich schon immer engagiert, als Schülervertreterin, später im Betriebsrat, so Zabel. „Als die ersten beiden Kinder so drei, vier Jahre alt waren, wollte ich mich noch für etwas anderes engagieren.“
Also startete sie 1994 beim Kinderschutzbund als Beraterin am Kinder- und Jugendtelefon. Im selben Jahr wurde Ingo Loeding Geschäftsführer des Vereins. 1998 wurde Zabel als Beisitzerin in den Vorstand gewählt, 2001 zur Vorstandsvorsitzenden. Sie arbeitete eng mit Loeding zusammen. Als er 2020 in den Ruhestand ging, blieb sie, weil sie die neue Geschäftsführerin Stephanie Wohlers noch eine Zeit lang begleiten wollte. Bei der Mitgliederversammlung am 19. Mai stellte sie sich nicht mehr zur Wahl und gab den Staffelstab an Oliver Ruddigkeit weiter.
Birgitt Zabel sagt: „Es war der richtige Zeitpunkt, und ich habe ihn bestimmt.“ Es habe in ihrer Verantwortung gelegen, sich nicht aus dem Staub zu machen, sondern den Übergangsprozess zu begleiten und alles ordnungsgemäß zu übergeben. „Und ich habe einen Nachfolger, der großartig ist“, sagt sie. Es klingt zufrieden.
„Ich bin fröhlich und ganz offen für das, was kommt. Ich habe keine Termine mehr, nach denen ich mich mit meinem Urlaub richten muss.“ Sie warte immer noch auf das Loch, in das man fallen solle nach dem Ende einer solch zeitintensiven Aufgabe. „Aber es geht mir gut, ich habe nicht das Gefühl, etwas machen zu müssen.“
Für ihre Arbeit wurde die Oldesloerin 2019 mit der Ehrennadel des Kreises Stormarn ausgezeichnet. „Ich hatte das Gefühl, dort stellvertretend für viele Ehrenamtliche zu stehen.“ Dabei mag sie den Begriff nicht einmal. „Man bekommt ja etwas zurück“, sagt sie. „Ich habe Menschen kennengelernt, die auch so ticken und so klar sind.“ Es sei eine Freude gewesen, in einem Verein zu arbeiten, der für Verlässlichkeit und Kontinuität stehe. „Ein toller Vorstand, in dem sogar seit 40 Jahren noch zwei Gründungsmitglieder aktiv sind.“ Darunter niemand mit Allüren, Geltungsbedürfnis oder der sich selbst verwirklichen wollen, sondern im Fokus ständen immer die Kindern und Familien.
Inzwischen hat der Verein 80 Angestellte
Sie selbst sei mit zwei Geschwistern in einfachen Verhältnissen groß geworden. „Aber wir hatten eine unbeschwerte Kindheit.“ Im Gegensatz dazu gebe es Familien in Krisensituationen, denen es nicht so gut gehe. Als Beraterin am Telefon wechselte sie die Perspektive. „Für mich war es eine Bereicherung zu hören, womit die Kinder kämpfen müssen.“ Heruntergezogen habe sie das nie. Doch es habe auch Schicksale gegeben, die ihr sehr nahe gegangen seien, räumt sie ein. Wenn Kinder mit Suizidgedanken angerufen hätten. Solche Geschichten habe sie mit nach Hause genommen. Doch der Verein habe sie gut aufgefangen und professionell begleitet durch Ansprechpartner, Supervision und regelmäßigen Austausch.
Trotzdem reichte es irgendwann mit dem Telefondienst. Zabel wandte sich anderen Aufgaben zu. 2001 fanden die ersten Stormarner Kindertage statt, die sie mit initiiert hatte. Im selben Jahr stattete die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel dem Kinderhaus in Bargteheide einen Besuch ab. Zabel hat die erste Fähnchenaktion gegen Kinderarmut in Deutschland organisiert. „Das war 2004 auf dem Hügel vor dem Oldesloer Bahnhof und hat keinen Menschen interessiert.“ Inzwischen sorgt die Aktion bundesweit für Aufsehen.
Als Zabel beim Verein anfing, gab es etwa 15 Mitarbeitende, inzwischen ist die Zahl auf 80 Angestellte angewachsen. Das Spektrum der Leistungen wurde um ein Vielfaches erweitert, bietet Hilfe in Entscheidungs-, Krisen- und Konfliktsituationen, reicht von Babysittervermittlung, frühen Hilfen für Familien, schulische Begleitung, Spielangebote, kostenlose Kleidung für Kinder, Kurse und Telefonberatung bis hin zu Vätergesprächskreisen, und betreutem Umgang. „Hilfeleistung hat Vorrang vor dem Eingreifen in Familien“, erläutert Zabel. „Dieser Grundsatz hat mich so begeistert, dass ich dabeigeblieben bin.“ Es dürfe keinen organisatorischen oder finanziellen Grund geben, dass Hilfe nicht unmittelbar einsetzen könne – gerade auch bei Gewalt und Kindesvernachlässigung. „Unser Ziel war immer, auf Defizite in der Gesetzgebung, auf staatlicher oder Gemeindeseite und Bedarfe aufmerksam zu machen.“ Oft sei der Kinderschutzbund durch Spenden in Finanzierung gegangen, die später von Kommunen, Land oder Bund übernommen worden seien.
Zabel: „Es muss künftig einen Arbeitskreis gegen sexuelle Gewalt geben, irgendwann muss die Politik eingestehen, dass das ein Problem ist.“ Ob in Kita, Schule oder Betrieb, es gebe immer die Möglichkeit, mitzugestalten. In den sozialen Medien werde geschimpft und gemeckert. „Es wäre so viel besser, wenn die Menschen ihre Energie darin investieren würden, mitzuwirken und Veränderungen anzustoßen.“