Bargteheide. Das Bildungszentrum setzt neue Maßstäbe in der Ausbildung dringend benötigter Fachkräfte. Generalistische Ausbildung sorgt für großen Zulauf.
Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit verzeichnete Schleswig-Holstein 2021 im Jahresschnitt 1500 offene Stellen in der Pflege. Das Problem dürfte sich in den kommenden Jahren tendenziell noch verschärfen. Wegen des chronischen Personalmangels, insbesondere in Einrichtungen der Altenpflege und bei ambulanten Pflegediensten, klagen viele Beschäftigte über zu viele Überstunden, wenig verlässliche Dienstpläne und mangelnde Wertschätzung. Das ergab eine Studie im Auftrag der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein aus dem Vorjahr, an der sich 1900 Pflegekräfte beteiligt hatten.
Pflegeberuf soll mit Imagekampagne aufpoliert werden
„Die Corona-Pandemie hat wie unter einem Brennglas die Defizite in der Pflege aufgezeigt“, sagte Schleswig-Holsteins Gesundheits- und Sozialminister Heiner Garg bei einem Besuch des Bildungszentrums Malepartus (BZM) in Bargteheide. Mehr denn je seien die Probleme und negativen Seiten dieses Berufsfelds zu präsent im öffentlichen Bewusstsein. „Dass es aber ein zutiefst sinnstiftender Beruf ist, müssen wir wieder stärker nach vorn stellen“, so der FDP-Politiker.
Mit einer Imagekampagne soll jetzt das Berufsbild aufpoliert werden. Das funktioniere aber nur, wenn zugleich die Rahmenbedingungen nachhaltig verbessert würden. Und das sei im Grunde nur möglich, wenn mehr Arbeitskräfte für diesen Berufszweig gewonnen und sie dort besser bezahlt würden.
Land hat BMZ mit 261.000 Euro gefördert
„Dafür muss schon die Ausbildung und deren Vergütung aufgewertet werden“, weiß Garg. Aus diesem Grunde sei bereits während der Corona-Pandemie im Sommer vergangenen Jahres die generalistische Ausbildung zur Pflegefachkraft eingeführt worden. „Ich war am Anfang extrem skeptisch, ob damit nicht das Risiko der Abwanderung in den klinischen Bereich zu Lasten der Altenpflege wächst“, gestand Garg.
Ob sich die Befürchtungen bestätigen, muss sich erst noch erweisen. An der staatlich anerkannten Pflegeschule im BMZ Bargteheide verzeichnen die Lehrkräfte jedenfalls einen guten Zulauf in die generalistische Ausbildung. An einer besseren Ausstattung, unter anderem mit einem Lift zur Barrierefreiheit, hat sich das Land jüngst mit Fördergeld in Höhe von 261.000 Euro beteiligt. Weitere 350.000 Euro hat der Betreiber selbst aufgebracht.
iPad ist mit Dateien aus 25 Fachbüchern bestückt
Wer in dem ehemaligen Jagdschloss mitten im weitläufigen Malepartus-Park eine Ausbildung aufnimmt, bekommt statt einer Schultüte ein iPad überreicht, das mit Dateien aus 25 Fachbüchern bestückt ist. Und im Bildungszentrum selbst erwarten die Schüler sieben helle, moderne Unterrichtsräume mit interaktiven Smartboards und Beamern sowie im Praxisraum hochtechnisierte Pflegepuppen, „Nursing Anne“ genannt.
„Die Ausstattung und die Ausbildung selbst sind sehr digital“, sagt Jan Hoffmann. Das sei insbesondere während der Pandemie ein Vorteil gewesen, weil trotz des ausgesetzten Präsenzunterrichts jederzeit Anleitung durch die Dozenten und Austausch unter den Mitschülern möglich gewesen seien. „Die Bedingungen im Malepartus sind einfach klasse und motivierend“, so der 31-Jährige aus Tremsbüttel, der zuvor Musikproduktion studiert und unter anderem Hörbücher für Demenzkranke entwickelt hat.
Die 175 Schüler des BZM stammen aus 27 Nationen
„Das gesamte Ambiente, Schülerküche, Turnhalle und Caféteria muten fast universitär an“, sagt Mehdi Bamavadat. Der 30 Jahre alte Iraner aus Shiraz hat daheim Jura studiert. Er war von der Rechtspraxis in seinem Land aber dermaßen frustriert, dass er sich beruflich rasch neu orientierte. „Ich wollte näher am Menschen sein und mir durch meine Arbeit das Gefühl verschaffen, anderen helfen zu können und ihnen damit etwas Gutes tun“, erklärt er die Beweggründe für seinen Neuanfang in Deutschland.
„Unsere 175 angehenden Altenpfleger, Pflegehelfer und Generalisten stammen aus 27 Nationen und sprechen mehr als ein Dutzend verschiedene Sprachen“, sagt Schulleiterin Angela Poling. Insofern sei die Digitalisierung der gesamten Ausbildung nicht nur eine große Herausforderung, sondern eine ebenso große Chance gewesen.
Lehrbetrieb darf kritisch hinterfragt werden
Weil man mit der generalistischen Ausbildung aber noch ganz am Anfang stehe, biete sich den Erstsemestern zudem die Möglichkeit, die Lehrinhalte aktiv mitzugestalten. „Das empfinden viele als sehr bereichernd, weil sie ihre Erfahrungen aus dem Praxisbetrieb aktiv einbringen können. Und so den Lehrbetrieb immer wieder kritisch hinterfragen können“, erklärt Poling.
Wichtig sei aber, dass die in der modernen Lehre geförderte Lust auf den (Pflege-)Dienst am Menschen im Alltag in den Unternehmen der Alten- und Krankenpflege nicht schnell wieder verloren geht. „Tatsache ist, dass sich dort vieles ändern muss, wenn die ausgebildeten Fachkräfte auf Dauer gehalten werden sollen“, sagt Viona Möller, die als Generalistin in spe gerade einen zweiten Anlauf in der Pflege nimmt. „Meine ersten Erfahrungen waren eigentlich so schlecht, dass ich diesen Beruf für mich schon abgehakt hatte“, gesteht die 23-Jährige. Letztlich habe aber die Überzeugung obsiegt, dass man die Situation nur verbessern könne, wenn man sich selbst einbringt.