Glinde. Fraktionsübergreifendes Bündnis ruft zu Demonstration für den Frieden auf. Etwa 300 Menschen versammeln sich auf dem Markt.
Konstantin Tselikov ist Auftritte vor Publikum gewohnt. Der aus der Ukraine stammende Glinder stand als Mitglied der Compagnie des Hamburg Ballett oft genug im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch sein Auftritt am Sonnabend war alles andere als Routine für den 36-Jährigen, denn diesmal hatte er keine künstlerische, sondern eine politische Mission.
„Heute strahlen die Farben Blau und Gelb sehr, sehr stark und ich muss mich für alle Ukrainer herzlich bedanken“, rief er den etwa 300 Menschen zu, die sich bei strahlendem Sonnenschein auf dem Glinder Markt versammelt hatten. Sie waren dem Aufruf des Parteienbündnisses aus CDU, SPD, Grünen und FDP zu einer Demonstration für den Frieden gefolgt.
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Ukraine-Krieg: Rund 300 Teilnehmer bei Friedensdemo auf dem Markt in Glinde
Manche der Demonstranten hatten sich passend in den Farben der ukrainischen Flagge gekleidet, andere schwenkten die Fahne des Landes oder hielten selbst gebastelte Schilder, teils mit Friedenstauben verziert, in die Höhe. Darauf waren Botschaften wie „Die Wahrheit ist nicht relativ! Erst kommt die Lüge, dann kommt das Leid“, Slogans wie „Stop the war“, „Frieden“ auf Deutsch und Ukrainisch zu lesen oder schlicht „Fck Ptn“.
Das Bild der Solidarität, das sich Tselikov bei der Abschlusskundgebung der Demonstration von seinem Platz auf einem Wagen der Feuerwehr Glinde aus bot, ließ ihn einen Moment inne halten. Als er seine Rede fortsetzte, kämpfte er mit der Fassung. „Ich kann’s nicht glauben, dass es einen Krieg in 2022 gibt“, sagte er, und wischte sich kurz über die Augen. „Aber der Albtraum ist wahr“, fuhr er fort. „Alles, was dort gerade passiert, darf nicht weitergehen, wir alle müssen dagegen stehen.“
Viele Familien mit Kindern nehmen an Friedensdemo in Glinde teil
Um 14 Uhr hatten sich zwei Demonstrationszüge, darunter viele Familien mit Kindern, an der Grundschule Tannenweg und der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld formiert und in Richtung Markt in Bewegung gesetzt. Angeführt wurden sie von Bürgervorsteher Martin Radtke (CDU) und seinem Stellvertreter Oliver Sendzik (SPD). Dessen Parteigenosse Frank Lauterbach hatte mit einem Schreiben an die anderen Fraktionen den Stein ins Rollen gebracht.
„Wenn wir auch nicht immer parteipolitisch einer Meinung sind, so eint uns doch unser Parteienbündnis (...) für Demokratie“, schrieb Lauterbach. Und weiter: „In dieser wahnsinnigen Zeit sind wir mehr denn je gefordert, zusammenzustehen und auch nach außen ein Signal der Solidarität mit der Ukraine zu senden.“ Mit seinem Aufruf stieß er auf offene Ohren bei den Parteien.
Bei der Friedensdemo in Glinde wurde auch Geld für "Ärzte ohne Grenzen" gesammelt
Mit Unterstützung von Stadtverwaltung, Feuerwehr und Glinder Frauenbündnis gelang es, die Aktion kurzfristig zu organisieren. Bei der Kundgebung sollten auch Spenden für die „Ärzte ohne Grenzen“ gesammelt werden, die auch im Kriegsgebiet im Einsatz sind.
Vor Tselikovs Rede hatte Bürgervorsteher Radtke das Wort an die Menge gerichtet: „Das Glinder Parteienbündnis ist der Meinung, es wird Zeit, dass auch Glinde Flagge zeigt und das Unrecht nicht so hinnehmen kann, wie es gerade in der Ukraine passiert“, sagte er. „Es zerbricht mir das Herz, wenn ich jeden Tag die Nachrichten höre und sehe.“ Gefühle, die auch die zehn Jahre alte Johanna Mattigkeit umtreiben, die mit ihrer Mutter Tanja in der Menge steht und zuhört. „Aber nicht hinzuschauen ist auch keine Lösung“, sagt sie. Zwar bereiteten Kindersendungen wie „Logo!“ das Thema gut auf, Gesprächsbedarf gebe es dennoch, so Tanja Mattigkeit. Aber Reden und Kuscheln helfe gegen die Angst, sind sich beide einig.
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Glinder zeigen sich solidarisch - Stormarns Landrat hält Ansprache
Das Gefühl der Angst werden die geflüchteten Ukrainer so schnell nicht los. Gerade erst dem Krieg entronnen, türmen sich Sorgen vor einer ungewissen Zukunft in Deutschland auf. In seiner Ansprache nahm Stormarns Landrat Henning Görtz darauf Bezug. „Wir werden uns um jeden dieser Menschen kümmern“, sagte er. „Das verspreche ich.“ Er sage zu, dass auch Kreis und Kommunen ihre Möglichkeiten zur Hilfe schnell und unbürokratisch zur Verfügung stellen. Es sei „jetzt nämlich nicht die Zeit, sich lange Gedanken zu machen über Fragen wie Zuständigkeiten oder rechtliche Hemmnisse“, so Görtz.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Friedensgebet, zu dem Pastorin Anna Benkiser-Eklund auch Pastorin Birgit Bohn und Agnes Kapuscinski von der katholischen Gemeinde eingeladen hatte. Beim Anblick der versammelten Menge zeigte sich Benkiser-Eklund begeistert: „Ich hätte nicht mit so vielen Menschen gerechnet – wow!“ Beim Thema Krieg fand sie deutliche Worte: „Ich möchte klar stellen, da führt nur einer Krieg, und das ist die Armee Putins“, sagte sie. Sie sei wütend über das, was sich in der Ukraine abspiele. „Lasst uns beten für jede Frau, für jeden Mann, für jedes Kind, das von diesem wahnsinnigen Krieg zerbrochen wird“, forderte sie die Anwesenden auf.
Als letzter Redner trat noch einmal Bürgervorsteher Martin Radtke ans Mikrofon. „Vielleicht noch eines zum Abschluss“, sagte er: „Putin muss weg!“