Bad Oldesloe. Menschen setzen bei Kundgebung ein Zeichen der Solidarität. Das Rathaus erstrahlt abends in den Farben der ukrainischen Flagge.
Trauer, Wut, Fassungslosigkeit: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben Menschen in Bad Oldesloe gegen den Krieg demonstriert. Bei einer Kundgebung auf der Hude verurteilte die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) den Einmarsch. Gewerkschaftler Andreas Guhr brach in Tränen aus. Menschen mit familiären Verbindungen in die Ukraine berichteten von ihrer Angst um die Einheimischen, die sich von einem auf den anderen Tag im Kriegsgebiet wiederfanden.
Es sind schlechte Zeiten für Pazifisten
Seit Jahrzehnten kämpft Detlef Mielke von der DFG-VK für eine Welt ohne Waffen, Krieg und Gewalt: „Es sind schlechte Zeiten für Pazifisten wie mich.“ Er wirkt niedergeschlagen und nachdenklich, als er sich ans Mikrofon stellt. „Ich fordere eine Entspannungspolitik, weil es keinen anderen Weg gibt. Und dass sich die Soldaten weigern zu kämpfen.“ Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Am Sonnabendabend teilte Bundeskanzler Olaf Scholz mit, nach längerem Zögern nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern. Auch die Sanktionen gegen Russland werden ausgeweitet.
Elisabeth Oschmann hält ein Schild in der Hand: „Putin raus! Die Ukraine soll leben.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Sven und ihrer Schwester Rosemarie Böhmer ist sie zur Kundgebung gekommen. „Unsere Mutter ist nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Ukraine geflohen, und wir als nachfolgende Generation hatten das Elend des Krieges noch in unserem Kopf“, sagt Elisabeth Oschmann. Ihr Vater sei als Zivilist in russische Kriegsgefangenschaft gekommen. „Er hat sein Leben im Grunde einem Russen zu verdanken, der ihm einen Zettel geschrieben hat, dass er aus dem Lager rauskommt. Er hätte sonst vielleicht nicht überlebt“, sagt Rosemarie Böhmer.
Vor allem Zivilisten leiden unter Krieg
Seit dem Ausbruch des Krieges verfolgen beide Frauen fast rund um die Uhr die Nachrichten aus der Ukraine. „Die letzten Tage waren schrecklich. Wir haben alle Gefühlslagen durch, viel geweint“, sagt Rosemarie Böhmer. Die Nächte habe sie nicht geschlafen und viel Nachrichten geschaut. „Dann habe ich mir gesagt, dass ich jetzt etwas tun muss. Hierher zu kommen war wie auf eine Beerdigung zu gehen.“
Andreas Guhr, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bad Oldesloe, kämpft mit den Tränen: „In Europa herrscht Krieg, erneut Krieg. Der Kreisverband und seine Mitgliedsgewerkschaften verurteilen den Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Angriffe aufs Schärfste“, sagt er. Ob in der Ukraine oder in Russland – es seien vor allem die Zivilsten, die unter dem Krieg und seinen Folgen zu leiden hätten. Er machte deutlich, dass die Gewerkschaften hinter den Menschen in der Ukraine und in Russland stehen, die diesen Krieg nicht wollen. „Russland provoziert mit der Eröffnung dieses Angriffskrieges sehenden Auges weitere Eskalationen militärischer Gewalt, die völlig außer Kontrolle geraten können“, so Guhr. Die Gefahr, dass sich der bewaffnete Konflikt zu einem Flächenbrand entwickelt, müsse unbedingt gebannt werden.
Politiker beraten über Solidaritätserklärung
Lars Cornehl von der Wirtschaftsvereinigung Bad Oldesloe hat sich eine Flagge der Ukraine umgehängt, um seine Solidarität zu zeigen. Er selbst kennt Menschen, die von dem Konflikt direkt betroffen sind: „Ich habe gerade mit einem Geschäftspartner gesprochen, dessen Frau Ukrainerin ist. Beide sind sehr angespannt.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe bisher einen guten Job gemacht, findet Lars Cornehl.
Die Oldesloer Lokalpolitik wird am Montag auf Antrag der Linken über eine Solidaritätserklärung beraten und fordert alle kommunalen Körperschaften in der Bundesrepublik auf, es ihr gleichzutun. „Mit Raketenbeschuss und Truppeneinmärschen in die Ukraine hat Russland auf eklatante Weise Völkerrecht gebrochen und einen Krieg in Europa begonnen. Russland muss die militärische Gewaltanwendung umgehend einstellen und die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wieder zurücknehmen“, sagt Hendrik Holtz, Fraktionsvorsitzender der Linken. Bad Oldesloe werde den Menschen in der Ukraine nach seinen Möglichkeiten Hilfe leisten und Schutz anbieten.
Flüchtlingshilfe soll größte Priorität haben
„Für den Fall von Fluchtbewegungen sind wir bereit, Menschen aus den betroffenen Kriegsgebieten aufzunehmen“, so Holtz. Bad Oldesloe stehe für ein Europa der Solidarität, der Verständigung und der Abrüstung. Deshalb wird auch abends das Rathaus als Zeichen dieser Solidarität in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb angestrahlt.
Unterstützung kommt unter anderem von Jens Wieck, Stadtverordneter der CDU: „Unser Mitgefühl gilt allen betroffenen Menschen, die das Leid des Krieges ertragen müssen, die auf der Flucht sind und deren persönliche Schicksale wir nur erahnen können“, so Wieck. Diesen Menschen zu helfen müsse größte Priorität haben. Wieck hat Kontakt mit dem Bündnis gegen Rechts und allen politischen Fraktionen aufgenommen, „um eventuell auch einen Spendenaufruf für die Flüchtlinge aus dem Krisengebiet zu organisieren“.