Ahrensburg/Reinbek. Viele Menschen solidarisieren sich mit den ukrainischen Bürgern. Wir haben uns in Reinbek und Ahrensburg auf den Straßen umgehört.
Die Lage ist eskaliert. In der Nacht zu Donnerstag hat Russlands Präsident Putin die Ukraine angegriffen. Weltweit und auch im Kreis Stormarn ist die Bestürzung groß.
„Ich weine eigentlich selten“, sagt Alexander Harder. „Aber heute kamen mir schon in einigen Momenten die Tränen.“ Der Reinbeker ist mit einer Ukrainerin verheiratet, engagiert sich seit Jahren für die Menschen im Land. Seine Schwiegereltern, seine Schwägerin, sein Neffe, Freunde und Bekannte sind dort.
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Ukraine-Krieg: Reinbeker ist ständig in Kontakt mit Familie und Freunde vor Ort
Um 5.30 Uhr habe er von seiner Schwiegermutter von der Eskalation erfahren. „Mit zitternder Stimme sagte sie: Es hat schon gekracht.“ In der Stadt, in der sie lebt, ist ein Luftwaffenstützpunkt, der mehrfach getroffen wurde. Die Familie versteckte sich im Keller. Die Lage der vergangenen Wochen hat Harder sehr ernst genommen. „Man kreist ein Land nicht einfach aus Spaß ein“, sagt der Reinbeker. „Als Putin seine Rede gehalten hat, hat uns das schon den Boden unter den Füßen weggerissen. Das war eine Kriegserklärung.“
Er beobachte die Lage intensiv, sei mit Familie und Freunden in der Ukraine in ständigem Kontakt. Er und seine Frau Yana engagieren sich von Deutschland aus, nehmen an Demonstrationen teil. „Ich wünsche mir Unterstützung von Deutschland und Europa“, sagt er. „Wir hätten der Ukraine längst Waffen liefern sollen, wir haben in den vergangenen Jahren nur halbherzig geholfen und vieles negiert. Das muss sich massiv ändern“, so Harder. Sonst müsse man vom Schlimmsten ausgehen. „Ich glaube, wir können uns ausmalen, dass die Ukraine nicht das Ende sein wird.“
„Es ist furchtbar, das ganze Land ist im Kriegsmodus.“
Für Nataliia Strus aus Ahrensburg ist der Einmarsch der russischen Truppen ein Albtraum. Ihre
gesamte Familie lebt im Osten der Ukraine. Gegenüber unserer Redaktion hatte sie noch vor einer Woche gesagt, sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, „dass sie im 21. Jahrhundert die Bevölkerung erschießen“. Stattdessen setzte sie alle Hoffnung auf den Erfolg der diplomatischen Bemühungen – umsonst. „Im Moment bin ich nur schockiert und sprachlos. Emotional geht es mir auch nicht gut.“ Es fehlen die Worte, um zu beschreiben, was sie fühlt.
Sobald sie vom Kriegsausbruch erfahren hat, hat Renate Fiebig vom Großhansdorfer Verein „Pryvit – Hilfe für Tschernobyl-Kinder“ zum Handy gegriffen und eine Nachricht an einen ihrer Kontakte vor Ort, eine Lehrerin aus Narodychi, geschickt. „Die Antwort bestand aus lauter weinenden Emojis“, berichtet sie. In Narodychi, das in der Tschernobyl-Zone liegt, seien auf der Straße lauter ukrainische Panzer unterwegs. In Kiew sei alles abgesperrt, man komme nirgendwo hin. Die Menschen seien beschäftigt, sich irgendwie zu sichern, die Scheiben mit Tesafilm abzukleben, um nicht von Splittern getroffen zu werden. „Es ist furchtbar, das ganze Land ist im Kriegsmodus.“ Die Entwicklung habe sich abgezeichnet durch die Menge an Militär, das die Ukraine von drei Seiten umzingelt habe. „Ich glaube, man kann es sich im Moment nicht schlimm genug vorstellen“, sagt Fiebig. Putin nehme keinerlei Rücksicht auf Menschen.
Ehepaar aus Ahrensburg macht sich Gedanken um die Zukunft
„Es ist ein bedrückendes Gefühl, dass es zu dieser Zeit noch zu kriegerischen Handlungen kommt“, sagt Martin Ranke. Bis zum Schluss habe er gehofft, dass es nicht so weit komme. Wirklich überrascht war er aber nicht. „Wer mit solchen massiven Truppen aufmarschiert, hat nicht nur eine Drohgebärde im Sinn“, sagt der Ahrensburger. „Das ist eine deutliche Ansage, dass es zu Kriegshandlungen kommen wird.“
Seine Einschätzung, wie es weitergeht? „Putin wird keine Ruhe geben, ehe das ukrainische Volk nicht komplett unterdrückt wird.“ Man könne nur hoffen, dass dann sein Machtbestreben befriedigt sei und er das Gebiet nicht noch weiter vergrößern wolle. Auch seine Frau Tatjana macht sich Gedanken um die Zukunft. „Wir diskutieren viel darüber“, sagt sie. „Ich finde das alles sehr traurig.“
Heike Tschechne: "Ich mache mir Sorgen, dass es Auswirkungen auf Deutschland hat"
„Panik“ hat Bürgerin Heike Tschechne. Sie hat am Morgen bereits das Geschehen im Fernsehen verfolgt. „Ich mache mir Sorgen, dass das auch Auswirkungen auf Deutschland hat.“ Überrascht war sie aber nicht: „Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass es so weit kommen wird.“
Auch Heidi Pirck und ihre Enkelin Kaitlyn sind schockiert über die Ereignisse. „Es ist total schrecklich“, sagt Heidi Pirck. Kaitlyn bestätigt: „Die Menschen in der Ukraine tun uns wirklich leid.“ Auch Angst empfinden die beiden: „Die Ereignisse zeigen wieder einmal, was für ein Glück es ist, dass wir hier in Frieden leben können.“ Gerade weil die Ukraine so nah sei, machten sie sich Sorgen, dass sich der Konflikt ausweiten könnte. Sie betonen: „Wir sind weltoffen – und solidarisch mit den Menschen in der Ukraine.“
Sergej Petrow ist Russe und zeigt sich gegenüber der russischen Regierung solidarisch
Eine ganz andere Meinung hat Sergej Petrow. Er ist Russe, zeigt sich gegenüber der russischen Regierung solidarisch: „Das ist meine Heimat“, sagt er. Die Reaktion Russlands sei nach der Nato-Osterweiterung gerechtfertigt. „Es gibt auch viele Ukrainer, die lieber zu Russland gehören möchten. Es ist richtig, dass Russland sie unterstützt.“
- Hier können Sie Solidarität mit der Ukraine bekunden
- Unser Reporter in Kiew: So erleben Ukrainer den Kriegsbeginn
Vor allem aber hoffe er, dass der Krieg in der Ukraine nicht lange dauern werde und bald mit einem russischen Sieg beendet werden könne – und die jahrelang umkämpften Regionen wieder in Frieden leben könnten.
Auch Stormarner Politiker und Gruppen solidarisieren sich mit der Ukraine
Vielfach solidarisieren sich auch Stormarner Politiker und Gruppen mit der Ukraine. Der Ahrensburger Landtagsabgeordnete Tobias Koch (CDU) betont, dass er fest an der Seite der Ukraine und ihrer gesamten Bevölkerung stehe.
Die Oldesloer Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) verurteilt den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine scharf. „Krieg ist nie eine Lösung“, so die DFG-KV. Die Gruppe ruft zu einer Kundgebung gegen Krieg auf. Sie soll am Sonnabend, 26. Februar, von 10 Uhr an auf der Hude in Bad Oldesloe stattfinden.