Glinde. Zwei Kinder im Alter von elf und 13 Jahren sterben. Die Mutter wird schwer verletzt. Mordkommission ermittelt.

Kurz nach Weihnachten erschüttert eine Familientragödie Glinde: Ein Vater soll am Sonntagabend in einem kleinen Mehrfamilienhaus östlich von Hamburg seine Kinder getötet und seine Frau schwer verletzt haben. Dann richtete er die Waffe offenbar gegen sich selbst. Die Mordkommission ermittelt nun wegen des Verdachts eines Tötungsdeliktes, wie Staatsanwaltschaft und die Polizeidirektion Lübeck am Montag in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

Demnach waren am zweiten Weihnachtstag abends Schüsse in dem Haus am Kleinen Glinder Berg gefallen. Nachbarn alarmierten um 22.53 Uhr die Polizei, die mit sechs Streifenwagen anrückte und das Haus stürmte. "Die Einsatzkräfte konnten in dem Haus zwei leblose Kinder sowie eine regungslose männliche Person vorfinden, die trotz Reanimation noch am Einsatzort verstarb", schildern die Behörden. Außerdem fanden die Beamten eine schwer verletzte Frau – sie kam mit einem Notarzt in ein Krankenhaus.

Glinde: Vater soll Kinder getötet haben

"Die Frau war noch ansprechbar und hat aber zu dem Tatgeschehen selbst keine weiteren Hinweise geben können", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck. Sie habe allerdings nach ihren Kindern gefragt. Die Frau liege derzeit noch im künstlichen Koma, sei aber mittlerweile außer Lebensgefahr. Nach Abendblatt-Informationen deuten erste Ermittlungen darauf hin, dass der Mann die Schüsse abgegeben hat.

Es handele sich um eine Familie, die bereits seit längerer Zeit in dem Haus lebe. "Nach derzeitigem Ermittlungsstand wurden sowohl bei den zwei Kindern im Alter von elf und 13 Jahren als auch bei dem 44-jährigen Mann und der 38 Jahre alten Frau Schussverletzungen festgestellt", teilen Staatsanwaltschaft und Polizei weiter mit. Noch in der Nacht hat die Spurensicherung am Tatort ihre Arbeit aufgenommen.

Nachbarin in Glinde: "Er war eigentlich wie ein Teddybär"

Karin S. (Name von der Redaktion geändert) ist eine Nachbarin und sagt über den mutmaßlichen Schützen: „Er war eigentlich wie ein Teddybär, ein bisschen rundlich, sehr lieb und gutmütig.“ Die Frau sitzt am Frühstückstisch, als es wieder hell wird. Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie hat erst nach dem Aufstehen über WhatsApp von den Vorkommnissen erfahren. „Ich bin zwar noch wach gewesen, habe aber gedacht, irgendjemand böllert jetzt schon“, erzählt sie.

Die Frau hat es unterlassen, aus dem Fenster zu schauen, das Anrücken der sechs Streifenwagen nicht mitbekommen. In der Nachbarschaft heißt es, der Mann sei im Gerüstbau tätig gewesen. Seine Frau soll sich liebevoll um die beiden Jungen gekümmert, sie mit dem Auto zu Freunden gefahren und abgeholt haben. „Die Kinder sind immer nett und höflich gewesen“, sagt eine ältere Dame, die an der Straße lebt. Der Ältere habe eine Freundin gehabt. Die Ehefrau soll jedoch darüber geklagt haben, sie sei überlastet. Auffällig sei die Familie nicht gewesen, von Streitereien keine Spur.

Bluttat in Glinde: Anwohner sind erschüttert

Das Paar soll Eigentürmer des Hauses sein, hat im vorderen Teil gelebt. Dazu gibt es einen Anbau. Der Briefkasten hat vier Klappen. Genauso viele Nachnamen sind dort angebracht. Die Mieter haben laut einer Nachbarin häufig gewechselt. In der Vergangenheit habe es schon Polizeieinsätze gegeben wegen Fehlverhaltens von Bewohnern. Die Eigner meint sie damit nicht.

Sie hatten ihre Immobilie in der ruhigen Seitenstraße weihnachtlich geschmückt mit Lichterketten. Diese leuchten auch noch am Morgen nach der Tragödie, als ein Mann mit seinem Van heranfährt, vor dem Grundstück stoppt, die Seitenscheibe herunterlässt und wartende Journalisten fragt, ob er eine Kerze aufstellen könne. Er erzählt, dass einer seiner Söhne den jüngeren der Familie kannte. Immer wieder schüttelt er den Kopf, zeigt dadurch seine Fassungslosigkeit.

Tragödie erinnert an Fall um Glinder Zahnarzt

Unweigerlich erinnert der schreckliche Fall an eine Tragödie, die sich ebenfalls in Glinde abgespielt hat. Im Januar 2014 tötete ein Zahnarzt seine beiden Kinder mit einem Messer – laut Gutachtern in religiösem Wahn. Das Gericht ging davon aus, dass der Mann unter einer schweren seelischen Störung leide und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Er ist seitdem in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

Welche Motive im aktuellen Fall zu der mutmaßlichen Tat geführt haben, ist allerdings noch völlig unklar.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über mögliche Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.