Bargteheide. Konzept der Wählergemeinschaft fällt in Stadtvertretung vorerst durch. Bürgermeisterin rechtfertigt Defizite mit Personalmangel.
Wie muss ein schlüssiges, wirksames und nachvollziehbares Klimaschutzkonzept für eine Stadt wie Bargteheide aussehen? Dazu gibt es nach wie vor äußerst konträre Ansichten, wie die Debatte in der jüngsten Sitzung der Stadtvertretung am Donnerstagabend offenbarte. Das von der Wählergemeinschaft (WfB) am 3. September 2020 eingebrachte und im Umweltausschuss Ende September dieses Jahr mehrheitlich befürwortete Konzept hat das oberste Gremium der Kommune jedenfalls nicht passiert. Es ist an den Umweltausschuss zurückverwiesen worden und kreiselt nun weiter in der Warteschleife.
WfB-Vorlage im Verdacht, nicht rechtskonform zu sein
„Dass unsere Vorlage, die im Ausschuss bereits mit sieben Ja-Stimmen bei fünf Ablehnungen angenommen worden ist, nun unter den Verdacht der Rechtswidrigkeit gestellt worden ist, lässt mich fassungslos zurück“, sagt der WfB-Vorsitzende Gerhard Artinger. Ja, das von ihm maßgeblich erstellte Konzept sei mit vier Seiten ungewohnt kurz. Es enthalte aber alle wichtigen Punkte, sei modular aufgebaut und könne durch Anlagen jederzeit leicht ergänzt und angepasst werden. „Wir brauchen keine mehr als hundert Seiten starken Werke externer Firmen, wie von den Grünen und der Bürgermeisterin immer wieder gefordert, wir brauchen endlich konkrete Taten“, so Artinger sichtlich frustriert.
Wie bereits berichtet, hatten die Grünen im Vorfeld der Sitzung eine Große Anfrage gestellt, weil sie das WfB-Konzept für absolut unzureichend halten und nicht im Einklang mit den modifizierten Klimaschutzgesetzen von Bund und Land. In dieser Auffassung sind sie von Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht (parteilos) bestätigt worden. Begründet hat sie das unter anderem damit, dass das WfB-Papier hinsichtlich der angestrebten Klimaneutralität hinter der neuen zeitlichen Zielvorgabe 2045 zurückbleibe.
Gesetzliche Anforderungen haben sich massiv verändert
Dadurch verunsichert, beantragte die CDU-Fraktion, die das WfB-Konzept im Umweltausschuss noch mitgetragen hatte, neuen Beratungsbedarf und die Zurückweisung in den Umweltausschuss. „Wenn es da rechtliche Bedenken gibt, müssen die erste einmal ausgeräumt werden“, erklärte CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck.
Die Grünen hatten in ihrer Begründung der Großen Anfrage noch einmal explizit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, in dem es die vorherige Fassung des Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung für „in Teilen verfassungswidrig“ erklärt hat. „Die gesetzlichen Anforderung haben sich dadurch massiv verändert“, betonte Grünen-Fraktionschefin Ruth Kastner. Auch die Kommunen als Träger öffentlicher Aufgaben und die Bürger stünden in der Verantwortung, an der Reduzierung von Emissionen aktiv mitzuwirken, beim Stromverbrauch, beim Heizen, bei der Mobilität.
Stadt ist auf die neuen Schutzziele nicht vorbereitet
„Auf diese neuen Herausforderungen ist Bargteheide kaum vorbereitet, das geht aus den Antworten der Verwaltung hervor“, so Kastner. Es gebe keinen Masterplan, keine Bilanz, keine Zielvorgaben für einzelne Bereiche, keine Maßnahmen, keine Zeitschiene wie bis 2045 Klimaneutralität erreicht werden kann. Und weil es an all dem fehle, könne die Stadt letztlich auch nicht von den milliardenschweren Fördertöpfen des Bundes für effiziente Maßnahmen profitieren. Voraussetzung dafür sei aber, das 140 Seiten umfassende Klimaschutzkonzept aus dem 2012 fortzuschreiben – zeitnah und mit externem Sachverstand.
Gerhard Artinger hält dagegen: „Statt wieder einen sechsstelligen Betrag nur für allgemeine Papiere und Gutachten auszugeben, sollten die Grünen lieber endlich konkrete Vorschläge für echten Klimaschutz unterbreiten.“ Stattdessen werde die Verwaltung damit beschäftigt, eine siebenseitige Stellungnahme zu klimapolitischen Fragen der Grünen auszuarbeiten. „Die Große Anfrage und deren Beantwortung sind ein neuerlicher Beweis für unfassbare Zeit-, Geld- und Papierverschwendung“, so Artinger.
Norbert Muras: „Ineffizientes Arbeiten in Hochform“
Dessen Fraktionschef Norbert Muras bezeichnete das Vorgehen der Grünen und ihrer Bürgermeisterin als „ineffizientes Arbeiten in Hochform“, das symptomatisch für deren Selbstverständnis sei. Es werde endlos geredet, geplant, konzipiert – und gefordert. Zum Beispiel immer neue Planstellen. Dabei seien die Personalkosten seit 2016 um mehr als drei Millionen Euro jährlich gestiegen. „Das hat bislang aber weder zu neuen Lösungsansätzen noch zu praktikablen Maßnahmen in den möglichen Handlungsfeldern geführt“, sagt Muras.
Bezeichnend waren in diesem Zusammenhang etliche Antworten der Bürgermeisterin auf die Grünen-Anfrage. So räumte Kruse-Gobrecht etwa ein, dass in der Verwaltung derzeit keine konkreten Handlungsfelder und Maßnahmen im Bereich Klimaschutz ermittelt, erfasst und hinsichtlich ihrer Klimawirkung priorisiert werden.
Sitzungen der Rad-AG sind reihenweise ausgefallen
Außerdem würden weder die unvermeidbar auftretenden noch die möglicherweise eingesparten Treibhausgas-Emissionen gemessen. Die Gründe? „Es fehlt zum einen Personal, um diese Daten zu ermitteln, zum anderen der Rahmen für eine solche Ermittlung“, heißt es dazu in den Antworten der Bürgermeisterin wörtlich. Und natürlich sei auch die Kommunalpolitik mitverantwortlich, die viele Vorschläge der Stadtverwaltung abgelehnt habe.
Wie tief die Gräben sind, zeigte sich nicht zuletzt beim Thema Radverkehr. Wie mit der engagierten Rad-AG seitens des Rathauses umgegangen werde, spotte jeder Beschreibung, kritisierte SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc. „Es kann nicht sein, dass die Verwaltung vollmundig einen Radgipfel ankündigt, im Vorfeld aber fünf von sieben AG-Sitzungen mit dem Hinweis auf gravierenden Personalmangel und den notwendigen Überstundenabbau platzen lässt“, so der Sozialdemokrat zornig. Die WfB will die Arbeit der Rad-AG jetzt zurück in den Ausschuss für Planung und Verkehr holen, um bei dem Thema deutlich mehr bewegen zu können als bisher.