Ahrensburg. Hamburger Straße bleibt über Jahre Baustelle. Bericht aus dem Rathaus sorgt für Fassungslosigkeit bei Kommunalpolitikern.

Viele Ahrensburger Straßen sind überaltert und marode. Das Tempo bei den Sanierungen müsse deshalb deutlich anziehen – so steht es in einem Gutachten, dass die Verwaltung vor einigen Tagen veröffentlicht und nun im Bau- und Planungsausschuss vorgestellt hat. Doch daraus wird vorerst nichts. Im Gegenteil: Bereits beschlossene Erneuerungsvorhaben müssen verschoben werden.

Darüber unterrichtete der Leiter des Ahrensburger Tiefbauamts, Stephan Schott, die Politiker am Mittwochabend. Der Grund: Personalmangel im Rathaus und bei Baufirmen. Bei den Mitgliedern des Gremiums sorgte die Nachricht für fassungslose Reaktionen. Für die Sitzung im Peter-Rantzau-Haus stand die Präsentation des sogenannten Berichts über das Infrastrukturvermögen der Stadt Ahrensburg auf der Tagesordnung. Alle fünf Jahre lässt die Verwaltung durch ein Ingenieurbüro umfangreich den Zustand der Straßen, Geh- und Radwege, Ampelanlagen, Brücken, Tunnel und Straßenbeleuchtung erheben, um der Politik aufzuzeigen, wo es Erneuerungsbedarf gibt.

Jährlich müssten 3000 statt 500 Meter Straße erneuert werden

Das Ergebnis der 2020 durchgeführten Überprüfung ist, wie berichtet, ernüchternd: Sechs von zehn Straßen sind älter als 35 Jahre und damit dringend sanierungsbedürftig. Gleichzeitig werden je Jahr derzeit im Durchschnitt nur 500 Meter des 138 Kilometer umfassenden Straßennetzes erneuert. Bliebe es bei diesem Tempo, wären die Straßen in der Schlossstadt erst in etwa 330 Jahren einmal vollständig saniert. Was das in der Praxis heißt, verdeutlichte Schott eindrücklich an einem Beispiel. „Wenn wir diese Geschwindigkeit beibehalten, wäre der Spechtweg, den wir zuletzt 2017 saniert haben, erst im Jahr 2293 wieder an der Reihe“, so der Tiefbauamtsleiter.

Die Hagener Allee wird von der Verwaltung zu den Straßen mit dem größten Sanierungsbedarf gezählt.
Die Hagener Allee wird von der Verwaltung zu den Straßen mit dem größten Sanierungsbedarf gezählt. © HA | Filip Schwen

Wer jetzt zurückblicke, wie die Welt vor 200 Jahren ausgesehen habe, könne sich vorstellen, dass „das Tempo der Erneuerungen noch zu einem riesigen Problem werden wird“, so Schott. Bei einer maximalen Lebensdauer von Straßen von durchschnittlich 45 Jahren sei es erforderlich, im Jahr 3000 statt 500 Meter zu erneuern.

Waldemar-Bonsels-Weg und Reeshoop werden doch nicht repariert

Möglichkeiten, das Tempo zu erhöhen, sieht Schott nicht. „Sowohl in der Verwaltung als auch bei den ausführenden Unternehmen fehlen die Fachkräfte“, so der Tiefbauchef. „Wenn keine Leute da sind, die Ihre Beschlüsse umsetzen, können wir noch so viel Papier schreiben“, sagte er zu den Politikern.

Anstatt schneller wird es aufgrund des Personalmangels vorerst sogar langsamer vorangehen. „Wir werden mehrere für 2022 geplante Maßnahmen wohl nicht umsetzen können“, verkündete Schott. Betroffen sind die im Sommer beschlossene Sanierung des Waldemar-Bonsels-Wegs, den die Verwaltung zu den zehn Straßen mit dem höchsten Erneuerungsbedarf zählt, und die Deckenerneuerung im Reeshoop, die bereits um ein Jahr verschoben worden war. Beide Projekte sind vorerst gestrichen.

Im Rathaus fehlen derzeit vier Bauingenieure

Auch ein Prestigeprojekt kann im kommenden Jahr nicht realisiert werden: Die Neugestaltung der Hamburger Straße in der Innenstadt zur Flaniermeile wird laut Schott wohl erst 2023 statt im Mai 2022 beginnen. Die Straße ist bereits aufgegraben, weil dort Glasfaser- und Wasserleitungen verlegt werden.

„Im Fachdienst Straßenwesen fehlen zurzeit vier Bauingenieure“, sagt der Tiefbauamtsleiter. Von 9,14 Stellen auf dem Papier seien aktuell nur 6,14 besetzt. Für zwei seit 2015 neu geschaffene Stellen gebe es keine geeigneten Bewerber. Ein Mitarbeiter habe kurzfristig gekündigt. „Hinzu kommt, dass eine weitere Kollegin vorerst aus privaten Gründen außer Dienst ist“, sagt Schott.

Stellen in der Verwaltung sind für Fachkräfte nicht attraktiv

Jene Mitarbeiterin habe federführend den Umbau der Hamburger Straße betreut. „Das Projekt ist auch aufgrund der Lage in der Innenstadt und der angrenzenden Geschäfte sehr komplex, sodass sich die Kollegin fast ausschließlich mit der Hamburger Straße befasst hat“, sagt Schott. Nach ihrem Ausfall vor etwa einem Jahr habe er selbst neben seinen Aufgaben als Fachdienstleiter den Job übernommen. „Nach der Kündigung des anderen Kollegen bin ich jetzt aber damit beschäftigt, seine laufenden Projekte zu übernehmen“, sagt Schott.

Selbst wenn die Stellen kurzfristig besetzt werden könnten, sei ein Baubeginn an der Hamburger Straße aufgrund der Einarbeitungszeit in das komplexe Projekt nahezu ausgeschlossen.

Auch die Bünningstedter Straße verzögert sich um Monate

Eine Verzögerung gibt es laut Schott zudem bei der Fertigstellung der Bünningstedter Straße, die seit Mai saniert wird. Statt im Dezember wird sie nun frühestens im Frühjahr 2022 fertig.

Der Grund ist dort jedoch ein anderer. „Zum einen gab es Probleme bei der Verlegung der Fernwärmeleitung für das neue Badlantic, zum anderen gibt es Lieferschwierigkeiten bei den benötigten Baumaterialien“, so Schott. Die Ausschussmitglieder reagierten mit Entsetzen auf die Neuigkeiten. „Ich falle aus allen Wolken“, sagte etwa die CDU-Vertreterin Anne Hengstler. „Wenn wir es nicht einmal schaffen, ein solches lang geplantes Prestigeprojekt umzusetzen, verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit“, kritisierte sie.

Das reduzierte Verwaltungsteam arbeite am Limit

„Das bestätigt alle, die sagen, dass weniger mehr ist“, sagte Hartmut Bade (FDP). Statt immer neue Bauprojekte auf den Weg zu bringen, müsse die Priorität der Politik darauf liegen, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten, kritisierte er in Richtung der anderen Fraktionen.

Anne Hengstler wollte wissen, ob es möglich sei, andere Projekte zu verschieben, um die Hamburger Straße wie geplant fertigzustellen. Schott wiegelte ab. „Die vorhandenen Mitarbeiter sind alle mit Projekten betraut, die bereits begonnen haben und die nicht zurückgestellt werden können.“ Sein Team arbeite schon jetzt am Limit.

Am Ende bleibt auf allen Seiten Ratlosigkeit

Hauptproblem sei, dass es kaum Bewerber für die Stellen im Rathaus gebe. „Gerade für hoch qualifizierte Personen, etwa Ingenieure, sind Jobs in der freien Wirtschaft aufgrund der besseren Bezahlung attraktiver“, sagte Schott. Grund sei, dass die Bezahlung der Verwaltungsmitarbeiter an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gebunden sei.

„Wir können also nicht in Verhandlungen mit Interessenten gehen oder einfach mehr Gehalt anbieten, um Bewerber zu locken“, so der Leiter des Tiefbauamtes. Vor dem Problem stünden auch andere Fachbereiche. Und so blieb am Ende Ratlosigkeit. Bade fragte treffend: „Wenn nicht mal mehr Geld reicht, was können wir dann noch tun?“ Eine Antwort darauf konnte niemand geben.