Bargteheide. Trotz des jüngsten Erfolgs bei der Bundestagswahl gibt es in manchen Ortsvereinen Auflösungserscheinungen.

Heute um 19 Uhr entscheiden die Delegierten der SPD-Wahlkreiskonferenz im Oldesloer Bürgerhaus, wen sie bei der Landtagswahl am 8. Mai kommenden Jahres im Wahlkreis 28 Stormarn-Nord ins Rennen schicken wollen. Dabei treten der erst Ende August gewählte neue Kreisvorsitzende Mehmet Dalkilinc aus Bargteheide und die Kreistagsabgeordnete Franziska Eggen aus Bargfeld-Stegen gegeneinander an. Die Delegierten entscheiden mit ihrem Votum nicht zuletzt darüber, wem sie am ehesten zutrauen, Schleswig-Holsteins Justizminister Claus Christian Claussen (Bargteheide) Paroli zu bieten, der den Wahlkreis vier Jahre zuvor deutlich gewonnen hatte.

Bei den CDU-Wahlkreismitgliederversammlungen Mitte August in Schönningstedt, Lütjensee und Badendorf strotzten die Christdemokraten noch vor Selbstbewusstsein. Nach 30,8 und 32 Prozent der Zweitstimmen bei den Landtagswahlen 2012 und 2017 sollen es 2022 mindestens 40 Prozent sein. Das war allerdings sechs vor Wochen vor der Bundestagswahl, die für die Union mit einem krachenden Debakel endete.

CDU hofft auf den Amtsbonus

„Für mich sind die 40 Prozent dennoch nicht unrealistisch“, sagt der CDU-Kreisvorsitzende Tobias Koch, der seinen Heimatwahlkreis 29 Stormarn-Mitte viermal in Folge gewonnen hat und einmal mehr einstimmig zum Direktkandidaten gewählt worden ist. Quervergleiche zur Bundestagswahl hält er für nicht prognosetauglich. „Im Mai nächsten Jahres gibt es eine vollkommen andere Ausgangssituation“, ist der 47 Jahre alte Ahrensburger überzeugt.

Zum einen sei Daniel Günther als Ministerpräsident ein sehr populärer Amtsinhaber, zum anderen könne man mit den Koalitionspartnern FDP und Grünen auf eine überaus erfolgreiche Regierungszeit zurückblicken. „Der Amtsbonus ist ein entscheidender, nicht zu unterschätzender Faktor“, so der Chef der CDU-Landtagsfraktion.

Alle drei Direktmandate geholt

Das alles will die nach der Bundestagswahl wiedererstarkte SPD nicht gelten lassen. Nach seiner vierten Wahl zum Direktkandidaten im Wahlkreis 30 Stormarn-Süd schwenkte Martin Habersaat demonstrativ ein der Verkehrslenkung entlehntes gelb-schwarzes (Orts-)Schild, auf dem freie Fahrt für den designierten SPD-Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller suggeriert wird. Während der Name des Ministerpräsidenten Günther mit einem roten Balken durchgestrichen ist.

Tatsächlich hat die SPD die Union in Stormarn bei der Bundestagswahl auf ganzer Linie geschlagen. Die Sozialdemokraten holten in den drei Stormarner Wahlkreisen die meisten Zweitstimmen, mit einem Vorsprung zwischen 4,9 und 6,3 Prozent. Zudem gewannen sie mit Nina Scheer, Bengt Bergt und Bettina Hagedorn alle Direktmandate. Die einstigen CDU-Platzhirsche Gero Storjohann und Ingo Gädechens konnten sich nur durch günstige Plätze auf der Landesliste in den neuen Bundestag retten.

SPD auch in vielen Kommunen vorn

Empfindliche Einbußen musste die CDU unterdessen auch in den meisten Stormarner Kommunen einstecken. Die einstige Hochburg Ahrensburg wurde mit einem Zweitstimmenminus von 11,2 Prozentpunkten ebenso an die SPD verloren, wie Bargteheide (-12,6) und Reinbek (-11,1). Dort, im Süden Stormarns, soll im kommenden Jahr wieder Lukas Kilian das Landtagsdirektmandat für die CDU holen.

Die starken Ergebnisse für die SPD im Kreis überraschen auch deshalb, weil die alte Volkspartei allein in den vergangenen drei Jahren 120 Mitglieder verloren hat. „Einen Großteil durch Austritte oder Wegzug“, wie der Kreisvorsitzende Mehmet Dalkilinc auf Nachfrage erklärt.

Niedrigste Mitgliederzahl seit zehn Jahren

Aber auch durch das Ableben vieler Mitglieder. Minutenlang hatte der Vorgänger von Dalkilinc, Tobias von Pein, auf dem Kreisparteitag Ende August die Namen jener Parteiveteranen verlesen, die in der zurückliegenden Wahlperiode gestorben sind. „Momentan zählt die SPD noch 1163 Mitglieder, von denen 732 männlich und 431 weiblich sind“, so Dalkilinc. Das ist die mit Abstand niedrigste Zahl seit 2010 und dem Zwischenhoch von 1255 im Jahr 2018.

„Noch hat sich der Aufschwung der Partei mit dem möglichen neuen Bundeskanzler Olaf Scholz nicht in einem nennenswerten Zulauf niedergeschlagen“, sagt Dalkilinc. Die SPD brauche vor allem junge Leute, um der chronischen Überalterung entgegenzuwirken. Gleichwohl gebe es in einzelnen Ortsvereinen bereits eine optimistische Trendwende. Zum Beispiel in seiner Heimatstadt Bargteheide, wo im März dieses Jahres der erst 20-jährige Aaron Bedey zum neuen Vorsitzenden gewählt worden ist.

In Lütjensee findet die Partei keine Gemeindevertreter

Unterdessen verzeichnet die Partei in anderen Gemeinden echte Auflösungserscheinungen. In Siek etwa haben der frühere Ortsvorsitzende Micha Garber und weitere ehemalige Sozialdemokraten eine neue Wählergemeinschaft gegründet. In Trittau stand die SPD-Fraktion mehrfach vor einer Zerreißprobe und hat etliche Mitglieder verloren. In Lütjensee hat die Partei inzwischen sogar ihren Fraktionsstatus eingebüßt, da von den ehemals fünf in die Gemeindevertretung gewählten Sozialdemokraten nur noch einer sein Mandat wahrnimmt.

Sehr zum Leidwesen des Ortsvorsitzenden Heinz Kroll. „Obwohl wir unser Ergebnis bei der jüngsten Bundestagswahl um 4,4 Prozent verbessert haben und bis auf 3,6 Prozent an die schier übermächtige CDU herangerückt sind, die zwölf der aktuell 13 Gemeindevertreter stellt, finden wir einfach keine Nachrücker“, klagt der 80-Jährige. Der nun aber ebenso wie sein Kreisvorsitzender Mehmet Dalkilinc hofft, dass sich der Erfolg bei der Bundestagswahl für seine Partei auch in einem deutlichen Plus an Mitgliedern niederschlagen möge.