Seth. Wer schafft den Sprung in den Bundestag? Das Abendblatt stellt Direktkandidaten vor. Heute: Gero Storjohann (CDU), Wahlkreis 8.

Für die geliebten Radtouren ums Sether Moor im Südosten des Kreises Segeberg bleibt Gero Storjohann momentan nur sporadisch Zeit. Der Wahlkampf ist längst in seine heiße Phase getreten, da müssen persönliche Vorlieben mehr denn je zurückstehen. „Ich suche gern den direkten Kontakt zu den Bürgern, bin auf Marktplätzen und Veranstaltungen unterwegs, wo Menschen zusammenkommen und den Meinungsaustausch suchen“, sagt der CDU-Spitzenkandidat im Wahlkreis 8 Segeberg/Stormarn-Mitte. Weil man nur „im Nahkampf“ erfahre, was der Wähler wirklich will. Und nur so das Ringen um jede Stimme überhaupt Sinn mache.

Dieser Marathon, hin zum alles entscheidenden Wahltag am 26. September, schlaucht. In den kommenden zwei Wochen steht jeden Tag mindestens ein Wahlkampftermin im Kalender, nicht selten sind es sogar zwei oder drei. Auch und vor allem sonnabends und sonntags.

Im Wahlkampf nimmt er mindestens vier Kilo ab

Obwohl der Politprofi mit diesem speziellen Wettstreit seit mehr als 20 Jahren bestens vertraut ist, hat er noch immer schlaflose Nächte. „In dieser anspruchsvollen Zeit nehme ich regelmäßig mindestens vier Kilo ab“, gesteht Storjohann, der seit 2002 bereits fünfmal den Einzug in den Bundestag geschafft hat.

Eine andere Zeitung im Norden der Republik hat ihn gerade als „Platzhirsch“ in seinem Wahlkreis bezeichnet. Alles andere als ein Gewinn des Direktmandats käme nachgerade „einer Sensation“ gleich. Und sollte da entgegen aller Erwartungen doch was schiefgehen, sei der Christdemokrat ja noch durch Platz 5 auf der Landesliste bestens abgesichert.

Als Wahlkämpfer vor Ort vom Bundestrend abhängig

Storjohann sieht das nicht so. Für ihn ist das erneute Bundestagsmandat keineswegs ein Selbstgänger. Da seien nicht nur die zuletzt verheerenden Umfragewerte für die Union, auch wenn er ihnen nur eine temporäre Aussagekraft zubilligt. Aber: „Es ist ein Fakt, dass du als Wahlkämpfer vor Ort immer auch vom Bundestrend abhängig bist“, sagt er.

Tatsache sei zudem, dass sich die großen Parteien in ihren Leitlinien immer weiter angenähert hätten. „Sichere Arbeitsplätze, eine forcierte Digitalisierung und den Kampf gegen den Klimawandel – das findet sich in jedem Wahlprogramm“, so der diplomierte Betriebswirt. Das alles mache den Ausgang der Bundestagswahl 2021 unberechenbarer.

Chancen für die Mitbewerber sind gestiegen

In jedem Fall seien die Chancen für seine ärgsten Konkurrenten, den Sozialdemokraten Bengt Bergt und den Grünen Nils Bollenbach, gestiegen. Es gebe allen Grund, sie ernstzunehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Auch wenn es beiden letztlich an großer Erfahrung fehle und Bergt überhaupt erst seit einigen Jahren im Wahlkreis lebe.

Man merkt Storjohann im Gespräch an, dass die Ungewissheit in den zurückliegenden Wochen gewachsen ist. Der Ton sei rauer geworden, in den bekannten TV-Talks ebenso wie in den sozialen Netzwerken. Dort ebenfalls permanent präsent sein zu müssen, raube ihm Lebensqualität. Er betreibe dennoch zwei Facebook-Accounts und sei auch auf Instagram aktiv.

In den sozialen Netzwerken braucht es ein dickes Fell

„Das gehört heute einfach dazu, wenn du als Politiker viele Wähler erreichen willst“, weiß der 63-Jährige. Doch die Art und Weise, wie teilweise gepöbelt und diffamiert werde, sei schon erschreckend. Da brauche man zuweilen ein dickes Fell und dürfe nicht den Fehler machen, alles ausdiskutieren zu wollen.

Trotz dieser unerquicklichen Begleiterscheinungen eines Politikerlebens hat Storjohann die Lust am Politbetrieb in Berlin noch längst nicht verloren. Weil er in den zurückliegenden fünf Wahlperioden die Erfahrung gemacht hat, dass man wichtige Dinge bewegen kann, auch wenn die Mühlen zuweilen langsam mahlen.

Im August 300 km am Rio Minho Rad gefahren

Als Mitglied des Bundestagsverkehrsausschusses und Fahrradpolitischer Sprecher seiner Fraktion hat er etwa das Autofahren mit Licht am Tag, den „Führerschein mit 17“, das Problem „toter Winkel“, das Alkoholverbot für Fahranfänger und den „Feuerwehr-Führerschein“ für ehrenamtliche Rettungskräfte erfolgreich angestoßen und angepackt. Im Vorjahr kam noch der Moped-Führerschein ab 15 Jahren hinzu. Und Anfang dieses Jahres ist auf seine Initiative hin zur Regel geworden, dass Autofahrer beim Passieren von Radfahrern mindestens 1,50 Meter Abstand einhalten müssen. Zudem sind insgesamt 1,7 Milliarden Euro in den Ausbau der Radinfrastruktur geflossen.

Diese besondere Klingel an seinem Fahrrad begleitet Storjohann auf jeder Radtour.
Diese besondere Klingel an seinem Fahrrad begleitet Storjohann auf jeder Radtour. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Mit seiner Ehefrau Maren ist Storjohann so oft es geht, auf dem Rad unterwegs. Im August sind sie gerade dem Fluss Minho in Portugal gefolgt, 300 Kilometer vom Norden Portos bis an die Atlantikküste. „Solche Touren entlang großer Flüsse wie Donau, Elbe und Weser haben wir auch immer wieder mit unseren drei Söhnen unternommen“, berichtet der passionierte Radler, der bislang ein E-Bike konsequent ablehnt: „Ich will unsere Touren lieber aus eigener Kraft bewältigen. Für Motorhilfe ist im Alter noch genügend Zeit.“

Die heimische Scholle ist seit 1904 im Besitz der Familie

Auch wenn Gero Storjohann die Gedanken an einen möglichen Abschied aus dem Bundestag dieser Tage immer wieder umtreiben, so wirkt er bei dem Treffen in seinem Haus in Seth doch gelassen und geerdet. Die heimische Scholle, die seit 1904 im Besitz der Familie ist und die früher mit Schafen, Kühen, Schweinen und Spargelbau ihr Geld verdient hat, ist sein Refugium. Im gepflegten Garten stehen alte Bäume und sattgrüne Büsche, die das hektische Politikerleben in der Kapitale für einige Mußestunden vergessen lassen.

Dabei helfen gelegentlich Actionfilme wie James Bond, die Jason-Bourne-Reihe mit Matt Damon oder die Transporter-Spektakel mit Jason Statham. Am liebsten aber Abende ganz in Familie mit Ehefrau Maren und den drei Söhnen Philipp (27), Alexander (25) und Ferdinand (22) die alle im Juli geboren sind. Haben sie nie gegen den Vater opponiert, der mindestens 22 Wochen im Jahr in Berlin präsent sein muss? „Nein“, versichert Maren Storjohann, „sie waren es ja nicht anders gewohnt.“ Zumal ihnen das Faible für Politik wohl in die Wiege gelegt worden ist: Zu dritt haben sie die Junge Union in Seth gegründet und Alexander ist inzwischen Mitglied der CDU-Fraktion im Segeberger Kreistag.

Info: 15-mal Sether Clubmeister im Tennis

Gero Storjohann wurde am 12. Februar 1958 in Bad Segeberg geboren. Nach dem Abitur an der Dahlmannschule war er von 1978 bis 1980 Zeitsoldat in einer Sanitätskompanie. Anschließend absolvierte er eine Lehre zum Groß- und Einzelhandelskaufmann und studierte an der FH Kiel Betriebswirtschaft.

Nach sechs Jahren als Controller bei der Bundespost war er von 1994 bis 2002 Mitglied des Landtags in Kiel, bevor er 2002 erstmals in den Bundestag gewählt worden ist.

Mit Ehefrau Maren hat der Christdemokrat die drei erwachsenen Söhne Philipp (27), Alexander (25) und Ferdinand (22).

Der sportbegeisterte Politiker war in seiner Heimatgemeinde Seth (Kreis Segeberg/1940 Einwohner), wo er heute noch lebt, 15-maliger Clubmeister im Tennis. Jetzt bevorzugt er mit seiner Frau ausgedehnte Radtouren entlang großer Flüsse. Als nächstes wollen sie entlang des „Eisernen Vorhangs“ fahren.