Bargteheide. Förderverein Kirchenmusik plant Reihe mit stimmungsvollen Musikvideos zum Mitsingen. Das erste geht an diesem Sonnabend an den Start.

Dorothee Fries’ klare Stimme ist trotz geschlossener Kirchentüren deutlich von draußen zu hören. Die Sopranistin steht vor dem Altar in der Bargteheider Kirche und intoniert gefühlvoll das bekannte Adventslied „Tochter Zion, freue dich“. Nur Kantor Andis Paegle, der sie von der Empore aus mit der Orgel begleitet, und Pastor Tim Ströver, der die Kamera auf sie gerichtet hat, können ihren Gesang live mitverfolgen. Denn die Kirchenbänke sind leer, Besucher während des Lockdowns nicht zugelassen. Also verbreitet Fries mit ihren Liedern Adventsstimmung bei den Daheimgebliebenen per Videoaufzeichnung – und vielleicht stimmen einige Zuhörer sogar mit in ihren Gesang ein.

Spenden werden direkt an die Künstler weitergegeben

Andis Paegle und Gisela Greinus vor der Kirche. Sie engagieren sich für Musiker, die durch die Pandemie in finanzielle Nöte geraten sind, weil sie keine Aufträge mehr bekommen.
Andis Paegle und Gisela Greinus vor der Kirche. Sie engagieren sich für Musiker, die durch die Pandemie in finanzielle Nöte geraten sind, weil sie keine Aufträge mehr bekommen. © Elvira Nickmann

Der erste Kurzfilm bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe, welche der Förderverein Bargteheider Kirchenmusik für die kommenden Wochen geplant hat. Neben Fries sind zehn weitere Musiker mit im Boot. An jedem Sonnabend im Advent, Heiligabend und den beiden Weihnachtsfeiertagen soll jeweils eine neue Folge auf der Homepage der Kirchengemeinde www.indekark.de hochgeladen werden. Weitere sind für das kommende Jahr angedacht.

Die Vorsitzende des Vereins, Gisela Greinus, sagt: „Der Verein konnte die Summe, die in diesem Jahr für Konzerte zur Verfügung stand, nicht ausschöpfen.“ Schatzmeisterin Regina Fischer habe die Idee gehabt, das Geld für die Unterstützung jener freiberuflich tätigen Musiker zu nutzen, die sich seit Jahren an der Konzertreihe „Musik am Sonntag“ beteiligen. Und damit jeder mitmachen kann, hat der Verein die Spendenaktion „Unsere Künstler“ ins Leben gerufen. Rund 2600 Euro hat der Verein bislang gesammelt.

Es sind schwere Zeiten für freiberufliche Musiker

Die Künstler bedanken sich für das Engagement der Spender mit ihrem Auftritt, darunter Bass Till Schulze aus Berlin, Tenor Florian Sievers aus Leipzig, Bassbariton Sönke Tams Freier aus Hamburg und Sopranistin Carrie Dimaculangan aus Köln.

Tenor Florian Sievers sagt: „Die Zeiten für Freiberufler ohne festes Einkommen sind sehr herausfordernd und man freut sich über jede finanzielle Unterstützung.“ Eine Situation, in der bei den Betroffenen schnell Unsicherheit und Ernüchterung aufkommen können. Pastor Ströver sagt: „Viele haben das Gefühl, dass sie auf einmal verzichtbar erscheinen.“ Kantor Paegle ergänzt: „Die Musiker bekommen keine Anfragen mehr, steuern auf eine ungewisse Zukunft zu.“ Diese Erfahrung kennt Bassbariton Sönke Tams Freier nur zu gut. Er sagt: „Wir sind im November und ich bin bei gut 70 Absagen angekommen.“

Die Aufnahmen bearbeitet der Sohn des Pastors

Schwer zu verkraften, wie Dorothee Fries aus der Szene berichtet: „Das geht bei einigen in Richtung Depression.“ Sie selbst sei zwar nicht in ihrer Existenz bedroht, wolle sich aber durch ihren Einsatz mit den Kollegen solidarisch zeigen. In dem ersten Video singt Fries neben „Tochter Zion“ mit „Macht hoch die Tür“ noch ein zweites stimmungsvolles Stück. Bevor es online gestellt wird, muss es noch bearbeitet werden.

Für den Schnitt ist Tim Strövers 16 Jahre alter Sohn Boy zuständig. Sein Einsatz ist besonders dann gefragt, wenn eine bestimmte Idee wirklich in die Tat umgesetzt werden soll. Ströver sagt, um was es dabei geht: „Wir haben überlegt, ,O du Fröhliche‘ von allen singen zu lassen und das dann passend zusammenzuschneiden.“ Dabei komme es nicht darauf an, dass alle Aufnahmen in der Kirche gemacht würden. „An den Orten, wo sich die Künstler gerade aufhalten, geht es auch atmosphärisch zu.“

Empore war bei Adventskonzerten voll besetzt

Für Andis Paegle steht nicht die Qualität im Vordergrund, sondern das Miteinander. Er sagt: „Gerade im Advent und zu Weihnachten kommen die Menschen zusammen, um sich einzustimmen und zu feiern.“ Die Empore in der Kirche sei bei solchen Konzerten „immer voll gewesen“. In diesem Jahr ist es anders, sind Kirche, Besucher und Musiker online verbunden. Gisela Greinus sagt: „Wir sind froh über jeden Euro, den wir an die Künstler weitergeben können.“