Grosshansdorf. Gemeinde möchte die Pollenbelastung senken. Gartenbesitzer sind von Regelung ausgenommen. Naturschützer in Sorge um Artenvielfalt.
Die Nase kribbelt, der Hals kratzt, die Augen tränen – für Menschen mit einer Pollenallergie können die Frühjahrs- und Sommermonate eine Tortur sein. Die Gemeinde Großhansdorf möchte Pollenallergiker zukünftig entlasten.
Mit den acht Stimmen von CDU, Grünen und SPD beschloss der Bau- und Umweltausschuss auf seiner jüngsten Sitzung, dass in der Waldgemeinde künftig, sofern möglich, nur noch Bäume solcher Arten neu angepflanzt werden sollen, deren Pollen keine Allergie auslösen.
Gartenbesitzer können weiter frei erscheinen
„Die Regelung gilt für Neu- und Ersatzpflanzungen an Straßen und auf gemeindeeigenen Flächen“, sagt Bürgermeister Janhinnerk Voß. Gartenbesitzer könnten weiterhin frei entscheiden, welche Pflanzen sie setzen. Ausgenommen sind außerdem die Alleen. „Dort soll der Alleecharakter durch eine arteinheitliche Bepflanzung erhalten bleiben“, sagt Voß. Alleen gibt es in Großhansdorf sieben: Die Alte Landstraße, die Hoisdorfer Landstraße und die Sieker Landstraße, die links und rechts von Linden gesäumt werden, sowie die Straßen Barkholt (Birken), Groten Diek (Ahorne), Papenwisch (Platanen) und Pinnberg (Linden).
Die Initiative für den Beschluss kam von Udo Kasel. Der Gemeindevertreter der Grünen sagt: „Allergiker klagen darüber, dass die Pollensaison immer eher beginnt und später endet.“ Schuld daran sei der Klimawandel. „Durch die milderen Winter treiben die Bäume eher aus und blühen länger“, so Kasel. Der studierte Chemiker forscht hauptberuflich an Lebensmittel-Allergenen. „Wenn wir im Straßenbau auf Arten mit allergenen Pollen verzichten, verlieren wir nichts“, sagt der Grünen-Politiker.
Hasel-, Erle- und Birkenpollen sind problematisch
Besonders problematisch für Allergiker seien sogenannte windblütige Pflanzen, erklärt Anja Schwalfenberg, Diplom-Biologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). „Pollen werden durch den Wind oder von Insekten weitergetragen“, erklärt sie. „Windblütige Pflanzen produzieren eine extrem große Menge Pollen, nur das garantiert die Befruchtung.“ Diese seien sehr klein und leicht und könnten weit vom Wind getragen werden. „Zu den gängigen windblütigen Allergieauslösern zählen Hasel, Erle und Birke“, sagt Schwalfenberg. Baumarten, die vorwiegend von Insekten bestäubt werden, hätten hingegen größere, klebrigere Pollen.
„Dazu zählen Ahorn- und Linden-Arten, sie sind nicht als gängige Allergieauslöser bekannt“, so Schwalfenberg. Warum bei manchen Menschen eine Allergie entstehe und bei anderen nicht, sei nicht abschließend geklärt. Schwalfenberg: „Letztlich weist jeder Allergiker ein individuelles Allergenmuster auf, auf das er reagiert.“
Allergie- und Asthmabund begrüßt die Initiative
Der DAAB begrüßt die Großhansdorfer Initiative. „Wenn bei der Neuanpflanzung mehr Baumarten mit niedrigem Allergiepotenzial bevorzugt werden, kann das eine Möglichkeit sein, um die regionale Pollenbelastung zu senken“, sagt Schwalfenberg. Nichtsdestotrotz würden Pollen kilometerweit durch die Luft verbreitet. „Man kann also nicht immer ausweichen“, so die Expertin. „Es sollte langfristig beobachtet werden, ob eine Verminderung der Allergieraten erreicht werden kann.“
Nicht nur durch den Klimawandel, sondern auch durch die Luftverschmutzung nimmt die Belastung für Pollenallergiker laut DAAB zu. „Wissenschaftler haben festgestellt, dass Schadstoffbelastungen in der Luft die Wirkungen von Pollen beeinflussen“, so Schwalfenberg. Feinstaub, der vor allem durch den Straßenverkehr entsteht, verstärkt demnach die Allergenfreisetzung und die Entstehung allergenhaltiger Aerosole. „Kurzum können Luftschadstoffe Pollen aggressiver machen“, so die Expertin.
Zahl der Allergiker nimmt in den letzten Jahren zu
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes ist die Zahl der Menschen, die an einer Allergie leiden, in den vergangenen Jahren in Deutschland angestiegen. Demnach entwickeln rund 20 Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens eine Allergie gegen Pollen. 2010 lebten laut der Studie bereits rund 15 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Pollenallergie. Die häufigsten Symptome sind Heuschnupfen, Bindehautentzündungen und Asthma.
Das Umweltbundesamt empfiehlt Kommunen daher, bei Baumpflanzungen deren allergenes Potenzial zu berücksichtigen. Als geeignete Arten gibt die Behörde Sorten von Ahorn, Linde, Roßkastanie, Pappel, Birne und Eberesche sowie Ulme, Apfelbaum, Weißdorn, Rotdorn, Fichte, Zierkirsche und Scheinakazie an. Das Großhansdorfer Bauamt hält für die Anpflanzung im öffentlichen Bereich vor allem Ahorn und Linde für geeignet, im Zweifel auch Ulme und Fichte. „Die anderen Arten sind wegen des Fruchtabwurfs und der sich daraus ergebenden Rutschgefahr nicht empfehlenswert“, so Bauamtsleiter Stefan Kroll.
Umweltschützer fürchten um die Biodiversität
Umweltschützer geben zu bedenken, dass Linden und Ahorne nicht für jeden Standort geeignet seien. „Boden- und Wasserverhältnisse müssen den Anforderungen der Arten entsprechen“, sagt Michael Quermann vom Naturschutzbund (Nabu) in Ahrensburg. Er warnt außerdem: „So eine Regelung darf nicht dazu führen, dass die Biodiversität Schaden nimmt.“
Der Großhansdorfer Bau- und Umweltausschuss hatte auf Antrag der CDU im Februar beschlossen, zusätzliche 10.000 Euro für Baumpflanzungen in den Haushalt für 2021 einzustellen. So soll der Charakter als Waldgemeinde erhalten bleiben. Neben dem Allergie-Aspekt soll auch die Klimaangepasstheit bei der Auswahl der Arten berücksichtigt werden. Im Angesicht des Klimawandels sollen die Bäume auch Hitze und Trockenheit standhalten können.