Grönwohld. Die Einwohner der kleinen Gemeinde sind schockiert über die grausame Tat. Das ist bislang über das Opfer bekannt.

Es ist Freitagmorgen, 10.15 Uhr. Der Spielplatz hinter dem Edeka-Markt an der Straße Krobarg in Grönwohld ist verwaist – was zu dieser Zeit nicht verwundert. Stimmen von Menschen im Hintergrund? Fehlanzeige. Das Bild wirkt idyllisch, doch der Schein trügt.

Der gezielte Blick auf den Holztisch mit seinen zwei Bänken lässt erahnen, dass hier etwas Schreckliches passiert ist: Auf ihm stehen vier Kerzen, nur eine brennt. Anwohner haben sie dort hingestellt – als Zeichen der Trauer.

22-jähriger Grönwohlder hatte Stichverletzungen im Rücken

Am Donnerstagnachmittag wurde zwischen Schaukeln, Rutsche und Wippe eine Leiche entdeckt. Der Tote ist ein 22-Jähriger aus dem Ort. Er lag auf dem Boden und war blutüberströmt, soll mehrere Stichverletzungen im Rücken gehabt haben. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Lübeck will aus ermittlungstaktischen Gründen keine Details nennen, spricht aber von einem „Verbrechen“ sowie einem „Tötungsdelikt“

Kurze Zeit später biegen mehrere Polizeiwagen von der Hauptstraße ab, darunter zwei Kleinbusse. Es sind Beamte der Hundertschaft aus Eutin, Frauen und Männer. Alle tragen schwarze Schutzmasken sowie Caps oder Mützen. Der Einsatzleiter spricht kurz in die Runde und gibt Anweisungen. Dann betreten zehn Polizisten den Spielplatz. Sie sind mit Metallstangen und Harken ausgestattet, durchkämmen das Laub und inspizieren Büsche. Sie sollen nach einer möglichen Tatwaffe und weiterer Spuren Ausschau halten. Auch ein Metalldetektor kommt zum Einsatz.

Polizei sucht mit Metalldetektor nach der Tatwaffe

Ob sie auf der Suche nach einem Messer sind, dazu will sich ein Polizist nicht äußern. Er lässt aber wissen, dass die Kripo auch gleich käme. Es ist bereits der zweite Tag, an dem die Beamten vor Ort sind. Beim ersten Einsatz hatten sie noch Sichtbarrieren aufgestellt.

An denen ist Günther Bock gleich zweimal mit dem Auto vorbeigefahren. Der 85-Jährige lebt seit 1974 in Grönwohld, wo regelmäßig für die beliebte NDR-Serie „Neues aus Büttenwarder“ gedreht wird. „Zuerst dachte ich, es sei eine Übung“, sagt Bock. Angehalten und nachgefragt habe er aber nicht. Er sei halt kein neugieriger Mensch. Jetzt, am Freitagmorgen, weiß Bock um das Geschehen. „Im Dorf sind alle erschüttert“, sagt der Rentner leise.

„Auch ein Dorf ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“

Ingrid Lewerenz lebt in einer Wohnung gegenüber dem Spielplatz. Sie ist erst vor drei Wochen in den Ort gezogen. Die 68-Jährige hat am Fundort der Leiche eine Kerze aufgestellt.
Ingrid Lewerenz lebt in einer Wohnung gegenüber dem Spielplatz. Sie ist erst vor drei Wochen in den Ort gezogen. Die 68-Jährige hat am Fundort der Leiche eine Kerze aufgestellt. © René Soukup | René Soukup

Eine ältere Dame, mit der er sich vor dem Edeka-Markt unterhält, nickt zustimmend. „Grausam“ und „unglaublich“, entfährt es ihr. Als ein jüngerer Mann mit Mütze passiert, ruft sie ihm zu: „Haben Sie auch schon von dem Toten gehört?“ Der bleibt aber nicht stehen und antwortet im Vorbeilaufen: „Ja, der wird auch nicht wieder lebendig.“ Die Seniorin kommentiert die Antwort nicht.

Eine Verkäuferin des Supermarktes, die namentlich nicht genannt werden möchte, erzählt, dass ein Anwohner die Leiche gefunden hat. Sie selbst sei zu dem Zeitpunkt im Geschäft gewesen und habe nichts mitbekommen. Mehr möchte sie auch nicht dazu sagen. Um dann doch noch eine Anmerkung loszuwerden: „Auch ein Dorf ist Spiegelbild der Gesellschaft.“

Tat ereignete sich bereits am Mittwochabend

Die Staatsanwaltschaft Lübeck und die Mordkommission der Bezirkskriminalinspektion (BKI) gehen davon aus, dass sich die Tat bereits am Mittwochabend gegen 22.30 Uhr ereignet hat. Der Tote muss daher mehrere Stunden bei Helligkeit auf dem Spielplatz gelegen haben. Drumherum befinden sich Einzelhäuser – und auch ein Gebäude mit mehreren Wohnungen. Dort lebt Ingrid Lewerenz erst seit drei Wochen. Sie arbeitet als Arzthelferin in Trittau und hat durchs Fenster freien Blick auf die Geräte.

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Die 68-Jährige sagt, sie habe trotzdem nichts bemerkt. Dass nur wenige Schritte entfernt ein junger Mensch ums Leben gekommen ist, hat sie erst am Donnerstagabend im Internet gelesen. „Es ist schlimm und traurig“, sagt sie mit belegter Stimme und stellt eine Kerze neben mehrere andere.

Gröhnwolds Bürgermeister ist angesichts der Bluttat fassungslos

„Zuerst dachte ich, es sei eine Übung. Angehalten und nachgefragt habe ich nicht. Ich bin kein neugieriger Mensch“, sagt Günther Bock, Rentner aus Grönwohld. 
„Zuerst dachte ich, es sei eine Übung. Angehalten und nachgefragt habe ich nicht. Ich bin kein neugieriger Mensch“, sagt Günther Bock, Rentner aus Grönwohld.  © René Soukup | René Soukup

Grönwohlds Bürgermeister Ralf Breisacher (CDU) zeigte sich angesichts der grausigen Bluttat in seiner Gemeinde fassungslos. „Das ist ein schreckliches, schlimmes Ereignis, das beispiellos in der jüngeren Geschichte Grönwohlds sein dürfte“, sagt der 55-jährige. Er wohne jetzt seit fast 30 Jahren in dem beschaulichen Dorf. „In dieser Zeit hat es den einen oder anderen, auch schweren Verkehrsunfall gegeben, aber nie ein Tötungsdelikt“, so Breisacher, der seit 2008 oberster Vertreter der Kommune mit 1510 Einwohnern ist.

Besonders traurig finde er, dass ausgerechnet einer der vier Grönwohlder Spielplätze zum Schauplatz solch eines blutigen Verbrechens geworden sei. Er beschreibt den Fundort der Leiche am Krobarg als einen beliebten Anziehungspunkt, vor allem für jüngere Kinder und die Grundschüler des Ortes. Es werde nun gewiss einige Zeit dauern, bis der Schrecken über den beklemmenden Vorfall gewichen sei.

Auch Enno Oetjen, der gemeinsam mit seiner Schwester Ruthild den durch die NDR-Kultserie „Neues aus Büttenwarder“ bekannt gewordenen Gasthof „Unter den Linden“ betreibt, zeigte sich von dem tödlichen Übergriff tief betroffen. „Als ich davon erfuhr, konnte ich es zuerst gar nicht glauben. Ein Mord, in unserem Dorf – undenkbar“, erzählt er. Doch dann sei die Tat Hauptthema beim Einkauf in der Edeka-Filiale Evers und abends am Tresen gewesen, wie ein Lauffeuer habe sich die Kunde in ganz Grönwohld verbreitet.

Mord in Grönwohld: Das ist über den Toten bekannt

Der 22-Jährige hat nach Abendblatt-Informationen am Gymnasium Trittau sein Abitur gemacht und danach ein Studium begonnen. „Ob er aktuell noch an einer Hochschule eingeschrieben war, ist nicht bekannt. Bestätigen können wir aber, dass der Tote in Deutschland geboren ist“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck, Ulla Hingst. Seine Eltern sollen aus Algerien stammen und mit ihren vier Kindern zunächst in Trittau gewohnt haben, bevor sie vor vielen Jahren nach Grönwohld zogen.

Besonders tragisch: Der Ort, an dem der Tote gefunden wurde, soll keine 100 Meter von dem Haus entfernt liegen, in dem er zuvor gelebt hat. Der Leichnam wurde in die Lübecker Gerichtsmedizin gebracht und dort am Freitag eine Obduktion unterzogen. Die Polizei sucht weiter nach Zeugen, die am Mittwochabend verdächtige Personen und Fahrzeuge gesehen haben. Hinweise nimmt die Polizei unter der Telefonnummer 0451/13 10 entgegen.