Trittau. Familie macht zum ersten Mal bei Aktion des Klima-Bündnisses mit. Und fällt Entscheidung, auch künftig Fahrrad statt Auto zu nutzen.

Anne Herz und ihr Partner Fritz Simon machen Ernst: Das Trittauer Paar ist komplett aufs Fahrrad umgestiegen. Anlass für diese Entscheidung war die Aktion Stadtradeln, bei der es darum geht, innerhalb von 21 Tagen möglichst viele Kilometer mit dem Fahrrad zurückzulegen. Der Wettbewerb ist in unterschiedliche Kategorien eingeteilt und wird seit 2009 vom Verein Klima-Bündnis organisiert. Die Gemeinde Trittau ist zum sechsten Mal dabei.

Seine zwei Pkw bot das Paar online zum Verkauf an

Anne Herz sagt: „Wir sind durch ein Plakat auf die Aktion aufmerksam geworden.“ Eine gute Sache, befanden die beiden und beschlossen mitzumachen. Sie meldeten sich an – jedoch nicht als einfache Teilnehmer, sondern als sogenannte Stadtradeln-Stars. Die Herausforderung: Drei Wochen lang aufs Auto zu verzichten. Zusätzlich sollten sie über die dabei gemachten Erfahrungen auf einem Blog berichten.

Das reichte den beiden offenbar nicht: Sie fällten ihre Entscheidung, auch danach dauerhaft aufs Auto zu verzichten, bereits vor Ende der Aktion. Ihre zwei Pkw, einen Seat und einen Skoda, boten sie online zum Kauf an. Mit Erfolg: Die Fockbekerin Susanne Meyer-Gloe ist die neue Besitzerin des schwarzen Seat. Sie sagt: „Ich bin richtig zufrieden. Nach gefühlt Tausenden von Autos im Netz haben wir das richtige – und dann noch mit so sympathischen Vorbesitzern – gefunden.“

Die Anbindung an Hamburg sei durch den ÖPNV gesichert

Anne Herz war früher selbst bekennender Autofan. Sie sagt: „Ich hatte einen tollen Sportwagen mit Rallye­streifen drauf.“ Manchmal habe sie diesen scherzhaft als „zweites Wohnzimmer“ bezeichnet. Sie habe sogar ein paar Tränchen verdrückt, als sie den Skoda zum letzten Mal auf das Grundstück gefahren habe. Doch mit der emotionalen Bindung sei es inzwischen vorbei. „Für mich ist das nur noch ein Gegenstand.“ Noch dazu einer mit Stresspotenzial.

Die letzte Autofahrt ist ihr noch gut in Erinnerung: „Ich wollte es noch einmal ausprobieren, habe mich aber eines Besseren belehren lassen.“ Eine Dreiviertelstunde hätten sie nach Lübeck gebraucht. „Am Ende war ich genervt und hatte Kopfschmerzen.“ Und schneller gehe es mit dem Auto auch nicht.

Fritz Simon pflichtet ihr bei, für ihn überwiegen die Vorteile des Fahrradfahrens bei Weitem: „Wo ich herkomme, aus Ostfriesland, da verhungerst du vielleicht ohne Auto.“ Nicht so in Trittau, wo alles nah beieinander liege und die Anbindung an Hamburg durch den ÖPNV gesichert sei. Und mit dem Rad brauche er nach Volksdorf nur 50 Minuten. „Gerade in Trittau regen sich alle über den Autoverkehr auf“, gibt er zu bedenken. „Wenn alle Leute, die weniger als fünf Kilometer durch den Ort fahren, dafür das Fahrrad nutzten, würden bestimmt 75 Prozent davon wegfallen“, schätzt er.

Anhänger bietet Platz für kompletten Wocheneinkauf

Ob Regen oder Sonnenschein: Die Familie ist für jedes Wetter gut gerüstet. Selbst Kälte kann Simon, der als Disponent arbeitet, nicht schrecken: „Wenn ich jetzt morgens mit dem Rad zur Arbeit fahre, ist mir nach fünf Minuten warm.“ Er freue sich auf den Weg. „Das ist Quality Time und keine Wartezeit wie mit dem Auto.“ Er erlebe den Wandel der Jahreszeiten unmittelbar und sehe, wie der Sonnenaufgang sich verändere. Auf dem Rückweg warte seine Freundin auf halber Strecke mit dem Töchterchen im Anhänger auf ihn. „In Lütjensee treffe ich auf Anne und wir quatschen dann miteinander.“ Und manchmal hält Falbala in dem Anhänger ein Nickerchen.

Zusammen mit den Fahrradtaschen bietet der Anhänger genügend Platz für den kompletten Wocheneinkauf. Dafür hatte Herz zuletzt immer noch den Wagen genutzt. Doch jetzt erledigt das Paar die Aufgabe gemeinsam, die Tochter wird so lange von der Oma betreut, die direkt nebenan wohnt.

Fotovoltaikanlage soll auf Hausdach installiert werden

Wie sehr das Radfahren Teil ihres Lebens geworden ist, zeigt sich auch darin, dass die gelernte Altenpflegerin Herz sich manchmal dabei ertappt, dass sie einen Anlass sucht, eben schnell noch mal eine kurze Tour zu unternehmen, zum Beispiel Brot beim Bäcker zu kaufen. Selbst Urlaub kann sie sich nur noch mit dem Fahrrad vorstellen. Sie sagt: „Mit dem Auto riechst und fühlst du deine Umgebung nicht.“ Erfahrungen, auf die sie nicht verzichten will, genauso wenig wie auf das Gefühl der Freiheit und der unmittelbaren Nähe zur Natur. Fritz Simon sagt: „Wir sind am liebsten auf Entdeckungsreise.“ Jeder Tag sei viel länger, „wenn wir kein Auto fahren“, so der Familienvater. „Wir haben kein Fernsehen, sind dafür viel draußen und haben viel mehr Zeit.“ Zeit für gemeinsame Hobbys wie Musizieren – Simon, der sich als Schöngeist bezeichnet, spielt Gitarre, seine Freundin singt dazu.

Von dem Erlös der beiden Autos will die Familie eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach installieren. Der Verzicht auf die Fahrzeuge bringt finanzielle Vorteile: „Schätzungsweise sparen wir 400 bis 500 Euro im Monat“, so Simon. Und wenn einmal etwas kaputtgehe, seien die Ersatzteile günstiger als beim Auto. Jetzt zahlt es sich aus, dass Simon eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker absolviert hat. Gearbeitet hat er zwar nicht in dem Beruf, aber er kann eventuell anfallende Reparaturen selbst übernehmen.

Bürgermeister zeigt sich beeindruckt vom Engagement

Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch sagt: „Aktionen wie das Stadtradeln sind sehr wichtig, um ein Bewusstsein für das Radfahren an sich zu schaffen und Menschen dazu zu animieren.“ Dass die Aktion wirke, zeige die steigende Zahl der Teilnehmer.

Der Bürgermeister zeigt sich beeindruckt vom Engagement der Stadtradeln-Stars: „Ich finde es großartig, dass die Familie sogar über das Stadtradeln hinaus den großen Schritt macht und ganz aufs Auto verzichtet“, sagt er. Davor ziehe er seinen Hut. Ein Schritt zur Verbesserung der Infrastruktur solle das Radverkehrskonzept werden, denn „Radfahren in Trittau muss bequem, schnell und vor allem sicher sein“. Das wollen auch Simon und Herz. Sie wünschen sich mehr Attraktivität durch Fußgängerzone und weniger Parkplätze im Zentrum.

Stadtradeln-Stars können ein E-Bike gewinnen

In diesem Jahr nehmen in ganz Deutschland 1481 Kommunen an der Aktion teil. Trittau ist seit 2015 dabei, kam bundesweit in der Kategorie Kommunen bis 10.000 Einwohner sogar schon unter die ersten drei. Ziel des Wettbewerbs ist es, drei Wochen lang möglichst viele Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen. Stadtradeln-Stars verpflichten sich, während dieser Zeitspanne zudem komplett aufs Auto zu verzichten. Außerdem berichten sie über ihre Erfahrungen in einem Blog auf der Website www.stadtradeln.de. Wer sich so engagiert, bekommt die Chance auf wertvolle Preise: Hauptgewinn ist ein Edelfahrrad, das auf Wunsch auch als E-Bike zu haben ist.