Reinbek. Immer wieder hört Nico Ellermann, dass sich fremde Handwerker als Mitarbeiter ausgeben. Polizei und Verbraucherzentrale geben Tipps.
Erst hat Nico Ellermann das Ganze nicht wirklich ernst genommen, doch langsam reicht es ihm: In den vergangenen zwei Jahren mehren sich die Beschwerden über angebliche Abzocke. Dahinter stecken vermutlich Betrüger, die sich als Mitarbeiter der Reinbeker Firma ausgeben. „Immer wieder hören wir, dass unsere Firma angeblich Notdienstaufträge zu überhöhten Preisen angeboten habe“, erzählt er. „Das ist nicht richtig. Wir bekämpfen schwarze Schafe und haben uns dafür dem Fachverband Interkey angeschlossen.“
Kunde fand falsche Telefonnummer im Internet
Ellermanns Traditionsunternehmen in der Stadtmitte bietet unter anderem Schlüsseldienste und auch Schlossnotdienste an. Jüngst klingelte es an seiner Haustür, ein Nachbar bat um Hilfe, weil sich ein älterer Mann in der Nähe ausgesperrt habe. Ehrensache für Nico Ellermann, er schnappte seinen Werkzeugkoffer. Vor der Tür des betroffenen 92-Jährigen hatte sich eine Menschentraube angesammelt. Darunter waren zwei Männer, die Geld forderten, weil sie gerufen worden seien.
Doch Herr Schmidt – der Nachbar möchte seinen Vornamen nicht nennen, weil er Repressalien der angeblich beauftragten Firma fürchtet – hatte die Firma Ellermann rufen wollen, aber im Internet eine falsche Telefonnummer gefunden. „An dem Abend schaffte ich es einfach nicht mehr, meine Haustür zu öffnen“, sagt Schmidt. Deshalb habe er auf seinem Handy die Begriffe „Schlüsseldienst“ und „Ellermann“ gegoogelt.
Duo verlangt 170 Euro plus Benzingeld von 92-Jährigem
„Man ist in solch einer Lage doch etwas hilflos. Daher rief ich bei der angegebenen Handynummer an. Als ich nach der Firma Ellermann fragte, sagte man mir, die hätten jetzt Feierabend, aber man würde den Auftrag übernehmen“, erzählt der Senior. Die Fachleute würden aus Hamburg kommen.
Parallel bot der Nachbar an, persönlich am Haus von Nico Ellermann zu klingeln. „Als die beiden vom Notdienst eintrafen, habe ich denen gesagt: Euch brauche ich nicht mehr, der Chef kommt selbst“, so Schmidt.
Doch die beiden vermeintlichen Handwerker seien entrüstet gewesen. „Wir sind ja jetzt hier“, hätten sie gesagt und 170 Euro plus Benzingeld verlangt. Der 92-Jährige wurde von den Nachbarn unterstützt und bezahlte nicht. „Hätten die mir eine Rechnung geschickt, wäre ich damit zur Verbraucherberatung“, sagt der Senior. „Schließlich haben die keine Leistung erbracht.“ Bis jetzt hat er noch keine Post bekommen.
Ein anderer Kunde musste einen zweiten Notdienst bestellen
Nico Ellermann konnte die Tür schnell ohne Werkzeug öffnen. „Die war wohl nur verzogen“, sagt der Fachmann. Er habe das Ganze unter Nachbarschaftshilfe verbucht. Aus seiner Sicht seien die beiden anderen Männer sehr dreist aufgetreten, hätten sich auf irgendwelche Paragrafen berufen und eine Pauschale von mehreren Hundert Euro gefordert. „Dabei ist es schon Unsinn, dass die zu zweit anfahren“, sagt Ellermann. „Um eine Tür zu öffnen, braucht man die nicht. Schließlich habe ich mit der Polizei gedroht und bupps – waren die verschwunden.“
Ein anderer Kunde habe sich vor wenigen Tagen darüber beschwert, dass ein Mitarbeiter ein Loch in sein Schloss gefräst habe und dann einfach verschwunden sei, weil die Akkus leer waren. Offenbar hatte sich auch auf seinem Handy eine Pop-up-Telefonnummer geöffnet. Der Kunde habe schließlich einen zweiten Notdienst bestellen müssen. „Er hat mir Fotos von der Tür gezeigt“, sagt Ellermann. „So etwas habe ich vorher noch nicht gesehen: Der angebliche Fachmann – der nichts mit unserer Firma zu tun hat – hat nicht nur das Schloss, sondern gleich die teuren Messingbeschläge weggefräst. Völlig unnötig!“ Meist reiche es aus, ein Loch in das Schloss zu bohren, um den Zylinder herauszuziehen und auszuwechseln.
Verbraucherzentrale rät, Zweitschlüssel zu hinterlegen
Kunden könnten oft nicht mehr nachvollziehen, wo oder wen sie angerufen haben. „Die Fälle, die mir bekannt geworden sind, sind oft eher Versuche“, sagt Nico Ellermann. „So ist es schwierig, sie zur Anzeige zu bringen. Sicher gibt es eine hohe Dunkelziffer.“ Er warnt nun auch auf seiner Homepage vor schwarzen Schafen seiner Branche. Türöffnungen bietet er nur noch während der Geschäftszeiten an.
Unseriöser Notdienste bereiten immer wieder Probleme. „Das ist massiv“, sagt Vivien Arwers, Sprecherin der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Es weitet sich immer mehr aus, etwa auf Schädlingsbekämpfer. Ähnliche Fälle bekommen wir jede Woche. Diese Masche, dass sich jemand auf die Telefonnummer eines speziellen Unternehmens aufsetzt, hören wir allerdings zum ersten Mal.“
Häufig seien Fälle, in denen Betroffene „Schlüsseldienst“ und einen Ortsnamen googeln und so auf ein vermeintlich günstiges Unternehmen stoßen, dessen Telefonnummer sogar die passende Ortsvorwahl hat. „Das ist in der Regel ein Fake“, sagt Vivien Arwers. Sie rät, einen Zweitschlüssel bei Nachbarn oder am Arbeitsplatz zu hinterlegen.
Schon vorab die Nummer von einer seriösen Firma speichern
Außerdem sollte man vorab einen seriösen Schlüsseldienst mit einer Niederlassung am Ort suchen und dessen Nummer speichern. „In der Notlage sollte sich niemand auf Barzahlung einlassen, sondern bereits am Telefon eine Rechnungszahlung vereinbaren“, sagt sie. „Ein seriöses Unternehmen wird immer darauf eingehen. Ansonsten: Finger weg!“ Sollten die vermeintlichen Handwerker rabiat werden, brauche sich niemand zu scheuen, die Polizei zu rufen.
Das empfiehlt auch Reinbeks Kripo-Chef Thomas Holst. Die Kosten für Anfahrt, Material und Arbeit sollten auf jeden Fall am Telefon geklärt werden, rät er. „Man sollte spätestens bei Eintreffen des Schlüsseldienstes die Leistungen samt Preis zumindest im Ansatz schriftlich fixieren und unterzeichnen lassen.“ Sein Tipp: „Manchmal ist es günstiger, eine Fensterscheibe einzuschlagen und später den Glaser zu rufen.“
Hilfreich seien Screenshots der Internetanzeigen
Der Bundesnetzagentur ist die unzulässige Bewerbung von Rufnummern, unter anderem durch Anbieter von Schlüsseldiensten, ebenfalls bekannt. „Diese Fälle betreffen zum einen das Vortäuschen von Ortsnähe durch die Anbieter“, sagt Marta Mituta, Sprecherin der Bundesnetzagentur. „Zum anderen werden Rufnummern durch einen anderen als den berechtigten Nummerninhaber genutzt.“ Beide Vergehen würden verfolgt. Teilweise habe sich herausgestellt, dass bereits die Zuteilung der Rufnummern nicht ordnungsgemäß war, indem etwa die Anbieter auch unerlaubt Teilnehmerdaten von dritten Personen verwendet haben. Zuletzt habe die Bundesnetzagentur rund 50 derartige Beschwerden pro Jahr bearbeitet.
„Fälle, in denen Rufnummern beworben wurden, bei denen unerlaubt die Daten eines tatsächlich bestehenden Unternehmens verwendet wurden, sind bisher nur vereinzelt bekannt geworden“, sagt Mituta. Bei einer rechtswidrigen Rufnummernnutzung schreite die Bundesnetzagentur ein, wenn sie informiert werde. Hilfreich seien Screenshots der Internetanzeigen.