Bargteheide. Anwohner wollen verhindern, dass ein „Waldstück“ gerodet wird. Sie vermuten Zusammenhang mit Bauprojekt. Stadt sieht sich verpflichtet.

Wann ist ein Wald ein Wald? Diese Frage spaltet derzeit Bargteheide. Um den knapp 30 Jahre alten Baumbestand einer Ausgleichsfläche der Südumgehung zu retten, haben Anwohner unter http://chng.it/jdP2Rd9p eine Onlinepetition ins Leben gerufen. Die Stadt Bargteheide pocht hingegen auf den Status der gut 1500 Quadratmeter großen Fläche als Straßenbegleitgrün und möchte den Bewuchs noch in diesem Jahr komplett auf Stock setzen.

Bürgermeister kann Ansinnen der Anlieger nachvollziehen

Brisant ist: Auf dem angrenzenden Eckgrundstück Südring/Hamburger Straße plant ein Investor derzeit eine viergeschossige seniorengerechte Wohnanlage mit Platz für Praxen und Gewerbe im Erdgeschoss. Doch der notwendige Abstand von 30 Metern zum Wald kann nach der derzeitigen Anordnung des Gebäudes nicht eingehalten werden.

„Ich kann das Ansinnen der Anlieger absolut nachvollziehen“, sagte Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht in einer schriftlichen Erklärung. „Jedoch hat das B-Plan-Verfahren inhaltlich nichts mit der Pflege des Gehölzes zu tun. Letztere wäre auch ohne Verfahren in diesen Wochen erfolgt.“

Erst letztes Jahr sei der Knick beschnitten worden

Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht
Bargteheides Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht © BINA ENGEL

Im Zuge der Planfeststellung der Straße Südring im Jahre 1991 wurde die Fläche als Ausgleichsfläche eingerichtet. Laut Auskunft der Stadt seien in diesem Zusammenhang Pflegemaßnahmen vereinbart worden, die den kompletten Rückschnitt des Gehölzbestandes alle 10 bis 15 Jahre bedeuten. Wie bei Knickarbeiten üblich, bleiben nur sogenannte markante Bäume, auch Überhälter genannt, stehen. Dieser Verpflichtung will die Stadt Bargteheide nun nachkommen.

„Seit 29 Jahren ist es das erste Mal, dass die Stadt die Bäume komplett absägen will“, sagt Ulf Brügmann, dem neben dem angrenzenden Tankstellen-Areal drei Einfamilienhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft gehören, von denen er eins selbst bewohnt. „Letztes Jahr erst wurde der Knick beschnitten. Die dahinterliegenden Bäume blieben unangetastet und wurden wie ein Wald gepflegt.“

Nach ersten Fällung hat Lärmbelastung zugenommen

Bereits Anfang des Jahres wurden auf der Nordseite des Eckgrundstückes sechs große Bäume gefällt. Danach habe die Lärmbelastung deutlich zugenommen, bestätigen mehrere Anwohner, die sich zum Ortstermin zusammengefunden haben und ihrem Unmut Luft machen. „Niemand stellt sich gegen eine Bebauung“, sagt Mathias Maack. „Dass nun 30 Meter Wald verschwinden sollen und die Stadt Bargteheide für einen Investor den Bebauungsplan erneut ändert, weckt bei allen Anwohnern jedoch große Missbilligung.“ Die Interessen des Investors würden von der Stadt höher angesiedelt, als die ihrer Bürger, und zudem die rechtlichen Gegebenheiten dementsprechend geschaffen, beklagt Maack.

Seit acht Jahren versucht die Stadt, die Stelle am südlichen Eingang Bargteheides sinnvoll zu nutzen. 2012 wollte der ehemalige VW-Händler Russmeyer auf der früheren Koppel einen Ausstellungspavillon bauen. Zudem wagte Claus Christian Claussen, seit Mai Justizminister in Schleswig-Holstein, einst den Vorstoß, auf der Fläche Sozialwohnungen zu errichten. Die Anwohner liefen Sturm. Auch zu dem in 2014 geplanten Fachmarkt mit Drogerie, Getränkemarkt und einer Bäckerei ist es nie gekommen.

Unklar, warum die Stadt die Bäume unbedingt jetzt fällen will

Nun wagt der Großhansdorfer Projektentwickler Frank Karkow einen neuen Vorstoß und plant auf dem Terrain ein viergeschossiges, 14 Meter hohes Gebäude mit Platz für 20 bis 30 barrierefreie Wohneinheiten. „Zwischenzeitlich sah es auch für dieses Projekt schlecht aus, nachdem der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) überraschend eine Zufahrt vom Südring aus verweigert hatte“, sagt Stefan Schröter von der Verwaltung. „Nachdem die Stadtvertreter in ihrer jüngsten Sitzung jedoch grünes Licht gegeben haben, wurde die Maschinerie des Planverfahrens wieder in Gang gesetzt.“

Unklar bleibt bisher, warum die Stadt die Bäume unbedingt jetzt fällen will. Doch auch darauf hat Schröter eine Antwort: „Mit jedem Planverfahren sind wir von der Unteren Forstbehörde auf unsere Pflichten aufmerksam gemacht worden, zuletzt 2014 und jetzt erneut“, sagt Schröter. „Fachlich gibt es jedoch keinen Zusammenhang zu dem geplanten Neubau.“

FDP sieht das Problem der mangelnden Pflege ebenfalls

Die Politiker sind sich bei der Thematik uneins. Obwohl der Bewuchs des Grundstücks faktisch wie ein Wald aussehe, tendierten die Bargteheider Grünen zur Einschätzung der Stadt, so Fraktionsvorsitzende Ruth Kastner. „Hätte man jedoch die Arbeiten vorher umgesetzt, gäbe es jetzt keinen Ärger. Die Problematik gibt es nur durch die bestehenden Erblasten, die ganz andere Leute zu verantworten haben.“

Das Problem der mangelnden Pflege sieht Gorch-Hannis la Baume (FDP) ebenfalls, doch neuer bezahlbarer Wohnraum sei mindestens genauso wichtig, wie der Erhalt des Waldes. Seine Fraktion unterstütze die Bemühungen des Investors. Und auch Torsten Frehe vom Ortsverband der CDU schenkt den Informationen von Verwaltung und Forstbehörde Vertrauen. Dagegen sieht Peter Beckendorf von der SPD den Vorstoß problematisch. Er plädiert für ein Vorgehen mit Augenmaß und den Erhalt der Grünfläche.

Politiker kritisiert die Verwaltung

Klare Worte spricht hingegen Norbert Muras von der Wählergemeinschaft für Bargteheide. Bereits im Bereich Bornink seien Bäume unbemerkt von den politischen Gremien und der Öffentlichkeit gefällt worden. Zudem sei mit dem Schulwald am KGB ebenfalls ein geschütztes Waldstück gerodet worden. „Es gibt mehrere Vorfälle in der Stadt, die wir nicht im Ausschuss besprochen haben“, sagt Muras. „Die Verwaltung entscheidet an uns Politikern vorbei.“

Wie soll es jetzt weitergehen? „Nach derzeitigem Stand stehen wir am ersten Oktober nicht mit der Säge auf dem Grundstück bereit, sondern warten zunächst das Planungsverfahren ab“, sagt Schröter. „Erst wenn im Dezember der Baubeschluss steht, wollen wir starten.“