Ahrensburg. Schulleiter kritisiert geplante Schilder für Alfred-Rust-Saal und löst Debatte aus. Grüne wollen Arbeitsgruppe zu dem Thema einberufen.
Die Ahrensburger Grünen wollen, dass eine Arbeitsgruppe sämtliche Straßennamen in der Schlossstadt überprüft und kritisch hinterfragt. „Es geht uns darum, einen Prozess anzustoßen und einmal grundsätzlich zu überlegen, welche Persönlichkeiten wir durch einen Straßennamen ehren wollen“, sagt der Stadtverordnete Christian Schubbert. Anlass sei die aus den USA überschwappende Rassismus- und Kolonialismusdebatte, aber auch eine neue Diskussion um die Beschilderung des Alfred-Rust-Saals an der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule (SLG).
Saal nach Prähistoriker und Archäologen Alfred Rust benannt
Dort wird es anlässlich des Anbaus demnächst ein neues Leitsystem für Besucher geben. Dieses soll auch auf den mit rund 500 Plätzen größten Veranstaltungssaal Ahrensburgs hinweisen, der sich auf dem Schulgelände befindet. Rektor Wolfgang Jakobi bereiten die Pläne Sorgen. Er fordert in einem Brief an Bürgermeister Michael Sarach, auf den neuen Schildern den Namen „Alfred Rust“ nicht zu nennen. „Alfred Rust mag für die Region ein bedeutender Prähistoriker gewesen sein, aber seine Haltung war eindeutig antisemitisch und faschistisch“, schreibt er an den Verwaltungschef. Und weiter: „… moralisch sollten wir uns als liberale und offene Gesellschaft aber deutlich von Mitläufern und Bewunderern der Nazis distanzieren.“ Insofern sei diskutabel, ob die Namensgebung „noch sinnvoll ist“.
Zum Hintergrund: Der Saal ist nach dem Prähistoriker und Archäologen Alfred Rust (1900-1983) benannt, der unter anderem in Ahrensburg lebte und wirkte und 1965 Ehrenbürger der Schlossstadt wurde. Zudem befand sich bis in die 1990er-Jahre am Standort der SLG die Alfred-Rust-Realschule. Der Forscher hatte durch Grabungen und Funde in den 1930er-Jahren die Existenz von Eiszeitmenschen und Rentierjägern im Ahrensburger Tunneltal bewiesen. Dort ist auch ein Wanderweg nach ihm benannt. Rust ist jedoch umstritten, weil er während des Nationalsozialismus Mitglied in der SS-Unterorganisation Deutsches Ahnenerbe und von Wehr- und Kriegsdienst befreit war. Zudem trat er freiwillig in die Waffen-SS ein. Dies alles führte dazu, dass die Stadt Ahrensburg im Jahr 2000 die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Forschers absagte.
Thema soll Anfang September politisch diskutiert werden
„Uns ist klar, dass es kaum einen Menschen gibt, der ohne Makel sein Leben meistert“, sagt Schubbert. „Wichtig ist aber, dass wir uns alle dieser Makel bewusst sind. Idealerweise sollten wir sie jeweils den Verdiensten gegenüberstellen und dann ganz in Ruhe entscheiden, ob eine Ehrung mit einem Straßennamen aus heutiger Sicht noch sinnvoll ist.“ Es sei wichtig, Straßennamen im Abstand einiger Jahrzehnte immer mal wieder dahingehend zu überprüfen, ob sich die gesellschaftliche Meinung über einzelne Persönlichkeiten grundsätzlich geändert habe. „Bisher diskutieren wir immer über Einzelfälle“, sagt er. „Wir sollten es einmal vollständig machen.“
Den Antrag zur Einberufung einer Arbeitsgruppe, der Vertreter der Politik, der Verwaltung und des Runden Tisches Ahrensburg angehören könnten, wollen die Grünen nach der politischen Sommerpause in der Sitzung des Bildungs-, Kultur- und Sportausschusses am Donnerstag, 3. September, stellen. Die Kommission solle in den Ausschüssen Zwischenergebnisse vorlegen, über die dann öffentlich diskutiert werde, sagt Schubbert. „Das soll nicht hinter verschlossenen Türen geschehen.“
„Ahrensburg hat drei über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bürger“
Als Beispiel nennt die Fraktion in ihrem Antrag Graf Heinrich Carl Schimmelmann, der 1759 das Ahrensburger Schloss gekauft und vor dem Verfall gerettet, sein Geld aber mit Sklavenhandel gemacht hatte. „Wichtig ist, dass er in der Betrachtung kritisch dargestellt wird, was im Schloss auch geschieht“, heißt es in dem Antrag der Grünen. Und weiter: „Die Frage ist, ob es noch zeitgemäß ist, weiterhin eine Straße nach ihm zu benennen, und ob das die einzige Straße ist, die nach zweifelhaften Persönlichkeiten benannt worden ist.“
Christian Schubbert sagt dazu: „Ahrensburg hat drei über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bürger, die alle nicht ganz einfach sind.“ Neben Schimmelmann und Rust gehöre dazu auch Autor Waldemar Bonsels (1880-1952), nach dem in der Schlossstadt ebenfalls eine Straße benannt worden ist. Der in Ahrensburg geborene Erfinder der Biene Maja war Antisemit, hatte eine Nähe zum Nationalsozialismus. Er erhielt in der NS-Zeit kein Schreibverbot, war zudem Herausgeber kriegspropagandistischer Schriften.
Verwaltung: Namen per Kriterienkatalog überprüfen
„Im Villenviertel gibt es ebenfalls viele Straßennamen, über die wir zumindest einmal diskutieren sollten“, sagt Schubbert. So war Albrecht von Roon (1803-1879) beispielsweise preußischer Kriegsminister. Zudem gibt es in Ahrensburg auch eine Allee, die nach Reichskanzler Otto von Bismarck benannt ist. In Hamburg sorgt derzeit das weltgrößte Bismarck-Denkmal für kontroverse Diskussionen. Kritiker sehen darin ein Symbol für den Größenwahn Deutschlands und die Verbrechen der Kolonialzeit.
Auch die Stadtverwaltung in Ahrensburg ist derzeit dabei, eine Beschlussvorlage für die Ausschusssitzung Anfang September vorzubereiten. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, sagt die zuständige Fachdienstleiterin Petra Haebenbrock-Sommer. Inhaltlich wolle sie derzeit noch nichts dazu sagen, nur so viel: „Wir werden wohl Ideen zum weiteren Verfahren einbringen.“ Grundsätzlich sei es ihrer Einschätzung nach sinnvoll, alle Straßen in Ahrensburg, die nach historischen Persönlichkeiten benannt sind, nach einem von der Politik festgelegten Kriterienkatalog zu überprüfen. „Letztlich muss die Politik dann entscheiden, in welchen Fällen die Ergebnisse der Untersuchung Auswirkungen haben, Straßen also umbenannt werden sollen“, sagt sie. Noch habe die Verwaltung aber keine Liste kritischer Straßennamen angelegt.
Schulleiter will nur Hinweis auf „Veranstaltungssaal“
Rektor Wolfgang Jakobi stört vor allem, dass bei der neuen Beschilderung auf dem Schulgelände die Namen „Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule“ und „Alfred-Rust-Saal“ nebeneinander stehen sollen. Und damit die Namen von zwei Menschen mit unterschiedlichen Lebensauffassungen. Der Hintergrund: Die schwedische Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf (1858-1940) war eine engagierte Frauenrechtlerin und setzte sich während der NS-Zeit für die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in Schweden ein.
„Es geht mir primär um die Bezeichnung auf den Schildern, nicht um den Namen des Rust-Saals“, sagt der Schulleiter auf Anfrage dieser Zeitung. Er würde es demnach sehr begrüßen, wenn die Namen nicht nebeneinanderstehen würden, stattdessen einfach nur die Bezeichnung „Veranstaltungssaal“ verwendet werde. Jakobi sagt: „Ich bezweifle nicht die wissenschaftlichen Leistungen von Alfred Rust, aber seine Verstrickungen mit den Nazis hängen ihm an.“