Bargteheide. Im Unterschied zu anderen Gastrobetrieben ist die Einrichtung im Denkmal noch nicht wieder geöffnet. Gebäude müsste saniert werden.

Das Bargteheider Restaurant Utspann ist seit Mitte März geschlossen. Während andere Gaststätten nach dem Lockern der Corona-Restriktionen so schnell wie möglich wieder öffneten, ist in dem traditionsreichen Reetdachhaus im Stadtzentrum kein Lebenszeichen zu bemerken. Moos bedeckt die Platten der Sommerterrasse, drumherum können die Kletter- und Schlingpflanzen ungestört wachsen.

Im Bargteheider Rathaus gibt man sich bedeckt

„Liebe Gäste, das Restaurant bleibt bis auf Weiteres geschlossen!“, steht auf Zetteln an der Tür und im Schaukasten für die Speisekarte. Aufgrund der kargen Informationen rätseln jetzt Stormarner Bürger und Gastronomen: Was wird aus einem der letzten noch erhaltenen mehr als 200 Jahre alten Gebäude in Bargteheide, das im Eigentum der Stadt ist?

Im Rathaus gibt man sich bedeckt. „Nach unserer Kenntnis ist die Gastronomie im Utspann zurzeit coronabedingt geschlossen“, sagt Alexander Wagner, persönlicher Referent von Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht. „Wir befinden uns mit dem Pächter im Gespräch.“ Auf Fragen zur Zukunft des denkmalgeschützten Gebäudes antwortet er: „Weitere Auskünfte kann ich dazu nicht geben.“ Klar ist aber, dass das Fachwerkhaus renoviert werden müsste. „In welchem Umfang und mit welchen Kostenvolumen das Gebäude saniert werden soll, steht allerdings noch nicht fest“, so Wagner.

Pächter wollte Haus mehrmals von der Stadt kaufen

„Nach unserer Kenntnis ist die Gastronomie im Utspann zurzeit coronabedingt geschlossen. Wir befinden uns mit dem Pächter im Gespräch“, sagt Alexander Wagner, persönlicher Referent der Bürgermeisterin.
„Nach unserer Kenntnis ist die Gastronomie im Utspann zurzeit coronabedingt geschlossen. Wir befinden uns mit dem Pächter im Gespräch“, sagt Alexander Wagner, persönlicher Referent der Bürgermeisterin. © HA

Ein Mann, der mehr sagen könnte, ist Pächter Matthias Wullbrand. Er war aber in dieser Woche trotz mehrerer Versuche nicht zu erreichen. Anfragen per E-Mail blieben unbeantwortet, und im Restaurant ging niemand ans Telefon. Die jüngste Nachricht auf der Utspann-Facebook-Seite stammt vom Himmelfahrtstag, dem 20. Mai. „Corona bremst uns leider weiterhin aus, und unser Restaurant bleibt vorerst auf unbestimmte Zeit geschlossen“, steht dort. „Wir halten euch über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden und bitten um euer Verständnis. Bleibt alle gesund!“

Matthias Wullbrand übernahm das Utspann 1999 vom Ehepaar Kittler, das das gutbürgerliche Restaurant über ein Vierteljahrhundert geführt hatte. Schon 2003 unternahm der neue Pächter einen ersten Versuch, das Gebäude von der Stadt zu kaufen. Damit wollte er die überfällige Sanierung in die eigene Regie nehmen und schneller voranbringen.

Feiern wie Hochzeiten zählten zum Kerngeschäft

Seitdem hat der Besitzer des Lokals eine Handvoll Anträge gestellt, parallel dazu die Aufforderung, die erforderlichen Arbeiten anzustoßen. Doch jedes Mal lehnten die Stadtvertreter den Verkauf mehrheitlich ab – zuletzt im Oktober 2018. Matthias Wullbrand wies damals darauf hin, dass Fenster und Sanitärräume modernisiert werden müssten. Hinzu käme die Hälfte des Reetdachs, von dem 2009 nur eine Seite erneuert worden war. „Mindestens 200.000 Euro müsste die Stadt sofort investieren“, sagte er damals.

Als Privatmann könne er die Arbeiten zudem besser koordinieren, Termine mit den Firmen in die Sommerpause und Zeiträume mit weniger Veranstaltungen legen, führte Wullbrand aus. Feiern wie Konfirmationen, Hochzeiten und Weihnachtsfeste zählten zum Kerngeschäft. Die Stadt sei weniger flexibel, müsse die Aufträge europaweit ausschreiben.

In Tremsbüttel und Havighorst schließen Traditionsbetriebe

Vor nur einer Woche hatte ein anderer traditionsreicher Stormarner Gastrobetrieb angekündigt, den Betrieb einzustellen: Schloss Tremsbüttel in der Bargteheider Nachbargemeinde. Zu dem 50-Zimmer-Haus gehören ein Restaurant und ein Café. Als Grund nannte die Geschäftsführung massive Umsatzeinbußen als Folge der Corona-Pandemie, da nahezu alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Die Hamburger Unternehmerfamilie Strathmann hatte das 125 Jahre alte Herrenhaus 1996 gekauft und für mehrere Millionen Euro renoviert und ausgebaut. Anfang Juni hatte der Gasthof Schwarzenbeck im Oststeinbeker Ortsteil Havighorst das Aus nach 143 Jahren verkündet.

Um das Bargteheider Utspann entfachen sich unterdessen mal mehr und mal weniger sachliche Diskussionen in sozialen Netzwerken. Dabei melden sich auch bekannte Einwohner zu Wort. So erinnert Kreispräsident Hans-Werner Harmuth daran, dass Kommunalpolitik und Bürger ein Anrecht auf Informationen von der Bürgermeisterin hätten.

Und Werner Mitsch, von 1996 bis 2008 selbst Chef im Rathaus, schreibt: „Ich halte es für dringend geboten, dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die regelmäßigen Gäste über die Perspektiven der wichtigen Gastronomie Utspann in Bargteheide informiert werden. Eine dauerhafte Schließung oder andere Nutzung wäre ein großer Verlust für Bargteheide und Umland.“

Vor etwa 225 Jahren erbaut und seit 1974 ein Restaurant

Zwischen 1785 und 1795 ist das bis heute erhaltene und denkmalgeschützte Bauernhaus direkt an dem alten Handelsweg von Hamburg nach Lübeck errichtet worden. Eine erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1802. Der eingeschossige Fachwerkbau mit Reetdach steht auf einem Granitsockel. Im Haus war eine Schankwirtschaft und zeitweise auch die erste Posthalterstelle.

1870 erbte Christopher Steinmatz, damals erster Gemeindevorsteher, den Familienhof. Ein Jahr später kaufte der Arzt Licentiat Heinrich Wuth das Gebäude. Seit 1938 ist die Gemeinde Eigentümer. Dort war die Verwaltung, bis sie 1957 ins heutige Rathaus umzog. Danach nutzten Bücherei und Rotes Kreuz die Räume.

Im Dezember 1974 eröffneten Marlene und Gerhard Kittler das Restaurant unter dem Namen Utspann. Eine spezielle Durchfahrtsscheune zum Ausspannen von Pferden hat es dort allerdings nie gegeben.

Seit 1999 ist Matthias Wullbrand Pächter, in den ersten Jahren noch gemeinsam mit Christoph Klintzsch. Das Haus steht seit 1974 unter Denkmalschutz.