Grosshansdorf/Reinbek. Ahrensburg, Reinbek und fast alle anderen setzen Elternbeiträge während der Krise aus. Nur eine Stormarner Gemeinde zieht weiter ein.
Die Absicht der Gemeinde Großhansdorf, die Kita-Gebühren weiter einzuziehen, sorgt für heftigen Streit. Die Mehrheit der Politiker hatte sich dafür ausgesprochen, die Beiträge für April weiter einzuziehen, während die Betreuungseinrichtungen infolge der Coronapandemie geschlossen bleiben. Die Waldgemeinde wollte damit anders entscheiden als fast alle anderen Kommunen. Für viele Eltern ist das nicht nachvollziehbar.
Land unterstützt Kommunen mit 50 Millionen Euro
Jennifer Kersting ist wütend. Die Großhansdorferin, deren Sohn (6) und Tochter (2) in Tagesstätten betreut werden, hat eine Online-Petition gestartet, in der sie die Rückerstattung der Kita-, Hort- und Tagespflege-Gebühren für April fordert. 169 Großhansdorfer haben die Petition bis Freitagnachmittag unterzeichnet. Kersting: „Der Landtag hat beschlossen, Eltern von Kita-Kindern unbürokratisch und schnell zu entlasten“, sagt die 34-Jährige. „Anstatt es so wie fast überall zu machen, geht Großhansdorf einen Sonderweg.“
Seit 16. März und bis mindestens 19. April sind alle Kitas aufgrund der Pandemie geschlossen. Nur für Kinder, deren Eltern in für die Infrastruktur wichtigen Berufen arbeiten, gibt es eine Notbetreuung. Hintergrund für die Beitragsaussetzung ist ein Hilfspaket der Landesregierung. Sie will den Kommunen 50 Millionen Euro für den Wegfall der Elternbeiträge bereitstellen. Die Summe soll auch die Beiträge für Horte und offene Ganztagsschulen (OGS) umfassen. Die genauen Modalitäten sollen am 6. Mai vom Landtag beschlossen werden.
Ahrensburgs Bürgermeister sieht einen Erlass positiv
Die meisten Stormarner Kommunen haben die Zahlungspflicht für die Kita-Beiträge für April und teilweise für Mai ausgesetzt. Dazu gehören Ahrensburg, Bad Oldesloe, Bargteheide, Trittau, Reinbek, Oststeinbek, Glinde, Ammersbek, Siek und Grönwohld. Dies gilt formell nur für die Kitas von Städten und Gemeinden, privaten und freie Träger verfahren oft ähnlich. So empfehlen es Sozialministerium, Städteverband, Landkreistag und Gemeindetag in einem Schreiben an die Träger. Sie sollen in Vorleistung gehen, auf die Einziehung der April-Beiträge verzichten, um aufwendige Rückerstattungen zu vermeiden. Es zeichnet sich in vielen Kommunen ab, dass sie die Gebühren für April und gegebenenfalls Mai sogar gänzlich erlassen. Nötig sind dazu Beschlüsse der Kommunalparlamente.
Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach sagt: „Ich sehe einen Erlass positiv.“ Voraussetzung sei, dass das Land ein Programm auflegt, um die Kommunen zu entlasten. „Mein Eindruck ist, dass auch die Stadtverordneten einem Erlass positiv gegenüberstehen. Es gilt auch zu klären, wie mit den Entgelten für die Betreuung in Horten und offenen Ganztagsschulen verfahren wird. Hier sollte es eine Gleichbehandlung geben.“
Bad Oldesloe betreibt keine eigenen Kitas
Auch in Reinbek sind die Kita-Beiträge ausgesetzt. Das Essensgeld soll ab dem ersten Tag erlassen und notfalls rückerstattet werden. Bezüglich eines Verzichts verweist Bürgermeister Björn Warmer auf die in Reinbek gültigen Betreuungsverträge zwischen Eltern sowie Stadt und Kita-Trägern: „Bei fehlender Betreuung gibt es keinen Anspruch auf die Beitragserhebung.“ Demnach sei es rechtlich unmöglich, auf die Kita-Beiträge zu bestehen. In Glinde sollen die Elternbeiträge für alle Betreuungsformen, also auch für Tagesmütter, Horte und OGS, für April erlassen werden. Die Stadt plant dazu eine Sondersitzung der Stadtvertreter am Dienstag, 7. April. Die Beschlussvorlage ist mit den Fraktionen abgestimmt.
Bad Oldesloe betreibt keine eigenen Kitas. Dort haben private Träger die Beiträge für April ausgesetzt. „Die Stadt erstattet das Geld an die Träger und wir vertrauen auf die Hilfszusage der Landesregierung“, sagt Bürgermeister Jörg Lembke. So zahle die Stadt derzeit rund 300.000 Euro an die privaten Betreiber. Ein endgültiger Verzicht auf die Beiträge sei deren Sache. „Ich kann mir nichts Anderes vorstellen als einen Verzicht“, sagt Lembke. Für diesen Fall und für einen Verzicht auch auf die Mai-Beiträge regt der Bürgermeister an, dass die Träger für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen. „Das würde die Personalkosten reduzieren und auch die nötige Erstattung von der Stadt an die Träger.“
„Uns haben einige erboste Eltern kontaktiert“
Kurzarbeit für Erzieherinnen kommt für Grönwohlds Bürgermeister Ralf Breisacher nicht infrage. Die Gemeinde betreibt die Kita Am Zauberwald mit 80 Plätzen. Weil die Elternbeiträge ausgesetzt sind, entgehen der Gemeinde monatlich rund 23.000 Euro. „Das belastet den Haushalt sehr, zumal Einnahmen wegbrechen, etwa bei der Gewerbesteuer“, sagt Breisacher. Der Bürgermeister will dennoch bei den Gemeindevertretern beantragen, dass die Beiträge ganz erlassen werden. „Ich gehe davon aus, dass uns das Land hilft“, sagt er.
In Großhansdorf hat Bürgermeister Janhinnerk Voß bei den Fraktionen nachgefragt, wie sie zu einer Aussetzung stehen. Voß: „Es gibt keine Mehrheit dafür.“ 120.000 Euro zahlen Eltern an allen Kitas monatlich an Gebühren. „Uns haben einige erboste Eltern kontaktiert“, sagt Voß. Rathausmitarbeiter seien mitunter verbal „deutlich in die Verantwortung genommen“ worden.
Großhansdorfer CDU und SPD fürchten finanzielle Risiken
Voß: „Ich weise darauf hin, dass die Gebührenerstattung keine Angelegenheit ist, die der Bürgermeister einfach so entscheiden kann, das ist Aufgabe der Politik.“ Voß betont: „Das Gebührenrecht lässt es ausdrücklich zu, die Beiträge auch zu erheben, wenn vorübergehend keine Gegenleistung erbracht wird.“ Dies sei im öffentlich-rechtlichen Bereich anders als bei Privatverträgen. Zunächst soll es nun eine Einzelfallprüfung geben, mit der Möglichkeit, die Gebühren zu stunden, wenn ein Härtefall vorliegt.
Die Fraktionen von SPD und CDU stehen einer Aussetzung skeptisch gegenüber. Sie befürchten, dass die Gemeinde auf einem Teil der Kosten sitzen bleibt. SPD-Fraktionschef Reinhard Niegengerd: „Wir glauben, dass – zumal jetzt auch die OGS-Beiträge aus dem Topf erstattet werden sollen – die 50 Millionen nicht reichen und die Gemeinde die Differenz tragen muss.“ Die Kita-Gebühren in den Kommunen des Hamburger Umlands seien höher als im restlichen Land. Die April-Beiträge seien bereits eingezogen worden. Niegengerd: „Wenn die Kitas auch im Mai zu bleiben, können wir neu überlegen.“
Inzwischen zeigt sich die CDU kompromissbereit
Auch die CDU warnt davor, sich zu früh zu verpflichten. „Schon jetzt gibt es Anträge auf Stundung der Gewerbesteuer infolge der Coronakrise, die Gemeinde wird weniger Einnahmen zur Verfügung haben“, warnt Christoph Maas (CDU). Er betont: Auch andere soziale Gruppen und Vereine bitten um Unterstützung. Wir dürfen nicht dem nachgeben, der am lautesten schreit.“
Inzwischen zeigt sich die CDU kompromissbereit. Maas: „Aus Kiel wurde uns signalisiert, dass eine Aufstockung des Hilfsetats möglich ist, sollte er nicht genügen.“ Montag möchten die Christdemokraten mit allen Fraktionen und Elternvertretern eine Lösung erarbeiten. Maas und Niegengerd betonen, dass jeder Euro, den Großhansdorf vom Land erhält, an die Eltern gehe.
Bürgermeister Voß möchte sich Vorgehen bestätigen lassen
Unverständnis bei der FDP. „Unser Sonderweg hat Signalwirkung, dass wir der Regierung nicht zutrauen, ihrem Versprechen nachzukommen“, kritisiert Carsten Pieck. Im Landtag habe Konsens geherrscht, dass Eltern entlastet werden sollen. Die Einzelfallprüfung bedeute für die Gemeindeverwaltung einen „nicht zumutbaren Mehraufwand“. Uneins sind die Grünen. Stefan Kehl: „Die Fraktion war in dieser Frage gespalten, ich halte eine Aussetzung für richtig.“ Bürgermeister Voß möchte sich das Vorgehen jetzt von der Gemeindevertretung formal bestätigen lassen, sagt: „Am 14. April wird es eine Sondersitzung geben.“
Jennifer Kersting genügt das nicht. Sie sagt zum Abendblatt: „Für Eltern in finanzieller Not ist das zu spät. Unter schneller, unbürokratischer Hilfe verstehe ich etwas Anderes.“