Reinbek. Hans-Jürgen Kiene (83) ist ein Spätstarter mit feiner Feder. Das Schreiben ist sein Hobby. In Stormarn lebt er seit vielen Jahrzehnten.
Sie sind zwar glücklich verheiratet, aber nach 55 Ehejahren war es soweit: Vor Kurzem ist Hans-Jürgen Kiene (83) aus dem gemeinsamen Schlafzimmer vorübergehend ausgezogen und hat sich im Erdgeschoss seines Hauses eingerichtet, weil er schnarcht und seine Frau Elke (76) nicht stören will. Dieser Umstand kommt dem Reinbeker nicht ungelegen. Der Senior verfasst Bücher und hat nachts die besten Ideen. Dann steht er auf, setzt sich an den Computer und schreibt diese auf. In den vergangenen Monaten war das ziemlich oft der Fall. Anfang März ist sein neues Werk erschienen mit dem Titel „Umwelt- und Lebenserhalt auf unserer Erde“. Es umfasst 371 Seiten – und ist nicht das erste Buch des Spätstarters mit der feinen Feder, der als Mittvierziger mit dem Schreiben begann.
Als Architekt sind die Dienste von Kiene oft gefragt
„Ich war als Schüler im Fach Deutsch einer der besseren in der Klasse mit der Note zwei. Allerdings hatte ich nie den Drang, lange Texte zu verfassen und schon früh einen ganz anderen Weg ins Berufsleben geplant“, sagt Kiene.
In Hamburg-Fuhlsbüttel aufgewachsen, bastelt er als Kind Häuser aus Papier und anderen Materialien. Sport ist nicht sein Ding. Das Gymnasium verlässt er nach der elften Klasse auf Drängen der Mutter, folgt ihrem Rat und macht eine Maurerlehre. Sein Vater war früh gestorben. „Und der Schulbesuch hat nicht wenig Geld gekostet“, so Kiene. In dem Job arbeitet er nur zwölf Monate, geht dann zur Fachhochschule und wird Diplom-Ingenieur.
Als Architekt sind seine Dienste gefragt. Er entwirft Häuser in zahlreichen Varianten, gestaltet Einzelhaussiedlungen in Hamburg und Schleswig-Holstein mit bis zu 30 Gebäuden. „Unter anderem habe ich das DRK-Haus in Wandsbek umgebaut“, erzählt der Reinbeker. „Mit den Leuten bei den Behörden kam ich immer gut klar.“ Mit seiner Gattin zieht er nach Stormarn, wird 1970 parteiloser Bürgermeister von Hamfelde. Kiene erinnert sich gern an diese Zeit zurück, sagt: „Damals wurde die Gemeinde schuldenfrei, außerdem habe ich das Dorffest eingeführt.“
Am neuen Werk arbeitete der Autor eineinhalb Jahre
Um dichter an Hamburg zu wohnen, siedelt das Paar 1978 nach Glinde um. In der Politik engagiert er sich fortan nicht mehr. „Dazu fehlte einfach die Zeit“, sagt Kiene. Weil der Mann mit den vielen Talenten seinen Hang zum Schreiben entdeckt und eine Ausbildung zum Heilpraktiker macht. Die Prüfung legt er nicht ab. „Mir ging es schließlich um die Inhalte und darum, einiges mitzunehmen.“ Seine Frau, die ihren Job als Lehrerin aufgegeben hatte, gründet einen Verlag. Über diesen veröffentlicht der Hobbyautor erste Bücher: zum Beispiel einen Ratgeber mit dem Titel „Schutz vor Krankheit“ und einen Stadtführer über Hamburg, der sogar im Rathaus der Hansestadt präsentiert wurde.
Bilder von dieser Veranstaltung hängen eingerahmt in Kienes Arbeitszimmer. Dort ist auch eine Glasvitrine mit seinen Werken positioniert. Es sind ein halbes Dutzend, in einem geht es auch um gesundes Wohnen – dazu Literatur über den Komponisten Johannes Brahms, die der Familienverlag veröffentlicht hat. In dem rund 18 Quadratmeter großen Raum mit braunen Bodenfliesen steht eine Ledercouch für zwei Personen, gegenüber davon befindet sich ein Sessel, auf dem kleinen Tisch ein Bildschirm samt Schreibfeld. Die Wände sind mit Fotografien von Häusern geschmückt, die der Architekt entworfen hat. Und mit einer Kohlezeichnung Kienes von einer Lübecker Kirche. Das Ölgemälde im Flur mit Blick von der Lombardsbrücke auf die Alster hat er 1968 kreiert.
Der Rentner bezeichnet sich selbst als Umweltschützer
Nach Reinbek ist das Ehepaar vor 31 Jahren gezogen. Das Haus der Kienes ist ein gemauertes im Fachwerkstil. Sie haben zwei Söhne, einer kümmert sich um den Verlag. Hans-Jürgen Kiene ist keiner, der ein Buch im Schnellverfahren schreibt. „Für das neue Werk habe ich eineinhalb Jahre gebraucht“, sagt der Autor. Maximal drei Stunden am Tag habe er dafür investiert und sich auch mit Umweltschützern ausgetauscht. 23 Kapitel umfasst der Wälzer. Sie sind unter anderem mit den Überschriften „Meere und Flüsse voller Plastik und Müll“, „Biologische Wirkungen des Mobilfunks“ sowie „Greta und die unzureichende Umweltpolitik“ versehen.
Der Rentner bezeichnet sich selbst als Umweltschützer, nutzt das Auto vornehmlich zum Einkaufen. „Und wenn wir Urlaub in Timmendorf machen“, sagt Kiene. Flugreisen seien für ihn kein Thema mehr. Er könne sich vorstellen, ein weiteres Buch zu schreiben. Natürlich würde es darin um Klimaschutz gehen. Konkrete Pläne hat Kiene noch nicht. Auf der letzten Seite der Neuerscheinung beweist er auch Qualitäten als Lyriker. In dem Gedicht heißt es: „Also steht auf und kämpft für das Leben, damit wir alle den Kindern noch was geben: Eine Umwelt, an der sie wieder ihre Freude haben, über die sie ohne Zukunftsangst dann Gutes sagen.“