Bargteheide . Bargteheider Bestsellerautor Jan-Uwe Rogge plädiert für bewusstes Älterwerden und Humor in der Erziehung.

Jan-Uwe Rogge lacht viel, wenn er erzählt. Der Autor aus Bargteheide, einer der erfolgreichsten deutschen Familienberater, hat viel zu erzählen – und zu lachen. „Einer meiner Lehrer hat einmal gesagt, gute Geschichten kann man zehnmal wiederholen“, sagt Rogge. „Sie bleiben gut.“ Und sie machen ihm, den Besuchern seiner Vorträge und Lesern seiner Bücher bei aller Ernsthaftigkeit des Themas gute Laune.

„Humor kommt in der Erziehung häufig zu kurz“, sagt Rogge, dessen Klassiker „Kinder brauchen Grenzen“ sich drei Millionen Mal verkauft hat. Er hält es mit einem Grundsatz des Schweizer Pädagogen Pestalozzi, der vor gut 200 Jahren die ersten Erziehungsratgeber geschrieben habe: „Lache dreimal am Tag mit deinem Kind.“

Seine Bücher gibt es weltweit in 21 Sprachen. Ganz neu ist „Meine kleine Erziehungs-Trickkiste“. Die reicht von Kapiteln wie „Heute ist Neinsage-Tag!“ über „Unser Chaos hat System“ bis zu „Schlaflos im Kinderzimmer“. Der 71-Jährige verspricht Erziehung mit Kopf, Herz und – man ahnt es – Humor. „In vielen Lebensbereichen ist alles so verbissen geworden“, sagt Rogge. Er wolle keine Techniken vorschreiben, was Eltern wie zu machen haben: „Von Oberlehrern haben sie einfach genug.“

Mütter und Väter finden sich in Alltagsgeschichten wieder

Mit seinen unterhaltsam präsentierten Alltagsgeschichten hält Rogge Müttern und Vätern einen Spiegel vor. „In dem können sich die Menschen wiedererkennen – oder eben nicht.“ Das Rad der Pädagogik müsse nicht neu erfunden werden, man brauche auch nicht ständig neue Schlagworte. „Häufig reicht es aus, eine Speiche anders zu justieren.“

Zuhörer und Leser berichteten ihm häufig, dass die Bilder aus seinen Geschichten sie lebenslang begleiten. „Bilder brennen sich im guten Sinne des Wortes ein“, sagt Rogge. Schlagwörter wie „Helikoptereltern“ seien dagegen oberflächlich. Rogge regt lieber mit einem kurzen Satz zum Nachdenken an: „Früher hat man hinter Büschen gespielt, aber heute steckt in jedem Busch eine Mutter.“ Seine Tricks hätten keineswegs zum Ziel, die Kinder hereinzulegen. „Es geht vielmehr ums Zaubern und darum, auch mal etwas Überraschendes zu tun“, sagt Rogge. Er versuche, den Blickwinkel zu verändern und Kinder auch als Lehrmeister zu sehen. Und landet wieder beim Humor: Forscher haben beobachtet, dass Erwachsene zehn- bis 20-mal täglich lachen, Kinder aber 200-mal. „Wenn man richtig lacht, ist man total erschüttert“, sagt Rogge. Das sei positiv: „So entsteht Raum für Neues.“

Mut zur Unperfektheit

Der Experte macht Eltern Mut zu Unperfektheit und mehr Gelassenheit. In Seminaren ernte er auf die Frage, was die Teilnehmer richtig machten, meist langes Schweigen. „Wenn ich wissen will, was falsch läuft, bekomme ich eine viertelstündige Antwort.“ Dabei sei es wichtig, sich auf die Momente der Zufriedenheit zu fokussieren. „Denkt daran, was gut bei euch läuft“, so Rogges Appell. Familien sollten sich nicht dem grassierenden Optimierungswahn unterwerfen. „Vor 40 Jahren sollten Kinder aufräumen, heute müssen sie richtig aufräumen. Damals sollten sie spielen, heute müssen sie schön spielen.“

Ähnlich verhalte es sich mit dem Jugendwahn. „Kinder wollen Halt gebende Persönlichkeiten“, sagt Rogge, „Eltern, die bereit sind, auch älter zu werden.“ Das beinhalte bereits die Wortherkunft. Stattdessen machten immer mehr Erwachsene die Nummer „Young forever“ . „Man darf sich nicht wundern, dass Heranwachsende vor solchen nicht geerdeten Typen keinen Respekt haben“, sagt Jan-Uwe Rogge.

Es sei schrecklich, wenn Mütter die beste Freundin des Kindes sein wollen oder Väter der beste Kumpel. „Ich bringe dann häufig den zugegeben flapsigen Satz: Mit 35 ist Schluss damit, bei H & M einzukaufen, weil es sonst einen Widerspruch gibt zwischen den Falten im Gesicht und der Glätte der Kleidung.“

Erziehung gelingt nur gemeinsam

Man dürfe nicht klagen, dass die Jugend immer schlimmer werde, sondern sollte auch den eigenen Anteil hinterfragen. „Das ist keine Schuldzuweisung“, sagt Rogge. In der Erziehung sei es immer so, dass Kinder 50 Prozent sind und Eltern die anderen 50 Prozent. Viele verwechselten Erziehung allerdings mit Ziehen. Dazu fällt Rogge ein „schönes Bild“ aus der asiatischen Philosophie ein: „Man schaut dem Gras beim Wachsen zu. Und zieht nicht am Halm, damit er schneller wächst.“

Der Bargteheider war vor Kurzem in Innsbruck, um mit Menschen zu arbeiten, die Heranwachsende auf dem Weg in den Beruf begleiten. Das sei eine Herausforderung, da sich viele Möglichkeiten heute noch gar nicht erahnen ließen. „Es geht ums Ermutigen, neugierig zu sein. Den einen oder anderen Pfad zu gehen, der am Anfang vielleicht steinig ist.“ Rogge fasst es so zusammen: „Umwege erweitern immer die Ortskenntnis.“

Warum Umwege die Ortskenntnis erweitern

Das hat er selbst erfahren. Nach dem Abitur ging Rogge zur Marine, war jahrelang als Offizier und nautischer Assistent auf den Meeren unterwegs. Dann entschloss er sich, in Tübingen Germanistik, Politische Wissenschaften und Kulturwissenschaften zu studieren und über Kindermedien zu promovieren. Er leitete Forschungsprojekte, bildete sich zum Familien- und Kommunikationsberater weiter, beriet Fernsehteams wie das der „Sesamstraße“. Und schrieb nicht nur Artikel für Fachzeitschriften, sondern ab 1984 auch Bücher. Die sind so erfolgreich, dass sie ihm den Titel „Erziehungspapst“ einbrachten – was er mit Humor zur Kenntnis nimmt.

Die großen Themen haben sich in den vier Jahrzehnten seiner Tätigkeit nur punktuell verändert. In Seminaren, die Jan-Uwe Rogge von Beginn an meist zusammen mit Ehefrau Regine hält, stellen die Teilnehmer heute ähnliche Fragen wie in der 1980ern. „Im häuslichen Zusammenleben gibt es viele Dinge, die gleich bleiben“, sagt der Experte. „Es geht ums Aufräumen, Schlafengehen, das Essverhalten, um Achtung, Respekt und Zuwendung.“

Er geht erneut zum Schweizer Philosophen Pestalozzi zurück: „Der hat sich Gedanken gemacht, dass die Kinder zu viel lesen. Es gab eine richtige Lesesucht-Debatte.“ In den 1970er-Jahren waren die zentralen Fragen beim Fernsehen: Wie lange und was? Heute heißt es beim Computer und Internet: Wie lange und was? „Es wiederholt sich alles, aber unter veränderten Prägungen.“

Dass ihm junge Mütter und Väter heute ähnliche Fragen stellen wie ihre Elterngeneration vor 30 bis 40 Jahren, findet Jan-Uwe Rogge trotzdem spannend. Er freut sich, wenn Seminarbesucher ihm verraten, dass deren Mütter schon bei ihm gewesen sind. „Die Arbeit macht mir nach wie vor Spaß“, sagt der 71-Jährige. Stolz berichtet er von einem Kollegen, der ihm mal bestätigt habe, er vermittele Wissenschaft auf eine unterhaltsame und absolut seriöse Weise.

Vortrag im Kleinen in Vorbereitung

„Solange ich gesund bleibe und Freude habe, mache ich das weiter“, sagt Jan-Uwe Rogge. In seinem Alter lasse er es aber etwas ruhiger angehen. So verbindet er die Vortragsreisen, die ihn häufig nach Bayern, Österreich und Südtirol führen, mit einigen Urlaubstagen. Zwischendurch hält er sich auch mal drei, vier Wochen zu Hause frei. „Dann kaufe ich auf dem Markt ein, koche, gehe ins Café, lese in Ruhe Zeitungen und treffe ganz viele Leute“, sagt Rogge. Zu diesen Bekannten zählen aus seiner Zeit als Fraktionschef der Wählergemeinschaft auch die ehemaligen Bürgermeister Frank Pries, Werner Mitsch und Henning Görtz sowie der frühere Landesfinanzminister Rainer Wiegard.

Ein weiterer Termin in seiner Heimatstadt ist für August geplant. Wie in früheren Zeiten will Rogge sein neues Buch im Kleinen Theater präsentieren. „Das liegt mir wirklich sehr am Herzen, weil es etwas Besonderes ist“, sagt er. Ein Vortrag in der Trittauer Wassermühle ist ebenfalls in Vorbereitung. In einem Newsletter und einem Blog auf seiner Internetseite schreibt er zudem regelmäßig über aktuelle Erziehungsthemen. Ein ganz neues Projekt startet voraussichtlich im Juli: ein wöchentlicher Live-
Stream. „Dann werde ich eine Stunde lang vor der Kamera ein Thema kurz vorstellen und dazu Fragen beantworten.“ Und sicher auch unterhaltsame Geschichten erzählen.

Neu: „Meine kleine Erziehungs-Trickkiste“

Jan-Uwe Rogge ist mit Büchern wie „Kinder brauchen Grenzen“, „Pubertät – Loslassen und Haltgeben“ und „Warum Raben die besseren Eltern sind“ bekannt geworden. Er bietet im deutschsprachigen Raum Seminare für Eltern und Fachpersonal an, hält Vorträge. Mit Ehefrau Regine lebt er in Bargteheide. „Meine kleine Erziehungstrickkiste“ ist im Gräfe und Unzer Verlag erschienen (ISBN 978-3-8338-6836-8) und kostet 12,99 Euro. Aktuelle Termine, aber auch ein Blog und Tipps sind auf www.jan-uwe-rogge.de zu finden.

Früher hat man hinterBüschen gespielt, aberheute steckt in jedemBusch eine Mutter