Bargteheide. Ministerpräsident sorgt sich beim Besuch in Bargteheide um Zustand seiner Partei und zunehmenden Egoismus.

Daniel Günther ist dieser Tage ein gefragter Mann. Am Mittwochabend stand der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein noch ZDF-Talker Markus Lanz Rede und Antwort. Nur 24 Stunden später hatte er sich bei seinen CDU-Parteifreunden in Bargteheide für eine „Halbzeitbilanz“ seiner Kieler Jamaika-Koalition angesagt.

Mehr als 120 Gäste lauschten dem Ministerpräsidenten während seines Besuchs im Jagdschloss Malepartus.
Mehr als 120 Gäste lauschten dem Ministerpräsidenten während seines Besuchs im Jagdschloss Malepartus. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Nein, es sei keine Ente, Landesvater Daniel Günther mache auf seiner Tour durch den Süden des Landes tatsächlich Station im Jagdschloss Malepartus, bemühte sich der CDU-Landtagsabgeordnete Claus Christian Claussen um eine lockere Anmoderation zur Begrüßung. Günther nahm den Ball sogleich auf und ließ die mehr als 120 Zuhören wissen, dass er sich nun zum wiederholten Male mit der Aussicht auf den Genuss des schmackhaften Federviehs nach Bargteheide habe locken lassen, offenbar aber wieder enttäuscht werde. Im Vorjahr sei das Restaurant überbucht gewesen, diesmal stünden wenigstens leckere Kanapees bereit. „2021 muss die Ente aber gesetzt sein, sonst mache ich um Stormarn einen großen Bogen“, drohte der 46-Jährige mit breitem Grinsen.

Kritik an Politikstil von Donald Trump und Agieren der EU

Es ist dieses Lausbubenhafte und Authentische, das dem unverbraucht wirkenden Christdemokrat auch außerhalb seiner in Aufruhr befindlichen Partei aktuell viele Pluspunkte beschert. Was er über das Desaster von Thüringen gesagt hat, dürfte nicht jedem der CDU-Granden in Berlin geschmeckt haben. Das hält Günther aber nicht davon ab, weiter für eine pragmatische Politik über Parteigrenzen hinweg zu werben, die nicht an überholten Dogmen festhält, sondern lösungsorientiert agiert, ohne dabei die eigene Programmatik über Bord zu werfen.

„Mich treibt große Sorge um, wie sich die CDU, die Gesellschaft insgesamt, aber auch die Welt verändert“, sagte Günther. Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und die Bereitschaft zu Kompromissen kämen zunehmend abhanden. Stattdessen dominierten Egoismus, Protektionismus und die Überbetonung nationaler Interessen. Als Beispiele führte er den Politikstil des US-Präsidenten Donald Trump an, ebenso wie das Agieren der Europäischen Union und den Brexit.

Die SPD darf kein Vorbild für die CDU sein

Günther konstatierte zudem eine dramatische Erosion der Volksparteien. So stecke die SPD mitten in einem „Prozess der Selbstauflösung“. Deshalb habe die Union umso mehr die Verpflichtung, eine Partei des Volkes zu bleiben. „Wenn wir die eigenen Wurzeln in gleicher Weise verleugnen wie die SPD, könnte uns das gleiche Schicksal ereilen“, mahnte der Ministerpräsident.

In diesem Licht müsse auch die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden betrachtet werden. Günther machte keinen Hehl daraus, dass er Armin Laschet für jenen Kandidaten hält, der die verschiedenen Flügel, die gesamte Bandbreite der Partei am besten repräsentiere und zusammenbringen könne. Doch auch Friedrich Merz solle sich mit seiner Wirtschaftskompetenz unbedingt einbringen. Jens Spahn zollte er ausdrücklich Respekt dafür, die eigenen Interessen und Ambitionen zugunsten einer mehrheitstauglichen Lösung zurückgestellt zu haben.

Koalition hat „jede Menge PS in die Spur gebracht“

Daniel Günther (M.) im Gespräch mit den CDU-Landtagsabgeordneten Claus Christian Claussen (l.) und Fraktionschef Tobias Koch.
Daniel Günther (M.) im Gespräch mit den CDU-Landtagsabgeordneten Claus Christian Claussen (l.) und Fraktionschef Tobias Koch. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Rein strategisch gesehen, sei es nicht gerade der günstigste Zeitpunkt, das Rennen um den Parteivorsitz jetzt zu eröffnen. Andererseits komme die Partei gar nicht umhin, diese wichtige Personalfrage möglichst bald zu klären. „Nichts ist schlimmer als ein Führungsvakuum, wie sich aktuell gerade erst in Thüringen zeigt“, so Günther.

Für die Bürger im Lande sei indes viel wichtiger, dass die vielfältigen Probleme unserer Zeit gelöst würden, von einer auskömmlichen Rente über den Schutz des Klimas und den Pflegenotstand bis zum Fachkräftemangel. In vielen dieser Aktionsfelder habe die Jamaika-Koalition „jede Menge PS in die Spur“ gebracht: Bei der Umwandlung von G8 auf G9 an den Gymnasien, bei Investitionen in die Landesstraßen, beim Aufstocken von Stellen in den Polizeirevieren, bei der besseren finanziellen Ausstattung von Kitas, bei der Ausweitung der Pflegeausbildung.

Verfahren in Deutschland müssen gestrafft werden

Um dem Mangel in diesem Bereich wirksam zu begegnen, brauche es neben besseren Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten auch den Zuzug von motivierten Migranten. Deshalb sei es dringend notwendig, die rechtlichen Voraussetzungen zu klären. Wie überhaupt die Verfahren in Deutschland erheblich gestrafft werden müssten, insbesondere bei wichtigen Bau- und Infrastrukturmaßnahmen. „Es kann doch nicht sein, dass etwa die Genehmigung zur Elbvertiefung 16 Jahre dauert“, so Daniel Günther.

Gewählte Landesregierungen sollten die Chance haben, ihre Wahlversprechen innerhalb einer Wahlperiode auch umsetzen zu können. Wenn das nicht möglich sei, stärke das die Politikverdrossenheit und koste Vertrauen in die gewählten Volksvertreter.