Oststeinbek. Bankgeheimnisse: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Hans-Joachim Vorbeck.

Andere in seinem Alter verbringen den Winter als Urlauber auf Gran Canaria oder machen ausgedehnte und mitunter wochenlange Reisen zu anderen Orten der Welt, wo die Sonne scheint. Finanziell wäre das für Hans-Joachim Vorbeck kein Problem. Als Sparkassen-Direktor hat der 73-Jährige gut verdient. „Ich bin aber kein Weltenbummler und sehr heimatverbunden“, sagt der Rentner. Es gibt noch einen weiteren Grund, der solche Trips derzeit unmöglich macht: Ihm fehlt schlichtweg die Zeit ob seiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Denn seit dem 28. Januar ist der CDU-Politiker Oststeinbeks Bürgervorsteher – ein Amt, das viel Präsenz vor Ort verlangt. Der frühere Banker scheint wie geschaffen dafür. So sehen es jedenfalls die Gemeindevertreter, die einstimmig für ihn votierten.

Entwicklung seiner Fraktion mache ihm Sorgen

Eine Neubesetzung wurde notwendig, weil sich Vorgänger Hendrik Maier mitten in der Legislaturperiode zurückzog. Er will mehr für seine Familie und insbesondere die zwei kleinen Kinder da sein. Insofern kam Vorbeck unverhofft zu dem Posten, den er anders ausfüllen will wie sein Parteikollege. „Ich werde alles daran setzen, gerade die Neubürger der vergangenen zehn bis 15 Jahre für ehrenamtliche Tätigkeiten im Ort zu gewinnen.“ Er nennt dabei die Kulturstiftung, das Deutsche Rote Kreuz, aber auch Parteien. Seine CDU-Fraktion sei von 22 auf 15 Köpfe geschrumpft. Die Entwicklung mache ihm Sorgen. Von Menschen, die in der Feuerwehr organisiert sind, hat der Bürgervorsteher höchsten Respekt. Es ist ihm ein Anliegen, deren Bedeutung besonders hervorzuheben. „Sie riskieren ihr Leben bei Einsätzen.“

Was ihn außerdem beschäftigt, ist die Kinderarmut. Vorbeck plant einen Runden Tisch mit Vertretern der Feuerwehr, des Jugendzentrums und Oststeinbeker SV sowie Lehrkräften der Grundschule. Er sagt: „Ich möchte, dass es für Bedürftige unentgeltliche Leistungen gibt wie zum Beispiel Sportkleidung.“ Ein weiteres Vorhaben: Viertklässler sollen wieder ins Rathaus geladen werden, um den Jungen und Mädchen die Arbeit der Verwaltung näherzubringen.

Das Rathaus verbindet er mit positiven Erinnerungen

Vorbeck genießt die Freiheit in seinem Amt. „Ich kann Dinge allein entscheiden, bespreche mich aber mit dem Bürgermeister.“ Vorher war der Politiker in seiner Funktion als CDU-Fraktionsvorsitzender laut eigener Aussage Antreiber und Getriebener zugleich. „Es war nicht immer einfach, denn es gab bei Themen auch andere Sichtweisen als meine und heftige Diskussionen.“ Es sei jedoch wichtig, die Meinungen der anderen zu akzeptieren. Vorbeck plaudert entspannt über die Vergangenheit, während er auf seiner Lieblingsbank an der Boulebahn nahe dem Kratzmannschen Hof im Zentrum der Gemeinde sitzt. Der Ort des Treffens ist bewusst gewählt und verbunden mit einer politischen Niederlage. Der Christdemokrat mit Parteibuch seit 1976 hätte den Bereich samt Rathausparkplatz gerne umgestaltet, dort Seniorenwohnungen gesehen. Dafür gab es allerdings keine Mehrheit.

Außerdem ist das Rathaus von hier in Sichtweite. Dieses verbindet er mit positiven Erinnerungen. Es gab eine Zeit, in der er sich als Interims-Bürgermeister um Oststeinbek verdient machte. Das war im Dezember 2012, nachdem die hauptamtliche Verwaltungschefin Martina Denecke suspendiert wurde. Sie hatte sich mit der Politik und Mitarbeitern überworfen. Der Christdemokrat leitete die Amtsgeschäfte mehr als ein Jahr ehrenamtlich, brachte wieder Ruhe ins Rathaus. „Das war die spannendste und interessanteste Zeit“, sagt Vorbeck, der neue Strukturen in der Verwaltung festlegte, Fachbereitsleiter zum Essen einlud, um sein Vorgehen abzusprechen und sich Rückendeckung zu holen.

Der gebürtige Hamburger ist seit 1971 verheiratet

Unter anderem führte er das Scheunenfest ein, zu dem Rathausmitarbeiter und Politiker geladen sind zwecks Kennenlernen und Meinungsaustausch – also eine Art vertrauensbildende Maßnahme. Dass sein Wirken nachhaltig war und das Handeln auf Gegenliebe stieß, da ist sich Vorbeck sicher und erzählt von einer CD als Abschiedsgeschenk: „Die Mitarbeiter haben gefilmt und Aussagen zu meiner Person gemacht, alles ist von Musik untermalt. Das hat mich sehr berührt.“

Der gebürtige Hamburger ist seit 1971 verheiratet. 1976 zieht er mit Ehefrau Renate (72) von Ellerau nach Oststeinbek. Sie kaufen sich einen Bungalow, Sohn Christoph kommt zur Welt. Der 39-Jährige arbeitet auch bei einer Bank in der Funktion eines Beraters. Das Ehrenamt wird in der Familie groß geschrieben. Hans-Joachim Vorbeck sagt, die Kommunalpolitik sei sein einziges Hobby. Seine Gattin gründete die Kinderkrebshilfe Oststeinbek und ist Vorsitzende der Bürgerstiftung. Anderen helfen und gestalten – das leben die Vorbecks vor.

Wegziehen wollen sie hier nicht mehr, egal was passiert. „Auch wenn ich allein sein sollte, bleibe ich im Ort“, so Oststeinbeks Bürgervorsteher. Er hat sich intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt, schon den Anzeigentext formuliert. Welche Zeile eine Zeitung über ihn kreieren sollte für den Fall des Ablebens? Vorbeck kneift die Augen zusammen, überlegt fünf Sekunden und formuliert ganz nüchtern: „Sein Herz schlug für Oststeinbek und seine Bürger.“ Die Musik für die Trauerfeier hat er auch schon ausgewählt: eine Arie aus der Oper La Traviata von Giuseppe Verdi.

In den Urlaub geht es mit dem ICE Richtung Süddeutschland

„Für mich ist aber noch lange nicht Schluss“, sagt Vorbeck, „laut meinem Arzt kann ich 100 Jahre alt werden.“ Bei der Kommunalwahl 2023 möchte er gerne wieder antreten. Bis dahin ist er auch Bürgervorsteher. Inzwischen macht der Politiker wieder Gymnastik beim OSV und hält sich körperlich fit. Fünf Kilo hat er abgespeckt, fühlt sich jetzt besser.

Dass er ausschließlich die Politik als Hobby angibt, liegt womöglich in seiner Erziehung begründet. Als Jugendlicher spielte er Handball in der Schleswig-Holstein-Auswahl. „Mein Vater hat aber nicht zugelassen, dass ich am Wochenende immer mit der Mannschaft unterwegs war. Stattdessen ging es mit der Familie in die Lüneburger Heide.“ Deswegen verabschiedete er sich vom Sport.

Sprechstunden will er auf Nachfrage anbieten

Wenn Hans-Joachim Vorbeck mal nicht für die Gemeinde im Einsatz ist, schaut er sich auf YouTube politische Debatten aus den Zeiten mit Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl an oder Filme wie den „Schuh des Manitu“ von Michael „Bully“ Herbig. Passagen kennt er schon auswendig, „denn ich bin Wiederholungstäter, habe den Streifen schon Dutzende Male gesehen“. Wenn er mit seiner Frau urlaubt, dann vornehmlich am Schluchsee im Naturpark Südschwarzwald. Die Strecke legt er mit dem ICE zurück und macht damit genau jenes, was Klimaschützer fordern: bei solchen Reisen auf das Auto zu verzichten.

Ein eigenes Büro im Rathaus hat Oststeinbeks neuer Bürgervorsteher nicht. Sprechstunden will er auf Nachfrage anbieten und das Bürgermeisterzimmer von Jürgen Hettwer nutzen, wenn dieser auf Terminen ist. 20 Jubiläen wie zum Beispiel Geburtstage von Senioren hat Hans-Joachim Vorbeck bis Ende März auf dem Programm, dazu kommen Gespräche mit Verbänden und Vereinen sowie Sitzungen in der Fraktion und politische Ausschüsse. Für sein Engagement als Bürgervorsteher bekommt Vorbeck 372 Euro im Monat, muss die Summe allerdings noch versteuern. Den Satz hat das Innenministerium empfohlen.