Ahrensburg. Stadtverwaltung plant Foren. Einwohner sollen Missstände benennen und Lösungsvorschläge entwickeln. Stadtteile werden analysiert.

Die Stadt Ahrensburg geht bei der Inklusion neue Wege. Sie will ein barrierefreies Lebensumfeld für alle Bevölkerungsgruppen schaffen – und zwar mithilfe der Bürger. Diese sollen gemeinsam mit Experten Missstände aufdecken und Lösungsideen entwickeln, zum Beispiel für die Bereiche Mobilität, Wohnraum, Nahversorgung, Pflege, Kinderbetreuung und Bildung.

Alternative Mobilitätsangebote sollen helfen

Neue Angebote wie der Fahrdienst Ioki könnten helfen, alle Ahrensburger mobil zu halten.
Neue Angebote wie der Fahrdienst Ioki könnten helfen, alle Ahrensburger mobil zu halten. © Faruk Hosseini

„Wir wollen, dass sich die Bürger einbringen und engagieren, um gemeinsam etwas für Ahrensburg zu erreichen“, sagt Fabian Dorow, der das Projekt im Rathaus verantwortet. Den Startschuss soll eine Auftaktveranstaltung im März geben. Dort werden die Teilnehmer über die Themen beraten und die Reihenfolge festlegen, in der sie bearbeitet werden. Anschließend sind zu jedem Komplex öffentliche Foren geplant, an denen auch Vertreter der Beiräte, Vereine, Verbände und Institutionen teilnehmen. „Das soll keine Meckerecke werden“, sagt der 51-Jährige. Es gehe vielmehr um konstruktive Vorschläge, wie sich Barrieren aus dem Weg räumen ließen.

Ein Beispiel ist die Nahversorgung. „Die Supermärkte haben sich aus den Stadtteilen zurückgezogen“, sagt Dorow. Wenn sich ein älterer Mensch nun dazu entscheide, seinen Führerschein abzugeben, stehe er möglicherweise vor Problemen beim Einkaufen. Alternative Mobilitätsangebote könnten in dem Fall helfen, aber auch ein Ausbau des Lieferservices oder einfach nur ein besseres Beratungsangebot. „Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche Möglichkeiten es alles gibt“, sagt Dorow.

Behindertenbeirat kritisiert die Situation am Bahnhof

Schon heute seien 35 Prozent der Einwohner Ahrensburgs älter als 60 Jahre. „In Zukunft wird der Anteil weiter steigen.“ Das gesellschaftliche Leben soll aber nicht nur für Ältere verbessert werden, sondern für alle Bevölkerungsgruppen. So haben es der Senioren- und der Behindertenbeirat angeregt.

„Barrierefreiheit ist nicht nur für Rollstuhlfahrer ein Thema, sondern davon profitieren alle Menschen. Das ist unsere Botschaft“, sagt Gerhard Bartel, Vorsitzender des Behindertenbeirats. Auf der Prioritätenliste ganz oben stehe für ihn der Regionalbahnhof. Der sei zwar barrierefrei erreichbar, „aber nur für Bürger, die sich auskennen“, so Bartel. Wer aus Richtung Stormarnstraße auf das Bahnhofsgebäude zugehe, stoße auf Treppen. Ein gut sichtbarer Hinweis zu den Rampen fehle, kritisiert Bartel.

Politiker beraten über Verbesserungsvorschläge

Auch der Zugang zur Apotheke an der Klaus-Groth-Straße/Ecke Rathausplatz sei „eine Katastrophe“, sagt Bartel. „Über die Treppe sind auch schon junge Menschen gestolpert, weil ein Kontrast zum Gehweg fehlt.“ Das Thema Bänke sei ebenfalls sehr wichtig. Zwischen Bahnhof und Schloss müsse es in regelmäßigen Abständen Sitzmöglichkeiten geben, fordert er. „Sonst schließen wir bestimmte Bevölkerungsgruppen aus.“

Die Verbesserungsvorschläge aus den Foren sollen in die politischen Gremien zur Beratung gegeben werden. „Das ist eine komplett neue Sache“, sagt Dorow. „Wir haben keine Erfahrungswerte und wissen daher auch nicht, wo wir letztlich landen werden.“ Ein externes Büro soll den Prozess begleiten.

Für jeden Stadtteil sind auch Begehungen vorgesehen

Am Ahrensburger Regionalbahnhof fehlt ein sichtbarer Hinweis auf die Rampen neben den Treppen.
Am Ahrensburger Regionalbahnhof fehlt ein sichtbarer Hinweis auf die Rampen neben den Treppen. © Deutsche Bahn

Parallel zu den Bürgerforen ist eine Analyse vor Ort geplant. Dafür wurde die Stadt in neun Sozialräume aufgeteilt: Gewerbegebiet Nord, Innenstadt, Hagen/Forsthof, Wulfsdorf, Ahrensburg-West, Steinkamp, Erlenhof, Ahrensfelde und Gartenholz. „Die Gebiete entwickeln sich ganz unterschiedlich“, sagt Dorow. Einige seien überaltert, in anderen wohnten besonders viele Familien mit Kindern. „Entsprechend bestehen dort ganz individuelle Bedürfnisse.“

Die Menschen in den Quartieren sollen in den Prozess miteinbezogen werden. Dafür sind „offene Abende“ geplant. Bei den Veranstaltungen werden Bedarfe ermittelt und Lösungsansätze entwickelt. Wo gibt es Probleme? Wie kann die Situation verbessert werden? Was funktioniert bereits gut? Auch die künftige demografische Entwicklung werde berücksichtigt, sagt Dorow. Wo zeichnet sich in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel ab? Müssen in einem Quartier mehr Pflegeeinrichtungen oder Kitas errichtet werden?

Demokratische Kompetenz der Bürger soll gestärkt werden

Das erste Forum soll im zweiten Quartal starten. Die Veranstaltungen sind künftig mindestens einmal pro Quartal geplant, ergänzt werden sie durch Begehungen. Der Stadtteil Wulfsdorf wurde bereits begutachtet. Mehrfach hatten Anwohner zuvor in den politischen Ausschüssen Missstände beklagt, etwa den unbefestigten Gehweg am Bornkampsweg und fehlende Bordsteinabsenkungen. Die Straße wird nun inklusionsgerecht umgebaut, um die Situation auch für die 36 Menschen mit Behinderungen zu verbessern, die in den dortigen Wohngebieten Allmende und Wilde Rosen leben.

Die Stadtverwaltung hofft, durch das Beteiligungsverfahren mehr Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern, sie für ein längerfristiges Engagement in einem der vielen Ahrensburger Vereine und Verbände zu gewinnen. Zudem will sie die Idee des Mehrgenerationenwohnens wieder ins Bewusstsein der Ahrensburger bringen. Dorow: „Es wäre toll, wenn die Menschen einander stärker mit Nachbarschaftshilfe unterstützten.“

Auch soll die demokratische Kompetenz der Bürger gestärkt und der Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden. „Wir wollen bei den Bürgern zum Beispiel das Verständnis schaffen, warum einige Wünsche vielleicht nicht umsetzbar sind“, sagt Dorow. Generell sei der Inklusionsplan als dauerhafter Prozess gedacht. Früher seien für die Themen dicke Pläne geschrieben worden, die dann irgendwann in einer Schublade verschwunden seien. Das neue Konzept solle nachhaltiger sein und wirklich etwas bewirken.

Stadt mit Barrieren: Wo hakt’s aus Ihrer Sicht?

Sie sind Mutter und wissen oft nicht, wie sie Ihren Kinderwagen in Ahrensburg die Treppen hochbekommen sollen? Sie sind ein Mensch mit Behinderung und ärgern sich wieder und wieder über fehlende Fahrstühle? Sie sind Senior, nutzen einen Rollator und sind genervt über unebene Gehwege in der Stadt? Sie sind oft mit dem Rad unterwegs und stören sich an schlechten Radwegen? Oder schlicht Fußgänger, der schon in die eine oder andere Stolperfalle getappt ist? Wo gibt es aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf? Schreiben Sie an die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn, Große Straße 11-13, 22926 Ahrensburg oder per E-Mail an stormarn@abendblatt.de. Wir freuen uns auf Ihre Meinung zu diesem Thema.