Ahrensburg/Bad Oldesloe. Stormarner verursachen jährlich 7000 Tonnen Plastikmüll. Beutelbäume, Mehrwegnetze und ein Online-Blog sollen Kunststoffflut stoppen.

6850 Tonnen Plastikmüll fallen jedes Jahr nach Angaben der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) in Stormarn an. Jeder Deutsche verursacht laut Verbraucherzentrale rund 220 Kilogramm Verpackungsmüll im Jahr. Zu viel, kritisieren Umweltschützer und schlagen Alarm. Vor einem „dramatisch wachsenden Risiko“ warnt der BUND in Schleswig-Holstein. „Plastik stellt als Müllmenge an Land und vor allem in den Weltmeeren eine zunehmende Gefahr dar“, so die Umweltorganisation.

Die Naturschützer appellieren an Hersteller und Verbraucher: „Die immense Plastikflut muss aufgehalten werden!“ Hersteller sollten zudem stärker in die Pflicht genommen werden, die Plastikproduktion zu senken. Doch auch Ansätze im Kleinen seien ein wertvoller Beitrag, betont Rolf Buschmann, Referent für den Technischen Umweltschutz beim BUND. „Jeder kann etwas gegen den Plastikverbbrauch unternehmen“, sagt der Experte. Das Abendblatt stellt sechs Konzepte vor, die in Stormarn bereits umgesetzt wurden.

Mikroplastik landet in unserer Nahrung


85 Millionen Tonnen Plastikmüll sind bisher weltweit ins Meer gelangt. Kunststoffe sind leicht, flexibel und stabil. Das macht Plastik zum praktischen Werkstoff, aber gleichzeitig auch zu einer Gefahr. Die gute chemische Haltbarkeit der synthetischen Kohlenstoffverbindungen führt dazu, dass es schwer biologisch abbaubar ist.


Auf zehn bis 20 Jahre beziffert die Verbraucherzentrale den Zeitraum, den das Meer benötigt, um einen Plastikbeutel zu zersetzen. Eine Kunststoffflasche benötigt 450 Jahre, und selbst dann zerfallen die Stoffe nicht vollständig. Kleinste Partikel, Mikroplastik genannt, bleiben übrig. Diese gelangen in den Nahrungskreislauf.


Tiere nehmen sie unbemerkt auf, beim Verzehr des Fleischs durch den Menschen oder über das Trinkwasser gelangen sie in unseren Körper. Der Mensch nimmt laut Studie des BUND jede Woche eine Plastikmenge zu sich, die einer Kreditkarte entspricht. Die gesundheitlichen Folgen sind unklar.

1/3

An Beutelbäumen gibt es Tragetaschen zum Ausleihen

Seit Herbst 2018 bieten die Filialen der Drogeriemarkt-Kette Budnikowsky in Ahrensburg ein Verleihsystem für Stoffbeutel als Alternative zur Plastiktüte an. Die Idee für die „Beutelbäume“ stammt von den Schülern des Geografie-Profils des Ahrensburger Eric-Kandel-Gymnasiums. Im Unterricht gestalteten die Jugendlichen Äste, die sie mit Jute-Beutels behängt in den Geschäften aufstellten. Das Konzept ist simpel: „Jeder kann sich für den Einkauf kostenfrei einen Beutel mitnehmen und beim nächsten Mal wieder zurückhängen“, erklärt Lehrerin Nina Buttler, die das Projekt initiierte.

Das Modell hat sich inzwischen zu einem echten Exportschlager entwickelt. Linda Witte vom Arbeitskreis „Plastikfreies Reinfeld“, in dem sich Bürger, Politiker und Händler organisiert haben, um den Plastikverbrauch einzudämmen, stieß auf das Projekt der Ahrensburger. Sie möchte die Idee auch in der Karpfenstadt umsetzen. „Ab Mitte August sollen in vier Reinfelder Geschäften Beutelbäume stehen“, kündigt sie gegenüber dem Abendblatt an. „Hergestellt wurden sie vom Technikkurs des neunten Jahrgangs der Immanuel-Kant-Schule“, sagt Witte. Zuvor hatten Mitglieder des Arbeitskreises einen Projekttag zum Thema Nachhaltigkeit in der Schule veranstaltet. „Das Interesse war groß, von den Schülern wurden viele Ideen eingebracht“, freut sich Lehrer Albrecht Werner sich.

Karin Hoffmann hat auf dem Oldesloer Wochenmarkt eine Tauschbörse für Jute-Beutel eingerichtet.
Karin Hoffmann hat auf dem Oldesloer Wochenmarkt eine Tauschbörse für Jute-Beutel eingerichtet. © Karin Hoffmann

Auch Karin Hoffmann aus Bad Oldesloe hat das Konzept überzeugt. „Hast du keinen, leih dir einen“ ist das Motto der Stoffbeutel-Leihecke, die sie seit Kurzem auf dem Oldesloer Wochenmarkt betreibt. Die ehemalige Kommunalpolitikerin war durch die Berichterstattung im Abendblatt auf die Beutel-Aktion der Schüler aufmerksam geworden. „Ich war von der Kreativität der Schüler begeistert“, sagt Hoffmann.

Jeden Mittwoch und Sonnabend steht sie jetzt von 10 bis 12.30 Uhr auf dem Marktplatz. Das Angebot umfasst inzwischen neben Jute-Beuteln auch Eierkartons und Obstschalen zum Ausleihen. Marktmeister Hans-Wilhelm Nagel und Händler Thomas Wilken unterstützen die Initiative. „Bei vielen Kunden besteht das Bedürfnis, etwas für die Umwelt zu tun“, wissen sie. Sie bräuchten dazu nur einen Denkanstoß.

Stormarner können Ideen zum Plastiksparen auf Blog teilen

„Viele Menschen sind bereit, ihren Plastikverbrauch deutlich zu reduzieren, sie suchen nur nach Inspiration“, ist sich auch Vira Sprotte aus Bargteheide sicher. Die Stadtvertreterin der Grünen, die auch Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Klima und Energie ist, hat einen Internet-Blog ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Plastic is not fantastic“ können Bargteheider dort Ideen austauschen. Wie kann im Alltag sinnvoll mit Kunststoff gewirtschaftet werden? Wo kann man plastikfrei einkaufen? An welchen Projekten können Freiwillige sich beteiligen? „Die Leute suchen nach Informationen“, sagt Sprotte.

Unter der E-Mailadresse verpackungsmuellsparen@gruene-bargteheide.de freut sie sich über Tipps und Ideen. Sprotte: „Sobald die Leute sich mit dem Thema befassen, beginnt ein Umdenken.“ Die Beiträge sind im Internet auf www.gruene-bargtheheide.de mit Klick auf das Feld „Verpackungsmüll sparen“ zu finden.



Tablett-System ermöglicht Einkauf mit eigenen Gefäßen

In Reinfeld ist inzwischen möglich, was Hygienevorschriften vielerorts noch erschweren: Auf dem Wochenmarkt haben Kunden seit März die Möglichkeit, die gekaufte Ware in eigene Gefäße abfüllen zu lassen (das Abendblatt berichtete). Der Arbeitskreis „Plastikfreies Reinfeld“ entwickelte gemeinsam mit den Marktbeschickern und dem Fachdienst Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung der Kreisverwaltung ein Tablett-System, das einen plastikfreien Einkauf bei gleichzeitiger Einhaltung der Hygienevorschriften gewährleistet.

Bei Käsehändler Jürgen Wulff auf dem Markt in Reinfeld können Kunden eigenen Gefäße mitbringen.
Bei Käsehändler Jürgen Wulff auf dem Markt in Reinfeld können Kunden eigenen Gefäße mitbringen. © Filip Schwen | Filip Schwen

„Der Kunde stellt sein Behältnis auf einem speziellen Tablett ab. Dieses kann der Verkäufer an Griffen über den Tresen heben, das Gefäß befüllen, ohne es zu berühren“, erklärt Käsehändler Jürgen Wulff das Prinzip. Er betont: „Wenn das Produkt dann verdirbt, ist allein der Verbraucher verantwortlich.“ Er war einer der ersten, die den Service anboten. Inzwischen haben die anderen Marktbeschicker nachgezogen. Auch ein Supermarkt in der Karpfenstadt hat das Tablett-System umgesetzt. „Mit weiteren bin ich zurzeit im Gespräch“, sagt Linda Witte vom Arbeitskreis.

Trinkwasser aus dem Spender anstatt aus der Plastikflasche

Am Kopernikus-Gymnasium in Bargteheide war Schulleiterin Brigitte Menell der hohe Verbrauch an Plastikflaschen durch die Schüler lange ein Dorn im Auge. „Unsere Schüler haben bis zu 200 Plastikflaschen am Tag weggeworfen“, sagt sie. Auf der Suche nach Alternativen wurde sie auf einer Klassenfahrt nach Scharbeutz fündig. „In der Jugendherberge gab es einen Automaten für Trinkwasser, der wurde sehr gut von den Schülern genutzt.“

Seit Februar dieses Jahres haben die Jugendlichen nun die Möglichkeit, an einem Spender an ihrer Schule ihre Mehrwegflaschen mit frischem Wasser zu befüllen. Der Flaschenverbrauch habe sich dadurch „radikal reduziert“, sagt die Schulleiterin stolz. „Der Wasserspender wird so gut angenommen, dass wir noch einen zweiten in Auftrag gegeben haben“, sagt Menell. Er soll nach den Sommerferien einsatzbereit sein. Je 4000 Euro lässt sich das Gymnasium die Anschaffung der Geräte kosten.

Am Kupernikus-Gymnasium in Bargteheide können Schüler an einem Spender Wasser zapfen
Am Kupernikus-Gymnasium in Bargteheide können Schüler an einem Spender Wasser zapfen © Joshua Kind

Unterstützt wird das Gymnasium bei der Anschaffung von der Stadt Bargteheide, die 3000 Euro aus der „fifty-fifty-Aktion zur Energieeinsparung“ beisteuerte. Den Rest übernahm die Sparkassenstiftung als Teil des Projekts Zukunftsschule. Auch andere Schulen in Stormarn meldeten bereits ihr Interesse an. So erkundigte sich die Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Bargteheide bereits über die Anschaffungskosten eines Wasserspenders.

Ahrensburger Hofladen bietet Waren teils unverpackt an

Nudeln, Müsli, Nüsse, Haferflocken, Hirse – seit einem Jahr bietet der Hofladen des Gutes Wulfsdorf in Ahrensburg ausgewählte Lebensmittel unverpackt an. Die Ware kann aus einem Spender selbst abgefüllt werden, wahlweise in ein mitgebrachtes Gefäß oder in Pfandgläser und Papiertüten, die der Laden anbietet. „Vor dem Befüllen wiegt man das leere Gefäß, danach das befüllte“, erklärt Marktleiterin Birgit Traber das Konzept. An der Kasse wird dann nach Gewicht bezahlt. „Die Unverpackt-Abteilung erfährt viel Zuspruch bei den Kunden“, sagt sie. Im ersten Jahr seien bereits 1455 Kilogramm unverpackte Lebensmittel verkauft worden.

Vor der Einführung der neuen Abteilung gab Birgit Trabner Kunden die Möglichkeit, in einem Fragebogen Vorschläge für das Sortiment zu machen. Dabei seien auch Bedenken zur Hygiene geäußert worden. „Wir reinigen die Öffnungen der Behälter mehrmals am Tag“, sagt Trabner. Das sei aufwendig, aber den Beitrag zum Umweltschutz wert.

Je nachdem, wie das Angebot angenommen werde, wolle sie die Produktpalette erweitern. „Waschmittel wünschen sich viele Kunden“, sagt sie. Trabner betont aber auch: „Es bringt nichts, wenn wir die Ware unverpackt anbieten, aber der Hersteller die Einheiten je einzeln in Plastik verschweißt ausliefert.“ Sie wünscht sich deshalb, dass auch in der Produktion mehr Wert auf Plastikersparnis gelegt wird.

Mehrwegnetze für Obst auf Bargteheider Wochenmarkt

Beim Einkauf von Obst und Gemüse könnten Mehrwegnetze die dünnen Plastikbeutel, auch Knoten- oder Hemdchenbeutel genannt, ersetzen. Einige Wochenmarkthändler im Kreis bieten die wiederverwertbare Transportmöglichkeit bereits an.

Wochenmarkthändler Karsten Drube bietet an seinem Stand in Bargteheide Mehrwegnetze an
Wochenmarkthändler Karsten Drube bietet an seinem Stand in Bargteheide Mehrwegnetze an © Filip Schwen

Karsten Drube hat die Mehrwegnetze gut sichtbar über der Kasse aufgehängt. „50 Prozent meiner Kunden verzichten inzwischen auf eine Plastiktüte“, sagt der Obst- und Gemüsehändler, der auf dem Bargteheider Wochenmarkt verkauft. Auch einige Supermarktketten haben die Mehrwegnetze inzwischen im Angebot. In Kooperation mit dem Nabu bietet Rewe sie seit Oktober 2018 in der Obst- und Gemüseabteilung zum Preis von ungefähr zwei Euro als Alternative zum Knotenbeutel an.