Bad Oldesloe. Zahl der Menschen ohne festen Wohnsitz in Städten und Gemeinden des Kreises Stormarn steigt. Auch Betroffene aus Hamburg suchen Hilfe.
Es gibt zu wenig Wohnungen für zu viele Menschen in Stormarn. Und laut Obdachlosenhilfen wird die Lage immer dramatischer. In Bad Oldesloe müssten ohne Unterstützung durch die Stadt 78 Menschen, darunter viele Familien, auf der Straße leben. Das zeigt der jetzt vorgestellte Obdachlosenbericht für das Jahr 2019. Alarmierende Zahlen gibt es auch in anderen Kommunen des Kreises.
Wer an Obdachlose denkt, hat Bilder von gezeichneten, bettelnden Männern und Frauen im Kopf, die unter Brücken schlafen und sich mit Alkohol warm halten. Doch die Realität ist längst eine andere. Mittlerweile, so beobachtet es Beatrice Schmidt, Sozialarbeiterin der Stadt Bad Oldesloe und für die Obdachlosenhilfe zuständig, sind immer häufiger auch Familien betroffen. Zwölf Paare mit 25 minderjährigen Kindern sind derzeit in städtischen Unterkünften untergebracht. In diesen Fällen konnten sich die Betroffenen die Miete nicht mehr leisten, wurden zwangsgeräumt.
„Wer allein lebt und seine Wohnung verliert, kann oft eine Zeit lang bei Verwandten oder Freunden unterkommen. Für Familien ist das schwieriger“, sagt Schmidt, die in solchen Fällen Hilfe leistet. Neben einem vorübergehenden, von der Allgemeinheit finanzierten Dach über dem Kopf versucht die Stadt, die Wohnungslosen in neue Mietverhältnisse zu bringen. Doch der teure Immobilienmarkt schafft einen Teufelskreis.
In Ahrensburg brauchen fast 400 Menschen Hilfe der Stadt
„Wenn wir in sechs Monaten einer Person oder Familie eine Wohnung vermitteln können, ist das schnell“, sagt die Sozialarbeiterin. Meist dauere das wesentlich länger. „Bei uns in der Obdachlosenunterkunft leben einige Einzelpersonen seit zehn Jahren. Viele von ihnen werden hier sterben“, sagt die 49-Jährige. Paare mit Kindern werden früher oder später eine neue Wohnung finden. Doch auch das kann Jahre dauern, eine Besserung sei nicht in Sicht. Denn die Wohnungsnot in Hamburg breitet sich stetig auf das Umland aus. Beatrice Schmidt: „Geringverdiener sind erst nach Ahrensburg, dann nach Bargteheide ausgewichen. Jetzt ist auch Bad Oldesloe betroffen.“
Zahlen aus anderen Stormarner Gemeinden scheinen diese These zu bestätigen. Ahrensburg zählte im vergangenen Jahr 37 obdachlose Familien mit 78 Kindern und 57 wohnungslose Einzelpersonen. Hinzu kommen 34 Flüchtlingsfamilien mit 73 Kindern und 33 Asylbewerber – also insgesamt 209 obdachlose Personen und 174 Flüchtlinge. Damit liegt die größte Stadt im Kreis mit Abstand auf dem ersten Platz bei den Obdachlosenzahlen. Um Betroffenen zu helfen, leistet auch hier die Verwaltung Hilfe.
In Glinde leben 14 Einzelpersonen und elf Familien in städtischen Unterkünften
„Damit die in den städtischen Notunterkünften untergebrachten Personen wieder eigenen Wohnraum finden können, sind diverse Hindernisse zu erkennen, zu bearbeiten und – wenn möglich – zu beheben, die für die Vermittlung auf den freien Wohnungsmarkt bestehen“, sagt Michael Cyrkel, Leiter des Fachdienstes für Soziale Hilfen bei der Ahrensburger Stadtverwaltung. Seine Mitarbeiterinnen verschaffen sich dafür zunächst ein Bild von der Lebenssituation der Menschen. Bei Schulden- oder Suchtproblemen, familiären Konflikten oder gesundheitlichen Einschränkungen verweist der städtische Sozialdienst nach der Erstberatung an Beratungsstellen im Kreis Stormarn.
Auch dem dritten Platz der vom Hamburger Abendblatt angefragten Gemeinden liegt Glinde. Hier leben 14 Einzelpersonen und elf Familien in städtischen Unterkünften. „Der Trend geht nach oben, die Obdachlosenzahlen steigen an“, sagt Rolf Urban von der Obdachlosenhilfe Glinde. Jährlich kämen zwei bis drei Personen hinzu.
In Großhansdorf leben derzeit fünf obdachlose Einzelpersonen und ein Ehepaar. „Wir zählen darunter nur Menschen, die gegen ihren eigenen Willen obdachlos sind“, sagt Arne Müller von der Verwaltung. Durch die räumliche Nähe zu Hamburg komme es immer wieder auch zu Fällen, in denen Obdachlose aus der Metropole mit der U-Bahn zur Endstation fahren und in Großhansdorf dann quasi um Asyl bitten. Müller: „Dafür haben wir aber keine Kapazitäten.“
Wenig Probleme gibt es in Trittau und in Bargteheide
In Trittau gibt es derzeit wenige obdachlose Einzelpersonen, die der Stadt bekannt sind. Von ähnlich niedrigen Zahlen berichtet auch die Stadt Bargteheide. „Wohnungslosigkeit ist in den vergangenen Jahren stabil auf einem relativ niedrigem Stand“, sagt Alexander Wagner, Referent der Bürgermeisterin. Zwar werden immer wieder Personen obdachlos, jedoch gelinge oft die Wiedereingliederung in den Wohnungsmarkt. Zurzeit seien neun Personen ohne Obdach, eine Familie und fünf Einzelpersonen.
Von solchen Zahlen kann Bad Oldesloe nur träumen. „Vermieter zeigen sich gegenüber Bewohnern einer Notunterkunft sehr zurückhaltend und nicht selten stigmatisierend“, sagt Beatrice Schmidt. Vor allem an große Wohnungsunternehmen könnten sie kaum vermittelt werden. In Einzelfällen müsse die Obdachlosenhilfe daher auch Menschen abweisen. Eine strukturelle Überbelegung der Notunterkünfte gebe es laut Schmidt bislang aber nicht.
Oldesloer gründen Runden Tisch zum Thema Obdachlose
Dennoch sieht sie Handlungsbedarf. Seit 2013 ist das erste Obergeschoss der Obdachlosenunterkunft an der Lübecker Straße wegen Baumängeln unbewohnbar. Durch Personalmangel in der Bauverwaltung war eine Sanierung bislang unmöglich. Daher ist ein Abriss und die Errichtung eines Neubaus in Verbindung mit dem Bau von Sozialwohnungen im Gespräch. Beatrice Schmidt: „Wenn das Grundstück im Eigentum der Stadt verbleibt und bei der Umsetzung die Bedürfnisse der Obdachlosenhilfe ohne Abstriche berücksichtigt werden, wäre das eine gute Alternative.“ Über einen Neubau wird die Politik voraussichtlich noch 2020 entscheiden.
Im Bildungs-, Sozial- und Kulturausschuss brachte die Partei Die Linke Mitte der Woche einen Antrag ein, einen Runden Tisch Obdachlosenarbeit zu gründen, in dem nach Lösungen für bestehende Probleme gesucht werden soll. Alle Ausschussmitglieder stimmten dafür. Die erste Sitzung ist am Dienstag, 28. Januar, 19 Uhr im Bürgerhaus (Mühlenstraße 22) und öffentlich.