Ahrensburg/Reinbek. Schon 30 Prozent mehr Impfdosen ausgegeben als im Herbst 2018. Besonders ältere Menschen sollten sich schützen.
Vergeblich fragten viele Stormarner im Herbst 2018 ihren Arzt nach einer Impfung gegen die Grippe. Schon Ende November hatten viele Praxen damals keine einzige Spritze mehr vorrätig. In diesem Jahr läuft es besser, die Praxen haben auf die früheren Engpässe reagiert: „Derzeit wurden bereits 30 Prozent mehr Dosen im Hamburger Umland abgegeben als im Vorjahreszeitraum“, sagt der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Thomas Friedrich. Genaue Zahlen könnten aber erst im kommenden Jahr ermittelt werden.
Bei einigen Ärzten in Stormarn schrumpfen die Vorräte
Bemerkenswert ist diese Entwicklung vor allem, da der Impfstoff noch nicht so lange zur Verfügung steht. Die Weltgesundheitsorganisation hatte in dieser Saison laut Friedrich vom Apothekerverband lange gezögert, gegen welche Stämme der Influenza sie empfiehlt, den Impfstoff zu produzieren. Bei einigen Ärzten im Kreis Stormarn sind jedoch selbst die nun umfangreicheren Vorräte in den zurückliegenden Wochen erheblich geschrumpft, wie das Abendblatt auf Anfrage erfuhr.
In der Gemeinschaftspraxis Lübecker Straße in Bad Oldesloe lassen sich seit Mitte September täglich rund zehn Patienten den schützenden Stoff in den Oberarm spritzen. „Die Patienten haben hinterher kaum Probleme, der Impfstoff ist gut verträglich“, sagt Arzthelferin Marina Bachmann. Auch in der Praxis von Dr. Andrea Wonka in Glinde wird das Angebot gut angekommen. In der Hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Reinfeld wird der Impfstoff bereits knapp. „Wir hoffen, dass wir etwas nachbekommen“, sagt eine Arzthelferin.
In Reinbeker Klinik lassen sich viele Mitarbeiter impfen
„Wir hatten im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Impfungen“, sagt Dr. Christina Westphal. Die Ahrensburger Allgemeinmedizinerin empfiehlt: „Im Oktober sind Sie auf der sicheren Seite.“ Sie impft bereits täglich Patienten in ihrer Praxis am Rondeel. „Hier kommen vor allem die Menschen aus Gruppen, für die eine Immunisierung empfohlen wird. Beispielsweise über 60-Jährige und Patienten, die viel Kontakt mit anderen haben, mit Vorerkrankungen. Oder die selbst im Gesundheitswesen arbeiten“, sagt Dr. Westphal zum Abendblatt.
In der Klinik St. Adolf-Stift in Reinbek können sich die Mitarbeiter bei der hauseigenen Betriebsärztin impfen lassen. 2018 hatten dieses Angebot doppelt so viel Mitarbeiter angenommen als im Vorjahr: „Die Sensibilität für das Thema ist enorm gestiegen“, sagt die Betriebsärztin des Krankenhauses, Dr. Elke Wittkowski. Diese Entwicklung zeigt sich auch bundesweit. Das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat bis Anfang Oktober 17 Millionen Dosen freigegeben. Das sind bereits 1,3 Millionen mehr als in der gesamten Grippesaison des Vorjahres.
Im Winter 2017/2018 starben viele Menschen an Grippe
Den Grund für die gestiegene Bereitschaft zur Grippeschutzimpfung sehen Experten auch in dem Winter 2017/2018, in dem in Deutschland Tausende Menschen an dem Virus starben. „Es war die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren“, sagt Prof. Dr. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Damals hätten sich viel zu wenige Deutsche impfen lassen, vermeldete das Institut in seinem Saisonbericht. Ausgerechnet unter den besonders gefährdeten älteren Leuten im Alter über 60 Jahre sei die Grippe-Impfquote mit 35 Prozent am geringsten gewesen.
Impfeffektivität geringer als bei Masern oder Mumps
Ein weiterer Grund dafür, dass sich immer mehr Menschen den kleinen Piks abholen: Nun hat der Gesetzgeber den wirksameren Vierfach-Impfstoff als Kassenleistung eingestuft. Er ist somit für Patienten kostenfrei. Trotz der höheren Nachfrage nach dem Schutz gegen die gefährliche Influenza, reicht die Impfquote der Bevölkerung noch nicht aus. „So kann eben nur ein Individualschutz, aber kein Gemeinschaftsschutz erreicht werden“, sagt Dr. Helmut Fickenscher vom Institut für Infektionsmedizin in Kiel auf Abendblatt-Anfrage.
Ein Grund für die Zurückhaltung im Vergleich zu anderen Schutzimpfungen könnte sein, dass die ermittelte Impfeffektivität gegen eine Grippeerkrankung deutlich geringer ist als bei Masern, Mumps oder Röteln mit jeweils mehr als 90 Prozent. Bei der Grippe lag sie nach RKI-Angaben im vergangenen Winter bei 21 Prozent, im heftigen Grippe-Winter davor bei nur 15 Prozent. Ursache: Grippe-Viren verändern sich rasend schnell, werden resistent, entwickeln neue Varianten. Daher muss das Impfserum vor jeder Saison angepasst werden.
Die aktuelle Grippesaison ist bereits gestartet
Die Stärke einer Grippesaison vorauszusagen, ist nicht möglich. Für dieses Jahr ist sie bereits gestartet. Daher rufen die Krankenkassen in Stormarn jetzt verstärkt zum Impfen auf. Im Oktober und November bleibt dem Körper ausreichend Zeit, um nach dem Piks die notwendigen Antikörper aufzubauen. Bereits zehn bis 14 Tage nach dem Impfvorgang hat der menschliche Körper eine Abwehr gegen die Viren aufgebaut.
Das Robert-Koch-Institut verzeichnet zwar schon die ersten Grippefälle. Die eigentliche Influenzawelle rollt aber erst Anfang des Jahres. Da sind die gefährlichen Erreger besonders aktiv. „In diesem Zeitraum halten sich die Menschen hauptsächlich in geschlossenen Räumen auf. Außerdem bleibt das Virus bei niedrigeren Temperaturen länger ansteckungsfähig. Schließlich sind die Atemwege bei einer Unterkühlung stärker infektionsanfällig als unter normalen Bedingungen“, erklärt Dr. Helmut Fickenscher vom Institut für Infektionsmedizin dem Abendblatt.
Bewohner von Altenheimen sollten sich impfen lassen
Anzeichen für eine Grippe sind plötzliches Fieber, Schüttelfrost, Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen. Eine Übertragung der Viren geschieht zum Beispiel beim Niesen, Husten, Sprechen, Küssen oder Händeschütteln. Außerdem ist eine Ansteckung im öffentlichen Raum besonders wahrscheinlich. Die Influenzaviren können an von der Gemeinschaft genutzten Gegenständen gut anhaften. Vor allem Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen wird deshalb eine Impfung empfohlen.
Die Injektion schützt nicht vollständig vor dem gefährlichen Virus. Die Erkrankung verläuft jedoch bei geimpften Personen meist leichter als bei Ungeimpften. Und auch das Risiko für Komplikationen sinkt. Jeder kann also seinen Teil dazu beitragen, dass sich die Viren nicht all zu stark verbreiten. Experten raten: Waschen Sie sich gründlich und oft die Hände – mit Seife und mindestens 20 Sekunden lang!