Reinfeld. Toiletten geschlossen, das Gebäude sanierungsbedürftig. In einem offenen Brief fordern Bürger Abhilfe. Was die Bahn sagt.
Die Fassade hat Risse, einige der Fenster sind mit Brettern zugenagelt, der Haupteingang ist mit einem Gitter verrammelt. Der Reinfelder Bahnhof hat mehr von einem Geisterhaus als von einem Verkehrsknotenpunkt. Wer hier ein- oder aussteigt, verliert schnell die Lust an der Verkehrswende – und an Reinfeld. Das zumindest ist die Sorge des Runden Tisches Reinfeld.
Der Bürgerverein hat jetzt einen offenen Brief an Bürgermeister Heiko Gerstmann geschrieben. In der Hoffnung, dass sich die Verwaltung der Probleme mit dem alten Gebäude annimmt. Denn „sehr einladend ist das ja nicht gerade“, sagt Künstlerin Megi Balzer, die den Brief an den Bürgermeister im Namen des Vereins verfasst hat.
Das 150 Jahre alte Gebäude verfällt
Seit Jahren verfällt das alte Bahnhofsgebäude, das zur Zeit der dänischen Besatzung errichtet wurde und mit der Eisenbahn den Fortschritt nach Reinfeld brachte. Jetzt, rund 150 Jahre später, sorgt sich der Runde Tisch um das Image der Stadt. Balzer sagt: „Der Bahnhof bietet nach dem Umbau ein sehr uneinheitliches Bild und vermittelt den Ankommenden den Eindruck einer zerfallenden Stadt.“ Bis vor Kurzem gelangten Reisende noch durch einen nicht barrierefreien Fußgängertunnel zwischen Bahnhofsgebäude und Bahnsteig zu den Zügen. Die Unterführung wurde vor zwei Jahren zugeschüttet und durch eine Brücke mit Fahrstühlen ersetzt.
Auch der Bahnsteig selbst wurde saniert und mit einem neuen Dach ausgestattet. Das sei schön und gut, sagt Megi Balzer. Aber am Gebäude selbst werde augenscheinlich nichts mehr gemacht.
Toiletten sind schon lange wegen Vandalismus geschlossen
Wirklich dramatisch sei das gewesen, als Reisende während eines Sturmschadens an den Oberleitungen vor ein paar Wochen stundenlang am Bahnhof ausharren mussten. Es gibt keine windgeschützte Aufenthaltsmöglichkeit und keine Toiletten. Die wurden vor Jahren wegen Vandalismus geschlossen. „Verzweifelte weibliche und männliche Fahrgäste mussten ihre Notdurft im Freien auf dem Bahngelände verrichten“, sagt die Reinfelderin genervt.
Das habe für sie das Fass zum Überlaufen gebracht. Danach entschloss sie sich, an die Öffentlichkeit zu gehen und auf die Missstände hinzuweisen. Auch Vereinskollege Dierk Topp will die Zustände nicht mehr länger hinnehmen. „Es wird ja immer argumentiert, dass es in den Zügen Toiletten gibt. Aber wenn die Bahn so oft Verspätung hat, bringt das den Fahrgästen auch nichts.“
Bahn versuchte vergeblich,das Gebäude zu verkaufen
Es sei kein Einzelfall, dass die Leute in Reinfeld stranden. Für das Image der Stadt sei so ein Bahnhofsgebäude katastrophal. Denn nicht nur Bürger aus Reinfeld steigen hier in die Bahn. Auch viele Lübecker und andere Arbeitnehmer aus den Umlandgemeinden steigen hier tagtäglich vom Auto in den Zug um, weil in Reinfeld der günstige HVV-Tarif beginnt. „Ich liebe Reinfeld, aber unser Bahnhof ist eine Katastrophe. Es geht mir da auch um das Gesamtbild“, sagt Werner Bastian, der sich ebenfalls beim Runden Tisch engagiert.
Einen Tag nach der Veröffentlichung des offenen Briefs traf sich Bürgermeister Heiko Gerstmann mit Vertretern des Bürgervereins am Bahnhof. „Der alte Eingang des Bahnhofs ist wirklich nicht sehr ansprechend. Wir werden darauf in Gesprächen mit der Deutschen Bahn noch einmal hinweisen“, sagt der Verwaltungschef. Sie sei schließlich Eigentümerin des Gebäudes.
Im Umfeld könnte die Stadt selbst aktiv werden
„Selbstverständlich halten wir das Gebäude instand, um auch die Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis auf Abendblatt-Anfrage. Eine Vermarktung des Gebäudes sei trotz intensiver Suche bislang nicht zustande gekommen. Auch ein Abriss sei nicht möglich, da sich im Inneren Betriebsanlagen der Bahn befänden, so Mayer-Lovis weiter. Die ehemaligen Wohnungen im Obergeschoss dürften aus Brandschutzgründen nicht mehr genutzt werden. Auch die Einrichtung einer neuen Toilette kommt für den Konzern nicht infrage. Die öffentliche Bahnhofstoilette sei früher wiederholt durch Vandalismus zerstört worden und deshalb geschlossen worden, so der Bahnsprecher.
Beim Bahnhofsumfeld könnte die Stadt selbst aktiv werden, will das zurzeit aber nicht. „Wegen anstehender Projekte wollen wir jetzt so wenig Geld wie möglich ausgeben“, sagt Bürgermeister Gerstmann. Bis zum Jahr 2024 will Reinfeld eine Bahnquerung für Autos bauen. Sie soll den Bahnübergang an der Mahlmannstraße ersetzen, wo sich durch den hochfrequentierten Bahnverkehr oft die Autos stauen. In dem Zuge soll dann auch das Bahnhofsumfeld aufgehübscht werden. Die Erweiterung der Fußgängerbrücke Richtung Holländerkoppel steht 2020 an.