Grosshansdorf. In unserer Serie Bank-Geheimnis treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Bernd Freytag, ehemaliger Kreistagsabgeordneter.

Er ist ein Mann der klaren Worte. Wenn Bernd Freytag etwas nicht passt, dann sagt er’s laut und deutlich. Wenn er sich für etwas einsetzt, dann bringt ihn so schnell nichts von seinem Weg ab. So wie in 34 Jahren als Leiter des Schulreservats Himmelshorst in Großhansdorf, einem bei der Einweihung 1985 einmaligen Projekt in Schleswig-Holstein. Und so wie in fast 29 Jahren als CDU-Abgeordneter im Stormarner Kreistag.

Der 70-Jährige sitzt auf einer schlichten Holzbank in dem gut 20.000 Quadratmeter großen Biotop. Hart, aber gerecht sei er gewesen, sagt der pensionierte Lehrer der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule über seinen Stil. „Das Lernen sollte immer Spaß bringen“, ergänzt er. „Wenn alle mit Spaß dabei sind, braucht man keine Härte.“

Freytag studierte in Wuppertal, zog dann nach SH

Als er knapp zehn Jahre alt war, zog die Familie aus Bad Kissingen in Franken in den Norden. „Ich bin ein Bundeswehrkind, mein Vater war Marineoffizier“, sagt er. Nach dem Studium in Wuppertal bekam Freytag 1980 seine erste Stelle an der Realschule Großhansdorf. „Schleswig-Holstein war schneller mit dem Angebot als Nordrhein-Westfalen, außerdem gab es mehr Geld.“

Sofort machte sich Bernd Freytag daran, besondere Projekte umzusetzen. „1982 haben wir den ersten Folienteich in Stormarn angelegt“, sagt er. Mit seinen Schülern bemalte er die grauen Betonbrücken der U-Bahn. „Als die Anfrage vom damaligen Bürgermeister kam, haben wir daraus einen Wettbewerb mit Entwürfen im Kunstunterricht gemacht.“ Damit die Bilder an die Wände kommen konnten, nutzte Freytag seine Kontakte und besorgte ein Profi-Gerüst bei der örtlichen Malerfirma Kruse.

Aus einer Kiesgrube wurde das Schulreservat Himmelshorst

Als Nächstes sei er von der Gemeindevertretung gefragt worden, ob er aus der ehemaligen Kiesgrube am Waldreiterweg ein Schulbiotop machen wolle. Freytag überlegte nicht lange, gründete die Arbeitsgemeinschaft (AG) Umwelt und Gestaltung. Der etwas sperrige Name sei darauf zurückzuführen, dass man das Bildungsministerium ein wenig austricksen musste. „Damals waren AGs nur in einige Bereichen wie Sport und Kunst erlaubt – und Landschaftsgestaltung ist ja auch Kunst“, sagt er lächelnd.

Ein Buch über Schulreservate diente Freytag als Inspiration. Weil es vergleichbare Projekte kaum gab, besuchte er den Schulbotanischen Garten in Hannover, ließ sich das Konzept von einem Professor erklären. Um Flora und Fauna im Himmelshorst-Areal zu erfassen, holte er sich Experten für Libellen und Schmetterlinge sowie Botaniker ins Team. „In der frisch verlassenen Kiesgrube wuchsen Sachen, die findet man sonst nur in den Alpen.“

Freytag wollte das Biotop nicht auf die Schule begrenzen. „Das war etwas fürs Publikum, denn auf kleinstem Raum ist alles zu sehen, von der Feuchtwiese bis zu 200 Jahre alten Bäumen.“ Deshalb bot der Lehrer Führungen für andere Schulen und Kindergärten an. „Kurioserweise kamen wenig Klassen aus der Gegend, aber viele aus Hamburg.“

Die neue AG war so beliebt, dass Bernd Freytag bei 23 Schülern einen Aufnahmestopp verhängen musste. „Gerade in den Anfangsjahren haben wir nicht nur freitags, sondern auch sonnabends und sonntags freiwillig gearbeitet.“ Unter anderem stellten die Schüler den kompletten Zaun auf. Und lernten dabei fürs Leben. „Unser Haupt-Baumfäller von damals ist später Forstwirt geworden“, sagt Freytag.

Der Freundeskreis Nicaragua hilft seit Hurrikan „Mitch“

Er selbst suchte nebenbei Sponsoren, konnte einen VW Bus mit acht Plätzen anschaffen. „Damit haben wir Ausflüge gemacht, in Vogelschutzgebiete und ins Naturschutzgebiet Schellbruch in Lübeck.“ Wie viele Tage seines Lebens er im Naturreservat verbracht hat, vermag Bernd Freytag nicht zu schätzen.

Das liegt auch an der schwärzesten Stunde von Himmelshorst: Anfang August 2006 brannte die liebevoll ausgebaute Blockhütte ab – und damit war das Hüttenbuch mit allen Terminen weg. „Offensichtlich war’s Brandstiftung“, sagt Freytag, dem immer noch anzumerken ist, dass der Tag viel verändert hat. „So viele Sachen, die wir gesammelt hatten, waren weg, darunter die komplett neu eingerichtete Werkstatt.“ Mit Hilfe von Spendern und dem Einsatz von Berufsschülern, die unter anderem das Fundament mauerten, gelang der Wiederaufbau.

Freytag ist erst 1990 in die CDU eingetreten

Dass es in Großhansdorf auch kritische Stimmen gab, lässt Bernd Freytags Blutdruck noch heute steigen. Einige hätten von einem „privaten Naturschutzgebiet“ oder gar „Partykeller“ gesprochen, andere vom „CDU-Biotop“. Zeit für klare Worte: „Absoluter Irrsinn, denn es war immer jeder willkommen.“ In die CDU sei er erst eingetreten, als er 1990 für den Kreistag kandidierte. Und in seinem Wohnort Hoisdorf habe er wegen seines Naturschutz-Engagements als „der grüne Lehrer aus der oberen Bahnhofstraße“ gegolten.

Aus den Jahrzehnten im Schulreservat nimmt Bernd Freytag viele kleine Begegnungen mit. So hatte er eine Führung für die Teilnehmer einer Immobilienmesse organisiert. „Ein Jahr später traf ich einen Makler aus Bargteheide wieder, der mir sagte: ,Sie haben mich schon zum Nachdenken gebracht’.“

Ein anderes Mal garte er mit Schülern Kartoffeln in der Asche des Lagerfeuers, servierte dazu Quark mit von den Kindern gesammelten Kräutern. „Tage später sprach mich eine Mutter an, was ich mit ihrem Sohn gemacht habe. Er wollte nur noch Kräuterquark essen.“ Als 1998 der Hurrikan „Mitch“ in Mittelamerika tobte, gründete Bernd Freytag mit Bekannten den Freundeskreis Nicaragua Viva la Vida. Seine getrennt lebende Frau stammt aus dem Land. Die Gruppe brachte 55 Container mit Material im Wert von 2,5 Millionen Euro auf den Weg. Noch heute bekommen Schulen finanzielle Unterstützung.

Wundert sich nicht über Lehrer, die nach jeder Stunde fertig sind

Künftig will sich Bernd Freytag vor allem um seinen eigenen, teils verwilderten Garten kümmern. „Es ist eine wahre Freude, wenn man beim Sonnenaufgang sieht, was da alles rumfliegt und -brummt“, sagt er.

Beim Rückblick auf vier Jahrzehnte Schulalltag wird er noch mal deutlich. Anfang der 80er-Jahre habe er ein totalitäres und leistungsbetontes Prinzip erlebt, heute herrsche ein „eingeschränktes Laissez-faire“ vor. Einst saßen „die Schlimmen“ ganz hinten im Klassenraum. „Heute muss man sie nach vorn holen, um sie ständig im Auge zu haben“, sagt Freytag. „Da unterrichtet man über den Berg hinweg.“ Deshalb wundert es ihn nicht, dass immer mehr Lehrer nach jeder Stunde völlig fertig sind.