Barsbüttel. Rund 2700 Firmen steuern in den nächsten Jahren auf eine ungewisse Zukunft zu. Wie ein Stormarner Betrieb die Kurve bekommen hat.

Als Marcus Landschof das Angebot bekam, Firmenchef zu werden, reagierte er im ersten Moment unsicher. War er mit Ende 20 bereits der Herausforderung gewachsen, die Verantwortung für 13 Mitarbeiter zu übernehmen? Würde er sich mit dem Kredit für den Erwerb der Gesellschaftsanteile überlasten? Nach kurzem Überlegen entschied er sich für das Risiko, brach sein Masterstudium ab und übernahm den Betrieb, in dem er als junger Mann seine Ausbildung zum Informationselektroniker absolviert hatte. „In den ersten Nächten nach dem Entschluss habe ich sehr schlecht geschlafen“, sagt Landschof. Das hat sich längst geändert.

Seit 2011 ist Marcus Landschof Chef der Sinus Nachrichtentechnik GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Barsbüttel hat sich auf Leitstellentechnik, Funksysteme, Fahrzeugkommunikation und die digitale Alarmierung von Rettungskräften spezialisiert. Es hat zum Beispiel die Integrierte Regionalleitstelle Süd in Bad Oldesloe ausgestattet. Wer in Stormarn die 112 wählt, setzt mit seinem Anruf die in Barsbüttel entwickelten Telefon- und Alarmierungssysteme in Gang.

Firma wächst seit Übernahme

Thore Sievers (M.) erklärt Detlev Hinselmann (l.), Geschäftsführer der WAS, und Nils Thoralf Jarck, wie eine Kommunikationsbox für Einsatzwagen funktioniert.
Thore Sievers (M.) erklärt Detlev Hinselmann (l.), Geschäftsführer der WAS, und Nils Thoralf Jarck, wie eine Kommunikationsbox für Einsatzwagen funktioniert. © HA | Janina Dietrich

„Ich habe den Schritt nie bereut. Es macht einfach unglaublich viel Spaß“, sagt der 37-Jährige. Seit der Übernahme ist die Firma kräftig gewachsen. Sie zählt mittlerweile 54 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), Kamen (Nordrhein-Westfalen) und Pforzheim (Baden-Württemberg). Zu den Kunden zählen Berufsfeuerwehren und Behörden in ganz Deutschland, aber auch große Konzerne wie Henkel und Bayer sowie der Flughafen Köln/Bonn. Nicht immer läuft die Geschäftsübergabe so problemlos wie in Barsbüttel. Viele Unternehmer haben laut Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck Probleme, einen Nachfolger zu finden. Im Kammerbezirk stehe rund 2700 Firmen in den kommenden Jahren ein Wechsel an der Spitze bevor. „Das ist ein Thema, das zwangsläufig auf jeden Betriebsinhaber mal zukommt“, sagt Nils Thoralf Jarck, Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Ahrensburg. Doch die meisten täten sich schwer damit, „ihr Lebenswerk weiterzugeben“.

Jungen Menschen die Work-Life-Balance wichtiger

Lars Schöning (l.) und Nicolaus von Hobe, Chef der Emile Nölting GmbH.
Lars Schöning (l.) und Nicolaus von Hobe, Chef der Emile Nölting GmbH. © HA | Jutta Lasner

„Oft haben die Betroffenen 30 bis 40 Jahre in ihrer Firma gearbeitet, nicht selten sieben Tage die Woche“, sagt Jarck. „Sie hatten nie Zeit für Hobbys und haben schlicht Angst, was sie ohne den Job tun sollen.“ Generell sei es sinnvoll, sich frühzeitig Gedanken zu machen. „Man sollte für den Prozess zehn Jahre einplanen, sich also bereits mit 55 Jahren damit beschäftigen.“ Doch viele neigten dazu, das Thema unter einem Vorwand immer weiter nach hinten zu schieben. Zudem werde die Nachfolgersuche zunehmend schwieriger. Vielen jungen Menschen sei eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. „Sie wollen sich den Stress nicht antun und gehen deshalb lieber ein Angestelltenverhältnis ein“, sagt Jarck. Auch der demografische Wandel erschwere die Situation. „Die Generation der Firmen-Abgeber ist deutlich größer als die potenzieller Nachfolger.“ Ein weiteres Hindernis sei die bereits seit einer Dekade andauernde Hochkonjunktur. „Der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning.

Die IHK hilft bei der Vermittlung. In einer landesweiten, nicht öffentlichen Datenbank sammelt sie Unternehmen, die einen Nachfolger suchen, und Interessenten. „Wir versuchen, sie zusammenzubringen“, sagt Jarck. Allerdings gleiche dieser Prozess oft der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. „Region und Branche müssen passen, aber auch die Chemie zwischen Chef und Nachfolger. Sonst kann man das gleich vergessen.“

Nachfolge in Familie einfacher

Einfacher ist es, wenn ein Nachfolger innerhalb der Familie gefunden wird. So war es bei der Emile Nölting GmbH aus Glinde. Nicolaus von Hobe übernahm 2009 das Familienunternehmen, das sich auf die Herstellung von Reinigungsartikeln spezialisiert hat, in vierter Generation. Es sei ein großer Vorteil gewesen, dass er die Firma und die Mitarbeiter bereits gekannt habe, sagt auch Marcus Landschof. Sein Anreiz fürs Unternehmertum sei immer gewesen, selbst etwas entscheiden zu können. Schon als Kind habe er gern das Computerspiel SimCity gespielt, bei dem die Entwicklung einer Stadt geplant werden muss. „Jetzt plane ich die Entwicklung meiner Firma über die nächsten Jahre“, sagt er. „Ich finde es schön, die Zügel in der Hand zu haben.“

Er selbst hat seinen Businessplan für die Sinus Nachrichtentechnik GmbH während des Studiums geschrieben. „Er wurde von der Uni als Jahresbester gekürt“, sagt Landschof. Das habe ihm damals zu vielen nützlichen Kontakten verholfen. Mit einem Mentorenprogramm würde er sein Wissen gern an die nächste Generation weitergeben. Lars Schöning sagt: „Wir brauchen Geschichten wie diese, um anderen Mut zu machen, diesen Weg auch zu gehen.“

Beratungsangebote für Unternehmer

Die IHK unterstützt Unternehmer, die auf der Suche nach einem Nachfolger sind. In der Geschäftsstelle in Ahrensburg (Beimoorkamp 6) können sie sich in Einzelgesprächen kostenlos beraten lassen. Nächster Termin ist am Dienstag, 6. August. Anmeldungen an Sonja Brockmann unter Telefon 0451/60 06-314 oder per Mail an brockmann@ihk-luebeck.de.

Auch die Experten des Vereins „Wirtschafts-Senioren-Beraten“ helfen bei der Neugründung oder Neuausrichtung einer Firma. Sie bieten jeden dritten Montag im Monat von 16 bis 20 Uhr eine Sprechstunde im Reinbeker Rathaus (Hamburger Straße 5-7) an. Nächster Termin ist am 19. August. Anmeldungen nimmt Michael Pohle entgegen. Telefon 040/72 75 02 84.