Reinbek. Arznei-Produzent will öffentlichen Weg nicht mehr kaufen. Freude bei Bürgerinitiative. Fragezeichen hinter US-Expansion.
Der Arznei-Hersteller Allergopharma hat seine Pläne begraben, der Stadt Reinbek einen öffentlichen Weg abzukaufen und dadurch die beiden Betriebsgelände zu verbinden. Die Politiker werden das Bauleitverfahren nun abbrechen, was vor allem eine Bürgerinitiative freut. Es ist zugleich das Ende eines langen Gewerbe-Streits.
Rückblick: Für die 1969 gegründete Firma baut Mutterkonzern Merck an der Hermann-Körner-Straße ein 42 Millionen Euro teures Produktionsgebäude. Der 6000-Quadratmeter-Komplex ist Grundlage für ehrgeizige Expansionspläne in den USA. Bei der Einweihung im März 2017 hält der damalige Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) eine Rede und spricht von einer „großartigen Investition“. Auch Landrat Henning Görtz und Bürgermeister Björn Warmer sind zugegen.
Den Testlauf für die Produkte in Übersee startet Allergopharma allerdings nicht. Das Unternehmen fürchtet, von der zuständigen Fachbehörde Food and Drug Administration (FDA) keine Lizenz zu erhalten. Diese, so argumentiert die Geschäftsführung, werde nur bei einem geschlossenen Areal zustimmen. Also will die Firma von der Stadt den Weg erwerben, der Neubau und Bestandsimmobilien trennt.
Bürgerinitiative setzt sich für Erhalt des Weges ein
Dagegen regt sich Widerstand in der Bevölkerung. Eine Bürgerinitiative sammelt mehr als 300 Unterschriften. Sie schlägt als Alternative zum Beispiel den Bau einer Brücke vor, stößt damit aber auf taube Ohren. Auch Politiker sind irritiert und fordern von Allergopharma den Nachweis für die Notwendigkeit des Wegekaufs. Diesen bleibt das Unternehmen schuldig – mit dem Hinweis, dass die Vorschriften in den USA nicht so detailliert formuliert sind wie in Deutschland.
Um endlich voranzukommen, ändert Allergopharma schließlich seinen Plan, möchte nur noch den vorderen Teil des Weges kaufen. Ab der Mitte soll als Ersatz eine Verbindung über eigenem Grund bis zur Scholtzstraße, die in die Hermann-Körner-Straße mündet, für die Bevölkerung geschaffen werden. Außerdem sagt das Unternehmen die Finanzierung von Querungshilfen für Fußgänger und Radfahrer auf der Hauptstraße zu.
Im Dezember 2018 stimmt die Stadtverordnetenversammlung dem städtebaulichen Vertragsentwurf sowie dem geänderten Entwurf des Bebauungsplanes zu. Damit hat das Unternehmen aber immer noch keine Gewissheit, ob es mit dem Erwerb klappt. Durch den Beschluss kommt lediglich das Verfahren in Gang.
Firma stoppt Plan für Expansion in den USA
Allergopharma teilt Ende vergangenen Jahres mit, in 2019 Inspekteure aus den USA zu erwarten. Zu diesem Zeitpunkt hält die Firma noch an ihren Plänen fest. Nun die Kehrtwende. Warum? „Eine Produkteinführung ist immer ein sehr herausforderndes und komplexes Projekt“, sagt der neue Geschäftsführer Philipp Maerz. „Zudem hat sich das Umfeld auf dem US-Markt erheblich verändert. Daher haben wir entschieden, uns in den kommenden Monaten ausschließlich auf unsere bestehenden Produkte und deren Weiterentwicklung zu konzentrieren.“ Man stelle die Eingliederung des Weges zurück.
Das Unternehmen beschäftigt in Reinbek mehr als 400 Menschen. Negative Konsequenzen muss das Personal offenbar nicht befürchten. Maerz sagt: „In der aktuellen Situation stehen keine betriebsbedingten Kündigungen an.“ Initiativensprecher Klaus Schumacher hat sein großes Ziel mit dem Erhalt des Weges erreicht. „Ich freue mich über die Entwicklung“, sagte er dem Abendblatt.