Grosshansdorf. Rund 40.000 Kilometer legen Bürger für mehr Sicherheit jedes Jahr bei ihren Rundgängen zurück, wollen so die Kriminalitätsrate senken.

Wenn Monika Howoldt die grüne Weste mit den Reflektorstreifen überstreift, hat sie ihre Augen und Ohren überall. „Mehr Sicherheit in Großhansdorf“ steht in schwarzen Lettern auf ihrem Rücken geschrieben. Mit Hellmuth Paap, Hans-Jürgen Bendfeldt und Karl-Heinz Schult-Bornemann bricht die Großhansdorferin zum Rundgang durch die Waldgemeinde auf. Das Ziel: Einbrüchen und Straftaten aller Art vorzubeugen. Täglich sind die Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) „Mehr Sicherheit in Großhansdorf“ auf den Straßen der Waldgemeinde unterwegs. Jedes Jahr legen sie bei ihren Patrouillen rund 40.000 Kilometer Weg zurück.

Mit Taschenlampe und Handy ausgerüstet starten die Bürger zu ihrer abendliche Runde am U-Bahnhof im Ortsteil Schmalenbeck. Diesen Ort haben die Ehrenamtler besonders im Blick. Warum? „Wir wussten schon in der Anfangszeit des Vereins, dass die U-Bahn von Kriminellen genutzt wird, weil sie eine schnelle, unauffällige Flucht ermöglicht“, sagt Howoldt. Bendfeldt fügt hinzu: „Wir haben uns auf den Bahnsteig gestellt. Es kam vor, dass Personen ausstiegen und – als sie uns sahen – gleich kehrt machten. Da liegt es nahe, dass die mit unlauteren Absichten hergekommen waren.“ Inzwischen haben die Bürger für mehr Sicherheit eine Vereinbarung mit der Hochbahn geschlossen. „Wir dürfen uns mit dem Mitgliedsausweis der BI ohne Ticket auf dem Bahnsteig aufhalten.“

Verein glaubt an Wirkung

Vereinschef Hans-Jürgen Bendfeldt sagt: „Früher verzeichnete Großhansdorf eine der höchsten Einbruchsraten im Kreis.“ Nach seinen Angaben verübten Verbrecher allein im Oktober und November des Gründungsjahres 1994 87 Einbrüche in der Gemeinde. „Der Ruf Großhansdorfs als reichste Gemeinde Deutschlands hat Einbrecher gereizt.“ In den vergangenen Jahren verzeichnet die Polizei deutlich weniger Taten. 2014 zählte die Polizeidirektion Ratzeburg in der Waldgemeinde 56 Wohnungseinbrüche im Jahr. Der positive Trend setzte sich auch in den Folgejahren fort, 2018 gab es sogar nur 30 Einbrüche.

„Wir hoffen, dass wir auch einen Anteil daran hatten“, sagt der Vereinschef. Monika Howoldt steuert zielstrebig auf einen Kellerausgang zwischen einem Frisörsalon und der Volksbankfiliale neben dem Bahnhofsgebäude zu. Sie kennt die Ecken, an denen sich ein genauer Blick lohnt. „Hier hängen besonders Jugendliche ab, trinken gern mal viel Alkohol“, sagt sie. Auch Flaschen seien schon geflogen. Heute ist es ruhig. „Wenn wir Verdächtiges entdecken, greifen wir nie selbst ein, das ist ganz wichtig“, sagt Howoldt. Die Mitglieder der Bürgerinitiative verstehen sich als Beobachter. Von Fall zu Fall werde entschieden, ob die Polizei gerufen wird. Oder ob eine Notiz genügt, damit andere Mitglieder die Stelle künftig genau unter die Lupe nehmen können.

„Wir sind keine Polizisten“

Sie achte darauf, ob Häuser bewohnt sind. Ob Türen offen stehen, ob Schlüssel in Haustüren stecken gelassen wurden. „Das kommt häufig vor“, sagt sie. Selten ertappten die Ehrenamtler Kriminelle auf frischer Tat, sagt Schult-Bornemann. Aber darauf komme es auch nicht an. Abschreckung und Präventionsarbeit seien wichtiger. Die Initiative legt Wert darauf, nicht als „schwarze Rächer“ wahrgenommen zu werden. „Wir sind keine Polizisten, wollen das auch nicht sein. Wir zeigen Präsenz und wollen Straftäter abschrecken“, sagt Bendfeldt.

„Unsere 90 Mitglieder leisten bis zu 180 Touren im Monat.“ Und das seit 25 Jahren. „Das Gemeindegebiet ist in drei Bezirke unterteilt, für die über den Tag verteilt etwa sieben Touren geplant sind.“ Die Kontrollgänge am Tag seien genauso wichtig wie jene bei Nacht, sagt Bendfeldt. „70 Prozent der Einbrüche werden zwischen 11 und 16 Uhr verübt.“ Sorgen bereitet dem Verein der Altersdurchschnitt. Die meisten Ehrenamtler sind Rentner. Bendfeldt: „Wir werben um junge Leute, aber durch Beruf und Schule haben die meist wenig Zeit.“

Einbrecher werden immer dreister

Vom U-Bahnhof geht es weiter in eine Wohngegend, die von prächtigen Einfamilienhäusern geprägt ist. „Heute stehen so viele Pforten offen, das hatte ich noch nie“, sagt sie kritisch und macht sich eine Notiz. Das sei wie eine Einladung für Einbrecher. „Regelmäßig stoßen wir auch auf sperrangelweit offen stehende Fenster, obwohl niemand zu Hause ist. Dann klingeln wir beim nächsten Rundgang und weisen die Anwohner auf die Gefahr hin.“

Monika Howoldt sagt, sie habe den Eindruck, dass Einbrecher immer dreister werden. Dass sie zusehends organisierter vorgehen: „Als eine Nachbarin nicht zu Hause war, haben Diebe einen Transporter unter ihrem Carport geparkt und das Haus ausgeräumt. Keinem ist aufgefallen, dass das gar nicht ihr Auto war.“ Karl-Heinz Schult-Bornemann berichtet von einem anderen Fall. „Hier an der Straße fuhr dreimal derselbe Wagen vorbei.“ Der Ehrenamtler weist auf ein Einfamilienhaus: „Der Herr, der hier wohnt, mähte gerade Rasen. Er war abgelenkt, als ein Mann ausstieg, an ihm vorbeischlich und hinten ins Haus wollte. Die Ehefrau fing ihn aber ab.“

Verein gibt zweimal im Jahr Sicherheitstipps in Broschüre

Grüne Reflektorwesten weisen die ehrenamtlichen Beobachter aus.
Grüne Reflektorwesten weisen die ehrenamtlichen Beobachter aus. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Die engagierten Großhansdorfer werden regelmäßig von der Polizei über Vorfälle und Vorgehensweisen der Einbrecher informiert. Dieses Wissen geben sie an die Anlieger weiter. Zweimal im Jahr verteilt die Initiative Broschüren an alle Haushalte. Darin stehen Tipps zum Schutz vor Kriminellen und Zahlen über das Einbruchsgeschehen in der Gemeinde. „Wir hoffen, dass die Menschen aus dem Vorgehen der Kriminellen lernen, eigenes Verhalten überdenken und Vorkehrungen treffen“, sagt Schult-Bornemann.

Er zeigt auf ein Haus: „Diese Holzrahmen an älteren Gebäuden sind besonders verlockend für Kriminelle. Sie halten zwar lang, können aber innerhalb kürzester Zeit aufgebrochen werden“, erklärt er und ergänzt: „Denn die leisten kaum Widerstand.“ Gerade mechanische Lösungen seien vielfach effizienter als Alarmsicherung, denn die verhinderten, dass Einbrecher sich überhaupt Zutritt in Häuser und Wohnungen verschaffen könnten. „Wenn sie nach drei Minuten nicht drinnen sind, geben die meisten auf, das haben Studien gezeigt.“

Die Grünwesten sind in Großhansdorf mittlerweile eine Institution. Man kennt und schätzt die aufmerksamen Wächter. „Wir sind froh, dass es Leute gibt, die diese Arbeit ehrenamtlich machen“, lobt Spaziergänger Guido Tögel. Mit Hundedame Emmi ist er gerade in Schmalenbeck unterwegs. Er sagt: „Die Präsenz macht viel aus, um Großhansdorf sicherer zu machen.“

Initiative wurde 1996 mit Präventionspreis geehrt

Auch Elke Haack fühlt sich sicherer. Die Seniorin ist nachts häufig mit ihrer Hündin Luna unterwegs. „Mein Eindruck ist, dass es ruhiger geworden ist, seit es den Verein gibt.“ Das sieht auch Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß so. „Die Bürgerinitiative ist zu einem Markenzeichen der Waldgemeinde Großhansdorf geworden“, lobt der Verwaltungschef das Engagement. „Was mir besonders gefällt, ist die zurückhaltende Arbeitsweise, die nichts mit den oft zitierten schwarzen Sheriffs gemein hat.“

1996 war das Projekt mit dem Präventionspreis des Kriminalpolizeilichen Vorbeugungsprogramms der Landesinnenminister ausgezeichnet worden, inzwischen hilft die Initiative auch anderen Gemeinden beim Aufbau ziviler Sicherheitsprojekte. In Ahrensburg habe man Unterstützung für die Einrichtung eines ähnlichen Vereins geleistet, sagt Bendfeldt zum Abendblatt.

Monika Howoldt sagt, sie mache die Erfahrung, dass viele Leute lieber bei ihr oder anderen Vereinsmitgliedern anriefen, als bei der Polizei. „Ich denke, die Hemmschwelle ist bei uns geringer“, meint sie. Die erste Anlaufstelle, um Straftaten oder Verdächtiges zu melden, solle aber die Polizei sein. Alle Beobachtungen seien relevant, die Polizei entscheide über das Vorgehen, sagt Schult-Bornemann. „Wir raten dringend, im Zweifel die 110 zu wählen.“

Inzwischen ist es dunkel geworden, die Gruppe ist wieder am U-Bahnhof angelangt. Die grüne Weste legt Monika Howoldt ab, aber mit offenen Augen durch die Gemeinde geht sie auch, wenn sie außer Dienst ist. Das empfiehlt sie auch allen Mitbürgern. „Wenn man sich zu wohl fühlt, wird man unachtsam. Und genau darauf warten die Verbrecher.“

Wir sind keine Polizisten, wollen das auch nicht sein. Unsere Aufgabe beschränkt sich auf das Beobachten
Hans-Jürgen Bendfeldt, Vereinsvorsitzender