Bargteheide. Partys, Open-Air-Kino, Carports als Treffpunkte: Anträge eines Planspiels sollen in Gremien der Stadtvertretung beraten werden.
„Mitreden, Mitmischen, Mitentscheiden!“ Unter diesem Slogan hat die Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit dem Bargteheider Jugendarbeitsteam für ihr „Planspiel Kommunalpolitik“ geworben. 72 Schüler der vier weiterführenden Schulen haben sich beteiligt. Mit großer Ernsthaftigkeit. Und mit konkreten Ansatzpunkten für die politische Debatte, die kaum ignoriert werden können. „Für mich war das mehr als ein Spiel“, sagt Ruth Kastner, Fraktionschefin der Grünen. „Die Jugendlichen haben sehr deutlich gemacht, dass es bei ihnen grundlegende Bedürfnisse gibt, auf die wir Kommunalpolitiker Antworten finden müssen.“
Die beiden simulierten Stadtvertretersitzungen, in denen 23 Elftklässler der Anne-Frank-Schule, sieben des Gymnasiums Eckhorst, 17 der Dietrich-Bonhoeffer-Schule sowie 25 Zehntklässler des Kopernikus-Gymnasiums Fraktionen wie „Junge Zukunft Bargteheide“, „Bargteheides Wille“, „Freie Künstler*innen“, „Open Cinema“ und „Cuzco 2.0“ bildeten, sind zu einer Bestandsaufnahme dessen geworden, was der Bargteheider Jugend fehlt und was sie sich wünscht.
„Im Kern geht es um mehr Freizeitveranstaltungen und Möglichkeiten, sich regelmäßig in einem altersgemäßen Umfeld treffen zu können“, sagt SPD-Fraktionschef Jürgen Weingärtner. Die Kommunalpolitiker wollen nun beraten, welche Themen aus dem Planspiel in der Realität auf die Agenda kommen. Das Abendblatt stellt die wichtigsten Anträge vor.
Mehr Jugendtreffpunkte: „Zurzeit gibt es in Bargteheide kaum frei zugängliche Räume für Jugendliche, um sich ungestört zu treffen“, sagt Jakob Mewes über den Antrag von „Junge Zukunft Bargteheide“, der mit 37 Ja-Stimmen (von 42 Jugendlichen) die größte Zustimmung erfuhr. Er regt mindestens sechs überdachte Sitzmöglichkeiten in der Größe eines Carports an. Sie sollen im Stadtgebiet gleichmäßig verteilt und beleuchtet sein. Damit könnten zudem aktuelle „Gefahrenzonen“ aufgelöst werden. Im Vorjahr hatte es im Stadtpark auf der Wiese am Schulzentrum mehrfach Ärger wegen Sachbeschädigungen und Ruhestörungen gegeben.
Mehr Licht: Erstaunlich wichtig sind den Schülern auch besser illuminierte öffentliche Wege. „Das Beleuchtungskonzept der Stadt sollte überprüft werden“, so Madeleine Karydis in einem Antrag, der 36 Ja-Stimmen erhielt. Es gebe viele Straßen und Wege in Bargteheide, die nicht optimal beleuchtet seien. Dazu zählten die Fuß- und Wanderwege zwischen Am Steinkreuz und Mühlenstraße, die Zuwegung zum Freibad, Westring und Skaterpark sowie der Schulweg zur Carl-Orff-Schule. Vorgeschlagen werden Solarlampen, für die es sogar ein Förderprogramm der EU gebe.
Festival auf einer Wiese: 29 Ja-Stimmen bekam ein Antrag für ein „Festival auf einer Wiese im Bargteheider Randgebiet“ samt einem vielfältigen Musikangebot und Busshuttle. „Es soll das Jugendangebot für eine lebendige Stadt erweitern“, sagt Lennart Blanck. Er erntete mit dem Vorstoß aber nicht nur Zustimmung. Problematisch sei neben der zu erwartenden „Müllproduktion“ die Lärmbelastung für die Wohnbebauung im Umkreis des Festivals. Außerdem gebe es ja das Bargteheider Stadtfest alle zwei Jahre.
Partys im Ex-Cuzco: Auf große Zustimmung traf der Antrag, mehr Räumlichkeiten für Tanzveranstaltungen und Partys in Bargteheide zu finden. „Seit der Schließung des Cuzco gibt es keine Diskothek mehr im Ort“, sagt Tom de Bruyn. Zwar sei das Lokal als Teufels wieder eröffnet, orientiere sich jetzt jedoch auf ein älteres Zielpublikum. Vielleicht sei es aber möglich, die Location wenigstens temporär für Jugendliche zu öffnen, etwa für „Abi-Vorfinanzierungs-Partys“. 26 von 30 Abgeordneten stimmten in der zweiten Sitzung für diesen Antrag.
Kino im Stadtpark: Die Sehnsucht nach lauschigen Filmnächten unter freiem Himmel werden in jenem Antrag artikuliert, den Emma Zander vorgestellt hat. „Es bringt Menschen zusammen, macht Bargteheide attraktiver und belebt die Innenstadt“, ist die Schülerin überzeugt. Zwar wurde anschließend angeregt diskutiert, ob die Stadtparkwiese groß genug ist für solch ein Event und wie das Gelände gesichert werden müsste. Einig ist man sich aber, dass ein Zuschuss der Stadt die Kosten für die Zuschauer überschaubar halten sollte.
Freies WLAN: Überraschend durchgefallen ist ein Antrag auf öffentliches WLAN an wichtigen Knotenpunkten der Stadt, wie Sportplatz, Schwimmbad, Jugendzentrum und Schulzentrum. „Vernetzung und Datenaustausch ist in dieser Zeit immer wichtiger geworden. Daher wäre von Vorteil, einen permanenten Zugang zum Internet bereitzustellen“, so ein Gruppenmitglied. Aktuell gebe es nur zwei öffentliche Zugänge in der Stadt, die wirklich funktionierten. Trotz aller Online-Affinität sind sich die Jugendlichen aber offenbar auch der Risiken bewusst. Insbesondere jüngere Schüler sollten eben nicht permanenten Zugriff aufs Netz haben. Überdies seien wichtige Fragen des Datenschutzes tangiert. Am Ende wurde der Vorstoß mit acht Ja- und 22 Neinstimmen bei zwölf Enthaltungen abgelehnt.
Bürgermeistern Birte Kruse-Gobrecht haben „die konkreten Forderungen“ der Schüler sehr gefreut: „Das zeigt einmal mehr, dass der Weg richtig ist, Jugendliche über den geplanten Kinder- und Jugendbeirat direkt zu beteiligen.“ Wie ernst die echten Fraktionen in der Stadtvertretung die Ergebnisse der Schüler nehmen, wird sich bald zeigen. Einem Beschluss des Haupt- und Sozialausschusses zufolge soll bei dessen Sondersitzung am 27. Mai entschieden werden, welcher Antrag aus dem Planspiel in welchem Ausschuss beraten wird. „Es ist ein tolles Signal der Politik, dass sie sich mit den Beschlüssen ernsthaft befassen will“, sagt die Bürgermeisterin.