Ahrensburg . Nachruf der Kirche löst Kontroverse aus. Mit 78 Jahren gestorbener Geistlicher findet letzte Ruhe auf dem Großhansdorfer Friedhof.
Der Nachruf der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg für Pastor Friedrich Hasselmann hat Reaktionen ausgelöst, die kontroverser nicht sein könnten. Auch bei der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn meldeten sich zahlreiche Leser mit unterschiedlichsten Meinungen. Um einige davon zu dokumentieren, veröffentlichen wir noch einmal den von Pastor Helgo Matthias Haak geschriebenen Nachruf, außerdem Stellungnahmen von Hasselmann-Anwalt Prof. Heinz Wagner und Ex-Kirchenvorstandsmitglied Manfred Kloevekorn sowie von Anselm und Stephan Kohn, Gründer der Initiative „Missbrauch in Ahrensburg“.
300 Menschen bei Trauergottesdienst
Friedrich Hasselmann war am 29. März im Alter von 78 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in einem Hamburger Krankenhaus gestorben. Rund 300 Menschen nahmen nun am Mittwoch dieser Woche in der voll besetzten Großhansdorfer Auferstehungskirche Abschied: Familie, Freunde und Weggefährten. Den Trauergottesdienst für den Ruhestandsgeistlichen hielt Nils Kiesbye, Pastor in der Kirchengemeinde Hamburg-Kirchwerder. Kiesbye war von Hasselmann konfirmiert worden und über die Jahre zum Freund der Familie geworden.
Nils Kiesbye zeichnete Hasselmanns Lebensweg vom Studium bis zum Ruhestand nach. Wie der groß gewachsene junge Mann mit den blonden Haaren und blauen Augen seine spätere Frau kennenlernte und heiratete. Wie er sich in der Jugendarbeit engagierte und die Teilnehmer seiner Fahrten mit der Frage „Was ist dir wirklich wichtig?“ herausforderte. Wie er Tausende Ahrensburger von Konfirmandengruppen über Hochzeiten bis zu Beerdigungen begleitete. Wie er jede Predigt akribisch vorbereitete („Ich habe von ihm nicht einmal eine leere Phrase gehört“). Und wie er in den letzten neun Jahren an „seiner“ Kirche verzweifelte, die ihm die Solidarität entzogen habe, mit einem Hausverbot alle kirchlichen Handlungen verbot.
Hasselmann war umstritten
Das war 2010, nachdem der Ahrensburger Missbrauchsskandal an die Öffentlichkeit kam. Hasselmann habe sein Versagen eingestanden, so Kiesbye. Doch das habe man nicht gesehen – oder nicht sehen wollen. „In diesem Fall gibt es Sünder und Gerechte“, sagte Kiesbye. Und nach einer Pause: „Viele Gerechte.“ Das war ein Hinweis darauf, dass der Missbrauch Minderjähriger durch den früheren Ahrensburger Pastor Dieter K. in den 1970er- und 80er-Jahren etlichen anderen Menschen in dessen Umfeld bekannt gewesen sein musste. Dass es Hinweise auf vielen Ebenen gab, hatte auch die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland in ihrem Schlussbericht festgestellt.
Skandal-Chronik
1969 beginnt Friedrich Hasselmann als Pastor im Kirchsaal Hagen. 1973 wird Dieter K. sein Kollege. K. missbraucht bis in die 80er-Jahre Mädchen und Jungen, darunter auch seine Stiefsöhne. 1979 beginnt er ein Verhältnis mit einer 16-Jährigen. Hasselmann, der selbst Beziehungen mit jungen Frauen hat, erfährt von K.’s Taten, spricht mit ihm darüber, zeigt sie aber nicht an.
1999 wendet sich ein Opfer, das Mädchen von 1979, an die damalige Pröpstin Heide Emse. Die Zeugin berichtet auch von Übergriffen auf andere Jugendliche. Ende 1999 wird K. in die Gefängnisseelsorge nach Neumünster versetzt. 2001 wird er vorzeitig pensioniert, bleibt bis 2003 Religionslehrer an der Stormarnschule in Ahrensburg.
Im März 2010 schreibt die Zeugin von 1999 einen Brief an Bischöfin Maria Jepsen. Ein innerkirchliches Ermittlungsverfahren wird eingeleitet. Strafrechtlich sind die Taten verjährt. Im Mai geht die Kirchenleitung an die Öffentlichkeit. Mitte Juli tritt Jepsen zurück. Im November 2010 beantragt K. seine Entlassung aus dem Dienst. Im Dezember gesteht er in einer Erklärung seine Schuld ein.
Schlussbericht der Expertenkommission: www.kirchegegensexualisiertegewalt.nordkirche.de unter „Vereinbarungen und Aufarbeitungen“
Der Nachruf von Pastor Haak für die Kirchengemeinde
Am Freitag, 29. März, ist Friedrich Hasselmann gestorben. Von 1969 bis 2006 war er Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg und predigte im Kirchsaal Hagen. Fast 40 Jahre lang. Wenn man überlegt, wie schnell sich heute alles wandelt, dann ist das eine fast unvorstellbar lange Zeit. Als er kam, war ich zwölf, als er ging, war ich 50.
Theologie war für ihn ein wichtiger Lebensinhalt. Da verfügte er über ein profundes Wissen, und viele Ahrensburger waren von seinen Predigten begeistert. Ich erinnere mich, wie wunderschön er Klavier spielen konnte, und bewunderte seine Liebe und Kenntnis der klassischen Musik.
Friedrich Hasselmann war in seinen 38 Dienstjahren ganz viel im Ort unterwegs, um Gemeindeglieder zu besuchen. Er hat sie getauft, konfirmiert, getraut, begleitet, bestattet. So erinnern ihn viele Ahrensburgerinnen und Ahrensburger aller Generationen.
Ich finde, das muss einmal ausgesprochen werden: dass Friedrich Hasselmann für sehr viele Menschen hier am Ort und über so viele Jahre hinweg ein wunderbarer Pastor war. Das bleibt von ihm. Und das bleibt stehen.
Als er schon im Ruhestand war, wurde bekannt, dass er sich jungen Frauen, die ihm im Pastorendienst anvertraut waren, auf eine Weise genähert habe, wie ein Pastor es nicht darf. Dass sein unmittelbarer Pastorenkollege die unbedingten Grenzen, die einem Pastor gesetzt sind, noch viel weiter überschritt, als er selbst es tat, wusste er offenbar schon seit Langem. Und hat versäumt, es anzuzeigen.
Der Ahrensburger Kirchengemeinde, in der Friedrich Hasselmann so lange gewirkt hat, blieb daraufhin nichts anderes übrig, als ihn zu bitten, nicht mehr als Pastor in seiner alten Gemeinde zu amtieren. Das war notwendig.
Wie ein Pastor sein segensreiches Lebenswerk so erschüttern kann, das ist etwas, worüber ich nicht hinwegkomme. Und dennoch: Er war mein Pastorenkollege und in manchem auch Vorbild in 14 Jahren des gemeinsamen Dienstes. Wie soll ich denn jetzt um ihn trauern? Wie sein Gedächtnis ehren?
Ich will das Gute stets erinnern, das Friedrich Hasselmann in seinem Dienst für viele Menschen bewirkt hat. Und ich will nicht verschweigen, worin er unverantwortlich gefehlt hat. Beides muss nebeneinander stehenbleiben. So wie immer im Leben.
Pastor Helgo Matthias Haak
„Menschen in Not im Stich gelassen“
Sprecher der Missbrauchsopfer vermissen Auflistung von Fehlleistungen
Laut Wikipedia ist das Lebenswerk eines Menschen die „Lebensleistung einer Person“. Die dürfte wohl aus der Summe von Einzelleistungen bestehen, die um die Summe von Fehlleistungen zu korrigieren ist. Durch das Abziehen der Fehlleistungen werden Verdienste nicht ungeschehen gemacht, aber es reduziert sich die Bilanz des Leistenden.
Bei der Bilanzierung hat der Sprecher der Ahrensburger Pastoren, Helgo Matthias Haak, nach unserer Wahrnehmung nicht sorgfältig gearbeitet, als er seinen Nachruf auf Friedrich Hasselmann verfasste. Bei ihm werden von den positiven Leistungen die Fehlleistungen nicht abgezogen. Die Fehlleistungen Hasselmanns wabern seltsam unverbunden im luftleeren Raum.
Der Tod Hasselmanns alleine hätte uns nicht veranlasst, eine Erklärung abzugeben. Dass die Kirche in einem Nachruf einen der Verantwortlichen des Ahrensburger Missbrauchsskandals unangemessen positiv darstellt und das Hamburger Abendblatt den Text weitgehend identisch verbreitet, empfinden wir als Rückschritt im mühsamen Aufarbeitungsprozess und als Zumutung für die Betroffenen, die wir nicht im Raume stehen lassen möchten.
Das Lebenswerk Hasselmanns sei erschüttert worden, schreibt Haak. Es ist nicht zusammengebrochen, es hat noch nicht einmal Risse bekommen, es wurde wie bei einem Erdbeben erschüttert und blieb nach Ansicht von Haak unbeschädigt zurück – jedenfalls sieht Haak keinen Anlass, Einschränkungen festzustellen. Das ist ihm so wichtig, dass er es dreimal nacheinander geradezu beschwört (…). Haak weiß, dass es nicht bestehen bleibt. Warum schreibt er das Gegenteil? Weil es Menschen mit der Erwartung gibt, er möge ihnen und der Öffentlichkeit diese Wahrheit nicht zumuten, und weil er sich mit denen nicht mehr anlegen möchte? Das ist nachvollziehbar nach allem, was Haak in dieser Gemeinde und mit seiner Kirche durchgemacht hat. (...)
Was bleibt wirklich? Wie geht es den Menschen, die in Hasselmann einst einen wunderbaren Pastoren gesehen haben und zur Kenntnis nehmen müssen, dass er über die gesamte Zeit eine Art Doppelleben geführt hat, das von seiner Glaubwürdigkeit als Pastor ein großes Nichts zurücklässt? (...)
Der Schlüssel zum Verständnis von Haaks Darstellung liegt möglicherweise im zweiten Teil des zentralen Satzes, also darin, dass er (Haak) nicht darüber hinwegkomme, dass Hasselmann sein eigenes Lebenswerk so erschüttern konnte. Worüber genau kommt Haak nicht hinweg? (...) Vielleicht darüber, dass es Menschen gibt, die bei der Beurteilung von Hasselmanns Lebenswerk nur die Haben-Seite berücksichtigen wollen (und er gezwungen ist, diesen nach dem Munde zu schreiben)?
Wir stellen zum Kontrast den Blick von Betroffenen des Missbrauchsskandals dar: Es geht nicht um einen alten Fehler Hasselmanns aus grauer Vorzeit, eine Fehlleistung aus Unwissenheit oder einen einmaligen affektiven Durchbruch. Hasselmann hat den vollen Umfang seines Wissens über die Taten seines Pastorenkollegen und sein jahrzehntelanges absichtliches Schweigen weder vollständig offenbart noch ernsthaft bedauert. Über Jahrzehnte hat Hasselmann Menschen, die sich hilfesuchend an ihn wendeten, abgewiesen und unter Druck gesetzt. Bis zuletzt hat er haarsträubende Erklärungen dafür aufgeboten, dass er nicht tätig wurde.
Hasselmann hat seine Rolle als Seelsorger missbraucht, sich nicht nur jungen Menschen in übergriffiger Weise „genähert“ (eine Verniedlichung), sondern diesen Menschen lebenslanges Leid zugefügt. In seiner Rolle als stadtbekannter Pastor mit Vorbildbildfunktion hat er Menschen in Not, die sich ihm als einer moralischen Autorität anvertraut hatten, im Stich gelassen. Er gehört damit zur Gruppe der Ahrensburger Erwachsenen, die vom Leid von weit über 100 Kindern und Jugendlichen wussten und um den Gemeindefrieden nicht zu stören, das Unrecht billigend in Kauf genommen haben.
Ab 2010 hat in Hasselmanns Auftrag ein aggressiver Rechtsanwalt die Betroffenen und teilweise ihre Unterstützer in der Öffentlichkeit und vor Gericht diskreditiert und als Lügner diffamiert. Das Kirchengericht hat 2017 zwar festgestellt, dass die Betroffenen Recht hatten und die Schuld Hasselmanns in beiderlei Hinsicht (eigene Vergehen und Untätigkeit bei Mitwisserschaft) als erwiesen festgestellt, aber es hat keine Sanktionen beschlossen. Hasselmann sei schon zu alt und hätte bereits durch das Verfahren so viel Leid erfahren, dass eine weitere Strafe unverhältnismäßig sei.
Aus Sicht der Betroffenen unverständlich: Hasselmanns „Leid“ war von ihm selbst provoziert durch beharrliche Weigerung der Kooperation und seine bösartigen Gegenangriffe auf die Betroffenen – nicht vor ein paar Jahrzehnten, sondern ab 2010. Die Betroffenen blieben im Kirchengerichtsprozess als Verlierer zurück. Hasselmann hat mit seinem Verhalten bei vielen Menschen eine tiefe und schmerzhafte religiöse Orientierungslosigkeit ausgelöst. Es gibt Menschen, die wegen ihm zu einer anderen Religion übergetreten sind. Von ihm Geschädigte sind in eine Beziehungsunfähigkeit geraten und/oder kinderlos geblieben.
Hasselmann habe ein profundes theologisches Wissen gehabt, schreibt Haak. Wissen vielleicht, aber was Hasselmann viele Jahre von der Kanzel verkündet hat, war offenkundig nicht der Maßstab für sein eigenes Verhalten. Er predigte anderen die Umkehr, stellte seinen eigenen Weg jedoch nicht so in Frage, wie es nötig gewesen wäre. Manchen Menschen mag das ungetrübte Bild wichtiger sein, als die Realität einer ambivalenten und unter dem Strich unglaubwürdigen Person Hasselmanns zur Kenntnis zu nehmen. (...)
Unsere Fragen lauten: Wie konnte Pastor Hasselmann über so lange Zeit ein schreiendes Unrecht, das sich ihm so überdeutlich auftat, ignorieren, wie konnte er ohne Erbarmen immer wieder seine Hilfe versagen, mit der das Leid hätte verringert werden können, und wie konnte dieser Mensch auch noch so vehement Milde für sich selbst einfordern und diesen Wunsch über die Anliegen der geschädigten Betroffenen stellen?
Die fatalen Auswirkungen seines Handelns gehen weit über den Tod Hasselmanns hinaus. Während er noch 2017 beim Gericht die für ihn entscheidende Einstellung des Verfahrens erreicht hat, müssen die geschädigten Betroffenen mit dem Urteil „lebenslänglich“ zurechtkommen (bezogen auf die Missbrauchsfolgen). Von ihnen konnte in Folge der Geschehnisse vielfach kein „Lebenswerk“ aufgebaut werden; das bliebe – wenn der Text von Pastor Haak das letzte Wort bleiben sollte – dem nun verstorbenen Friedrich Hasselmann vorbehalten. Was für ein Lebenswerk??? (und was für eine Ungerechtigkeit!)
Anselm Kohn, Stephan Kohn sowie Betroffene und Unterstützer aus den Ahrensburger Zusammenhängen
„Vielen Menschen wichtiger Freund und Seelsorger“
Weggefährten bemängeln Verhalten der Kirchenleitung
Es war wohl weniger seine inzwischen fast 50 Jahre zurückliegende Beziehung zu zwei jungen Frauen, sondern die von interessierter Seite böswillig unterstellte Kumpanei mit seinem des Missbrauchs schuldigen Kollegen Pastor K., die zu den Disziplinarverfahren gegen Friedrich Hasselmann führten. Wer das Verhältnis der beiden Pastoren zueinander kannte, wusste, wie absurd diese Unterstellung war. Tatsächlich war Hasselmann der einzige, der seinen Kollegen zur Rede stellte. Danach hat es weitere Übergriffe Dieter K.’s nicht gegeben.
In dem ersten Verfahren wurde Pastor Hasselmann freigesprochen. Doch unterlief dem Vorsitzenden des Gerichts ein Formfehler, den die Kirche nutzte, um das Urteil anzufechten. Aus Protest gegen dieses Verhalten der Kirche trat das Gericht in seiner Gesamtheit einschließlich der Ersatzrichter zurück. Ein unerhörter Vorgang.
Im zweiten Verfahren des inzwischen neu ernannten Disziplinargerichts kam es ebenfalls zu dem Urteil, dass die Suspendierung Pastor Hasselmanns aufzuheben und er in seine amtlichen Rechte wiedereinzusetzen sei, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass im Hinblick auf die Reinheit der Kirche ein anderes Urteil nicht zu rechtfertigen sei.
Die Kirchenleitung nahm auch diesmal öffentlich Anstoß an diesem neuerlichen Urteil, doch die Richter hatten keine Möglichkeit gelassen, das Urteil anzufechten. Zweifellos angespornt von ihren Oberen, haben daraufhin fünf Ahrensburger Pastoren beschlossen, ihrem Bruder im Amt dem Urteil ihres eigenen Disziplinargerichts zum Trotz unter Ausnutzung ihres Hausrechts jegliche amtliche Tätigkeit in unserer Gemeinde zu untersagen. Selbst dort, wo alles menschliche Leid ein Ende findet, auf unserem Friedhof, verwehrten sie ihm die Beerdigung von Menschen, die sich mit ihm verbunden fühlten.
Dass sie damit nicht nur Pastor Hasselmann, sondern auch Gemeindeglieder und ihre Angehörigen trafen, hat sie nicht interessiert. Es kam sogar zu einer Anzeige seitens der Kollegen beim Landeskirchenamt. Diese ungetilgte Schande lastet auf unserer Gemeinde.
Wer war Pastor Friedrich Hasselmann? 1941 als jüngster Spross einer kinderreichen Pastorenfamilie geboren, folgte er nach einer glücklichen Kindheit und Jugend wie seine Brüder Behrnd und Niels den Fußstapfen seines Vaters und trat in den Dienst der Kirche. Begabt und gesegnet mit tiefen Kenntnissen der Theologie, der Geschichte, der Literatur, der Künste und der Musik war er vielen Menschen ein wichtiger und zugewandter Freund und Seelsorger.
Seine Predigten fanden großes Interesse, meistens war der Kirchsaal Hagen dicht besetzt bis in die Fensterbänke hinein. Er sprach die Menschen an, und die Menschen wollten ihn hören. Für die Jugend war Pastor Hasselmann ein gesuchter Begleiter, der ihr fernab von kirchlichem Muff die Augen für die befreiende, lebensbejahende Weite unseres christlichen Glaubens öffnete.
Seine feine Ironie war nicht jedermanns Sache, aber die meisten verstanden sie als das, was sie war: die Einladung zu geistiger Auseinandersetzung auf Augenhöhe.
Andererseits konnte er im Kirchenvorstand, so hieß damals der heutige Kirchengemeinderat, durch den Griff zur Zeitung sein Desinteresse bekunden, wenn bei Diskussionen die Argumente vom Wesentlichen zum Kleinkarierten abdrifteten. Er hatte beides: Größe und Kantiges. Ein Mensch eben.
Während seines Ruhestands waren sein theologischer Arbeitskreis und seine der Kunst gewidmeten Zusammenkünfte bis in die letzten Tage rege besucht. Die hochmütige Haltung seiner Amtsbrüder und -schwestern wie auch deren Oberen, die sich weigerten, dem Spruch ihres Disziplinargerichts Genüge zu tun, hat die Gesundheit von Pastor Hasselmann über die Jahre zerstört und seiner Frau unendliches Leid zugefügt. Als Seelsorger haben sie alle jämmerlich versagt.
Pastor Hasselmann ist in der Nacht zum 29. März im Alter von 78 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls erlegen. Er wird nun anderenorts die Gnade finden, die ihm hier versagt wurde. Und viele Menschen werden ihn sehr vermissen.
Manfred Kloevekorn, Ammersbek, ehemaliges langjähriges Mitglied im Kirchenvorstand; Prof. Heinz Wagner, Ahrensburg, Anwalt von Friedrich Hasselmann