Bad Oldesloe. Weil sie ein steigendes Verkehrsaufkommen fürchten, protestieren Anwohner gegen den Bau von 60 Einfamilienhäusern in Rethwischfeld.

Weil in der Nachbarschaft bis zu 60 neue Einfamilienhäuser entstehen sollen, formiert sich im Oldesloer Ortsteil Rethwischfeld Anwohnerprotest. Das neue Wohngebiet soll über eine schmale Straße erschlossen werden. Bürger fürchten ein steigendes Verkehrsaufkommen.

Der Konflikt steht beispielhaft für viele andere Fälle in Stormarn. Ob in Städten wie Reinbek und Ahrensburg oder in Dörfern wie Nienwohld – vielerorts führen Bauvorhaben seit Jahren zu teils massiven Protesten von Anwohnern. Und wie in nahezu allen Städte und Gemeinden in Stormarn ist die Nachfrage nach Bauland auch in Bad Oldesloe deutlich größer als das Angebot. In der Stadtverwaltung häufen sich die Anfragen nach freien Grundstücken.

Das neue Wohngebiet in Rethwischfeld könnte Abhilfe schaffen. Der ländlich geprägte Oldesloer Ortsteil, der an der Bundesstraße 208 in Richtung der Autobahn 1 liegt, bietet das, was in der Kreisstadt Mangelware ist: viel Platz für neue Häuser. „Wir planen das Wohngebiet schon sehr lange und brauchen das neue Bauland dringend“, sagt Bürgermeister Jörg Lembke.

In den vergangenen Jahren habe die Stadt vor allem auf Verdichtung im Zentrum gesetzt. Durch die in den 1950er- und 60er-Jahren großzügig erschlossenen Nachkriegs-Wohngebiete gab es beispielsweise noch Platz für die sogenannte Hinterlandbebauung. „Das reicht aber nicht aus, an neuen Wohngebieten führt kein Weg vorbei“, sagt Lembke.

Starker Lkw-Verkehr in der Bauphase bereitet Sorgen

Findet das geplante Wohngebiet zu groß: Anwohnerin Maike Alberico in der Straße am Hausteich, die als einzige Zufahrt dienen soll.
Findet das geplante Wohngebiet zu groß: Anwohnerin Maike Alberico in der Straße am Hausteich, die als einzige Zufahrt dienen soll. © Finn Fischer

Das Areal in Rethwischfeld sei schon lange als mögliches Baugebiet ausgewiesen. Bereits 2016 hatte der Bau- und Planungsausschuss beschlossen, dort Platz für neue Häuser zu schaffen. Jetzt ist das Vorhaben weiter konkretisiert worden. Ein Planungsbüro hatte kürzlich erste Entwürfe vorgestellt – und mit diesen die Anwohner aufgebracht.

Bei einem Ortstermin mit Lokalpolitikern machten rund 50 Betroffene ihrem Ärger Luft. Der Rethwischfelder Sören Gerundt findet, dass dem Ortsteil zu viel zugemutet wird: „Ursprünglich war die Rede von 22 Einfamilienhäusern und jetzt sind es auf einmal 40 bis 60.“

Seine Bedenken richten sich vor allem gegen die Zufahrt zum Neubaugebiet, die über die kleine Straße Am Hausteich geplant ist. Für den zu erwartenden Verkehr hält Straßenbauingenieur Gerundt diese Lösung für völlig ungeeignet. Mit Kreide hat er die künftigen Fußwege aufgezeichnet: „Das passt alles nicht, vor allem im Kreuzungsbereich.“ Der Verkehr werde sich in der Bauphase verachtfachen – von 60 auf 480 Fahrzeuge.

Anwohnerin Maike Alberico graust es vor dem Tag, an dem – sollte das Wohngebiet in der vorgesehenen Größe tatsächlich kommen – die schweren Lastwagen an ihrem Haus vorbeirollen. „Ich habe nichts gegen neue Mitbürger oder sozialen Wohnungsbau“, sagt sie. „Ein kleines Wohngebiet wäre okay.“ Aber es müsse auch die nötige Infrastruktur vorhanden sein.

In Reinbek und Glinde sind Gerichte eingeschaltet worden

Matthias Rohde (FBO) erläutert den Anwohnern beim Ortstermin den Stand der Planung
Matthias Rohde (FBO) erläutert den Anwohnern beim Ortstermin den Stand der Planung © Finn Fischer

Beschlossen ist das neue Wohngebiet in der von den Planern vorgestellten Form noch nicht. Die Entscheidung fällen der Bau- und Planungsausschuss sowie die Stadtverordnetenversammlung. Der Ausschussvorsitzende Matthias Rohde (Wählergemeinschaft FBO) versuchte, die Rethwischfelder beim Ortstermin zu beruhigen: „Wir befinden uns in einer frühen Planungsphase, und die Argumente der Bürger werden noch gehört.“

Den Termin nutzte Rohde auch, um den eigentlich für Neubaugebiete obligatorischen sozialen Wohnungsbau anzusprechen. „Die Stadtverordneten müssen darüber nachdenken, ob die 30-Prozent-Regel hier nicht nach unten zu korrigieren wäre“, sagte Rohde.

Wenn eine Gemeinde ein Wohngebiet plant, sind Anwohnerproteste mittlerweile die Regel. So ist in Reinbek der Streit um ein 856 Quadratmeter großes Grundstück am Mühlenredder eskaliert: Dort hat eine Anliegerinitiative die Stadt sogar verklagt, um den Bau eines Mehrfamilienhauses auf der Rasenfläche zu verhindern. Jetzt befasst sich das Verwaltungsgericht in Schleswig mit dem Fall.

Streit gibt es auch im Villenviertel der Stadt. Der Plan, auf einem geteilten Grundstück an der Kückallee ein neues Einzelhaus zu bauen, hat Nachbarn die Initiative „Pro Reinbek“ gründen lassen. Die Grundstückseigentümer befürchten, dass nicht nur ihr altes Viertel, sondern auch andere Gegenden zum Zeil von Immobilienentwicklern werden.

In der Nachbarstadt Glinde ist der Bau von Reihenhäusern und Wohnungen auf dem 2,1 Hektar großen Areal Altes Gleisdreieck im Zentrum seit Jahren gestoppt. Dort haben Nachbarn nach etlichen vorherigen Protesten ein Normenkontrollverfahren initiiert. Bis zur endgültigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig können noch Jahre vergehen.