Bargteheide. Bargteheider Schützenhof wird abgerissen. Suche nach Nachfolger erfolglos. Andere Familienbetriebe plagen sich mit ähnlichen Sorgen.
„In Hamburg sagt man Tschüs“, sang einst Volksschauspielerin Heidi Kabel während eines Auftritts im Bargteheider Schützenhof. Nun verabschiedet sich das Traditionsrestaurant für immer. Ein Nachfolger konnte nicht gefunden werden. Bis Ende April wickelt Inhaberfamilie Iden die Geschäfte ab, dann ist Schluss. Die Gibbesch Bau GmbH hat das 7000 Quadratmeter große Grundstück erworben. Im Mai werden Gebäude und Stallungen abgerissen. Ein Schicksal, das weitere Traditionsbetriebe in Stormarn ereilen könnte.
Über Jahrzehnte galt der Schützenhof als Garant für gutes Essen und Geselligkeit. Der große Saal mit Bühne und Sektbar war Mittelpunkt von Weihnachtsfeiern, Familienfesten und Vereinsjubiläen. Bälle brachten Pärchen zusammen, die später dann ihre Hochzeit in dem Gasthof an der Jersbeker Straße ausrichteten. Vor 89 Jahren kam der Gasthof aus einer Laune heraus in die Familie – als Großvater Willy Vagt dem Kauf nach einem geselligen Kegelabend zustimmte.
Der Schützenhof war eine Herzensangelegenheit
Der Kaufmann mit eigenem Fuhrgeschäft sowie Kohlenhandel an der Theodor-Storm-Straße stieg mit seiner Ehefrau Clara in das Gewerbe ein. Heute wird die Gaststätte in dritter Generation bewirtschaftet. Seither hat sich vieles verändert. Die Kegelbahn wurde in den 1970er-Jahren erneuert, 1983 der Saal und die Gaststube renoviert und das Restaurant acht Jahre später umgebaut. Bis zuletzt ist der Schützenhof bei Jung und Alt ein beliebter Treffpunkt geblieben. „Auch ohne Reklame konnten wir immer neue Gäste gewinnen“, sagt Karin Iden, die den Betrieb mit ihrem Bruder Hans-Jürgen und Schwägerin Anke geführt hat. „Traditionelle Betriebe sind heute wieder im Kommen.“
Aus Altersgründen haben sich die Inhaber jedoch entschlossen, ihre Gaststätte aufzugeben. Ein Nachfolger innerhalb der Familie konnte nicht gefunden werden, da beide Töchter den Betrieb nicht übernehmen wollen. Die junge Generation könne es sich nicht vorstellen, sieben Tage die Woche und bis spät in die Nacht präsent zu sein, sagt Anke Iden. Hohe Heizkosten sowie Schwierigkeiten, gutes Servicepersonal zu finden, bestärkten sie in ihrer Entscheidung. „Ich bin hier aufgewachsen und habe es mir nicht leicht gemacht“, sagt Anke Iden. „Für uns war der Schützenhof immer eine Herzensangelegenheit.“
Nachfolger für die Betriebe nur schwer zu finden
In vielen Landgasthöfen ist die Situation ähnlich. Ende 2018 hat Inhaber Kai Maul seinen Familienbetrieb, die Gaststätte „Am Neuen Teich“ in Elmenhorst, nach 17 Jahren Selbstständigkeit für immer geschlossen. Ein Jahr zuvor nahmen die Reinbeker Abschied von Prahls Gasthof – einem Restaurant mit über 150 Jahren Tradition. Schwierig sieht es derzeit auch in Schachts Gasthof in Rümpel aus. Seit 31 Jahren backt Veronika Hasselmann in ihrem Elternhaus Buchweizen- und Friesentorten, die über die Grenzen Stormarns bekannt sind. Der einzige Sohn kann den elterlichen Betrieb aus Gesundheitsgründen nicht übernehmen. Nun sucht die 68 Jahre alte Bäckerin nach einem geeigneten Nachfolger. „Bis zum Herbst mache ich noch weiter“, sagt Hasselmann. „Eine mögliche Übernahme entscheidet die Bank in den nächsten Wochen.“
Dass Übernahmen der nachfolgenden Generation sehr schwer gemacht werden, berichtet auch Birgit Franck, die mit ihrem Mann Michael die Rohlfshagener Kupfermühle in Tremsbüttel betreibt. Bereits im frühen 16. Jahrhundert war die Familie Franck an der Kupfermühle im heutigen Ortsteil Sattenfelde beteiligt, die 1807 offiziell in das Eigentum der Familie übergegangen ist. Seit 2004 führt Koch Michael Franck den Betrieb mit seiner Frau. „Damals wurden die Kinder nicht gefragt, ob sie den Betrieb übernehmen möchten“, sagt Birgit Franck. „Da die Entscheidung heute selbstständig getroffen wird, müssen wir sehen, wie es sich entwickelt.“
An vielen Orten herrscht Renovierungsstau
Oft benötigten Kinder zigtausende Euro, um eine neue Konzession zu beantragen und gestiegene Auflagen rund um Brandschutz und Hygiene zu erfüllen. Hinzu kommen Renovierungs- und Heizkosten, da gerade alte Landgasthöfe oft einen enormen Renovierungsstau hätten und schlecht gedämmt seien. „Das kann nur mit vereinten Kräften geschafft werden“, sagt die 53 Jahre alte Geschäftsfrau. „Banken fragen nicht, ob der Gasthof während eines langen und kalten Winters weniger Gäste hat.“
Was sich zudem geändert habe, seien die Essgewohnheiten. Statt pünktlich um 12 Uhr zum Mittagstisch vorbeizukommen, genügten vielen ein warmer Snack beim Bäcker oder die Angebote der Möbelgeschäfte. Hinzu komme der Fachkräftemangel in der Gastronomie sowie die Abhängigkeit von der Wetterlage. „Viele Kosten entstehen im Voraus, bevor wir überhaupt einen Euro verdient haben“, sagt Birgit Franck. „Wenn es regnet, bleiben wir darauf sitzen.“
Aus diesem Grund habe sich die Familie im Sommer 2018 entschlossen, nur noch hauseigene Veranstaltungen anzubieten. Im Unterschied zum à la carte seien diese planbar und lukrativer. Viele Gäste könnten den Wandel nicht nachvollziehen, da das Konzept seit Jahrhunderten Bestand hatte. Doch ein sterbender Gasthof sei die Rohlfshagener Kupfermühle nicht, das ist Birgit Franck wichtig. „Bei allen Neuerungen haben wir darauf geachtet, den alten Charakter des Gasthauses beizubehalten“, sagt Franck. „Das Ambiente finden selbst junge Gäste toll, da unser Gasthof eine heile Welt vermittelt. Das ist es, was die Leute lieben.“
In Lütjensee ist der Generationenwechsel geglückt
Auch das Forsthaus Seebergen in Lütjensee ist seit Jahrzehnten bei den Gästen beliebt. Der Familienbetrieb setzt auf traditionelle Küche und das typische Interieur eines Landgasthofes. „Nur eingestaubt darf es nicht sein“, sagt Brigitte Genke, die den Betrieb bereits an ihre Töchter Franziska (40) und Ulrike (36) übergeben hat. Nachwuchssorgen bestehen hier also nicht. Seit der Eröffnung im Jahr 1951 sei das Forsthaus Seebergen bereits durch Höhen und Tiefen gegangen, nun sei es auf einem guten Weg. Die Menschen liebten die saisonale Speisekarte – und die durchgängigen Öffnungszeiten von 12 bis 21 Uhr.
Kampagne „Stormarn tischt auf“ startet im Sommer
Aber: „Die Essgewohnheiten haben sich geändert“, sagt auch Genke. „Das Restaurant um 14 Uhr zu schließen, geht heute nicht mehr.“ Das veränderte Verhalten der Verbraucher, der Arbeitsaufwand und enorme Investitionskosten seien Rahmenbedingungen, die den Beruf verleideten, sagt Dehoga-Chef Axel Strehl. Ebenso der gestiegene Bürokratieaufwand. „Es ist oft ein schleichender Prozess“, sagt Strehl. „Heute braucht ein Gastronom viel Geld, um sein Geschäft ordentlich zu gestalten.“ Gegenseitige Vermarktung sei eine Möglichkeit, um das Problem anzugehen. Zusammen mit weiteren Landgasthöfen plant er im Sommer erneut die Marketing-Kampagne „Stormarn tischt auf.“
Mit dem Gelände des ehemaligen Schützenhofes in Bargteheide hat die Gibbesch Bau GmbH Großes vor. Reihenhäuser und Eigentumswohnungen mit Tiefgarage sollen auf dem Grundstück entstehen. Der Baubeginn ist frühestens Ende 2020 geplant. Die Detail-Gespräche mit der Stadt starten noch in diesem Jahr.