Reinbek. Unternehmen feiert am 14. März seinen Abschied aus Reinbek. Neuanfang für 160 Mitarbeiter im Hamburger Bieberhaus.

Einen Umzugskarton baut Peter Kraus vom Cleff mittlerweile in weniger als einer Minute zusammen. Jeder Handgriff sitzt. Kein Wunder, bereitet sich der kaufmännische Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages doch seit Wochen zusammen mit 160 Mitarbeitern auf einen Umzug vor, der es in sich hat. Allein 2500 Kartons füllen die Bücher aus dem Archiv. Hinzu kommen Tausende weitere, die in den Büros des Traditionsverlages schlummern. „Jedes Jahr bringen wir 400 neue Bücher heraus, da kommt in 60 Jahren einiges zusammen.“

Beim Aufräumen wurden alte Schätze gefunden

Am 14. März feiert er zusammen mit seinen Kollegen Abschied an der Hamburger Straße in Reinbek mit Kartoffelsalat und Würstchen. Anschließend haben sich schon zahlreiche Mitarbeiter verabredet, um noch ein letztes Mal miteinander S-Bahn zu fahren – Richtung Hamburg, die neue Heimat. „Es wird sozusagen ein Rowohlt-S-Bahn-Flashmob“, sagt der Geschäftsführer und lacht. Auch wenn er sich auf den Neuanfang im Bieberhaus am Hamburger Hauptbahnhof freut – „ich werde nächste Woche auch sentimentale Momente haben. 60 Jahre Reinbek, das ist einfach eine sehr lange Zeit, eine lange Tradition geht zu Ende“, gibt er zu.

Ricarda Bongartz (l.) und Eva Steinkuhle freuen sich auf Hamburg.
Ricarda Bongartz (l.) und Eva Steinkuhle freuen sich auf Hamburg. © Susanne Holz

Beim Aufräumen in den alten, denkmalgeschützten Räumen wird nun der eine oder andere Schatz zutage gefördert. In einem verschlossenen Schrank auf dem Dachboden fand der Geschäftsführer beispielsweise alte Zeichnungen von 1959, auf denen genau verzeichnet ist, wer wo im Reinbeker Verlagsgebäude saß. Die Mitarbeiter ebenso wie Fritz J. Raddatz, stellvertretender Leiter des Rowohlt-Verlages (1960 bis 1969), oder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, der 1950 das Taschenbuch in Deutschland einführte. Zudem lagen alte Wechsel daneben, mit denen in den 1950er/60er-Jahren die Autoren anstelle von Bargeld bezahlt wurden. Beides zieht mit um.

Stil von einst soll weiterleben

Ebenso werden Designklassiker wie Artemide-Lampen und Stühle und Sessel von Thonet – alle noch Originale aus den Anfängen des Verlags – die Reise nach Hamburg antreten. Im neuen Verlagsgebäude wird es für sie Bereiche geben, in denen Stil und Geist von einst weiterleben. Architekten haben die Wände zudem passend mit der berühmten Bauhaus-Farbpalette von 1931 verschönert.

Damit wichtige Erinnerungsstücke nicht verloren gehen, kommt sogar großes Werkzeug zum Einsatz. Das Stück Wand, auf dem sich zahlreiche namhafte Schriftsteller wie beispielsweise Henry Miller mit ihrer Unterschrift verewigt haben, wird aus dem Verlagsgebäude in Reinbek rausgestemmt und bekommt einen Ehrenplatz im Bieberhaus. Am 25. April wird dort und im Schauspielhaus mit geladenen Gästen groß Einweihung gefeiert.

Firmenchef pendelt demnächst in die City

Damit es in Hamburg mit den neuen Nachbarn klappt, möchte Peter Kraus vom Cleff Shared-Reading für sie anbieten. Ausgebildete Literaturfreunde lesen in kleiner Runde gute Literatur vor, über die anschließend diskutiert wird. „Wir möchten Literatur in die Stadt bringen“, sagt der Geschäftsführer, der selbst pro Jahr bis zu 70 Bücher liest. Weil ihm selbst auch Sport am Herzen liegt - Aikido, Tennis, Laufen – hat er Duschen ins Verlagsgebäude bauen lassen. So steht einer sportlichen Mittagspause mit anschließender Erfrischung nichts im Weg. Die Rowohlt-Azubis haben sich schon schlau gemacht, wo man rund um den Hauptbahnhof gut essen, Sport machen oder Geld abheben kann. Es soll ein richtig guter Start für alle werden in Hamburg.

Neuer Standort soll Mitarbeiter anlocken

Rowohlt möchte sich mit dem Sprung nach Hamburg als modernes, zukunftsgerichtetes Unternehmen präsentieren. „Wenn man gute Mitarbeiter bekommen und halten möchte, muss man ihnen auch etwas bieten“, sagt Peter Kraus vom Cleff. Ein Firmenstandort in der Mitte einer Metropole gehöre auf jeden Fall dazu. Schon jetzt kommen 80 Prozent der Mitarbeiter aus Hamburg, einige pendeln sogar täglich aus Berlin nach Reinbek. Mit dem Umzug gehört übrigens auch der Firmenchef zu den Pendlern. Er fährt künftig mit Bus und Bahn in die Innenstadt.

Der Verlag wurde gleich dreimal gegründet

Ernst Rowohlt gründete seinen Verlag im Jahr 1908, der zuerst in Leipzig beheimatet war. 1912 übernahm ihn dessen stiller Teilhaber Kurt Wolff nach einem Streit. 1919 rief Rowohlt das Unternehmen in Berlin erneut ins Leben. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde es 1943 geschlossen und 1945 in Stuttgart von Rowohlt-Sohn Heinrich Maria wiedereröffnet. 1960 wurde der Firmensitz nach Reinbek verlegt. Zu den internationalen Schriftstellern des Hauses zählt Ernest Hemingway. Deutschsprachige Autoren sind unter anderem Kurt Tucholsky und Martin Walser. Seit 1982 gehört Rowohlt zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. suk