Jersbek/Bad Oldesloe. Forstwirtschaft in Stormarn beklagt Schäden im sechsstelligen Bereich und sinkende Holzpreise. Experten-Prognose für 2019 ist düster.

2018 war ein Jahr der Wetterextreme. Sturm, Dürre und Hitze haben nicht nur die Landwirtschaft erheblich belastet, sondern auch Stormarns Wäldern stark zugesetzt. Bezirksförster Reinhard Schulte beziffert den Schaden, der der Forstwirtschaft im Kreis entstanden ist, auf rund 425.000 Euro – finanzielle Einbußen durch gesunkene Holzpreise nicht mitgerechnet. Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein konnte dazu auf Abendblatt-Anfrage keine konkreten Zahlen nennen. „Das Hauptproblem sind nicht die Wetterphänomene an sich, sondern ihre indirekten Folgen“, sagt Schulte. Viele Bäume fielen dem Borkenkäfer zum Opfer.

Viele Stormarner Fichten sind vom Borkenkäfer befallen und sterben ab.
Viele Stormarner Fichten sind vom Borkenkäfer befallen und sterben ab. © Filip Schwen | Filip Schwen

Der Schädling bohrt sich durch die Rinde der Bäume, ernährt sich vom Bast, dem Gewebe, welches dem Baum zum Transport des Wassers von den Wurzeln in die Krone als Lebensader dient. Die Weibchen legen ihre Eier in die Rinde. „Hier kann man die Gänge erkennen, die das Weibchen gegraben hat“, sagt Schulte und zeigt auf ein abgelöstes Stück Fichtenrinde im Jersbeker Forst. Der Befall führt zum Absterben des Baums. Besonders gern macht sich die Insektenart an geschwächten Exemplaren zu schaffen.

Bei Trockenheit produzieren Bäume weniger Hartz

2018 wuchs die Käferpopulation enorm. „In den 28 Jahren, die ich als Förster tätig bin, gab es je Sommer meistens zwei Käfergenerationen. Im vergangenen Jahr waren es vier“, sagt Schulte. Der Anstieg liege in den klimatischen Bedingungen begründet. „Wir hatten im Februar, März und April drei heftige Stürme“, so der Bezirksförster. Gleichzeitig sei der Boden wegen großer Niederschlagsmengen zum Jahresende 2017 stark aufgeweicht gewesen. „Die Wurzeln verlieren ihren Halt, und die Bäume werden sturmanfällig.“ In der Folge seien viele den Böen zum Opfer gefallen. Das tote Gehölz biete ideale Voraussetzungen für die Vermehrung der Käfer. Daher sei es von Bedeutung, „saubere Forstwirtschaft“ zu betreiben. Heißt: umgestürzte Bäume sofort zu entfernen, um ein Übergreifen des Befalls auf Nachbarpflanzen zu verhindern.

Dann folgte der Sommer mit ungewöhnlich hohen Temperaturen, rund sieben Monate war es trocken. Schulte: „Normalerweise schützt das Harz den Baum vor Schädlingen, Verletzungen der Rinde werden versiegelt.“ Die Trockenheit habe aber zu einer verminderten Harzproduktion geführt, die Bäume seien nicht mehr ausreichend gegen Parasiten geschützt gewesen. Zudem vermehren sich Borkenkäfer in warmer Umgebung stärker. „2018 war es eine regelrechte Plage“, so der Bezirksförster.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Fichten geplfanzt

Fichten werden besonders häufig attackiert. „Diese Art ist hier eigentlich nicht heimisch, sondern dem Mittelgebirgsklima angepasst“, sagt Steffen Burkhard, Leiter der Forstbetriebsgemeinschaft Stormarn. Diese ist ein Zusammenschluss privater und kommunaler Waldeigner und für die Beforstung einer Waldfläche von 3200 Hektar zuständig.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Hamburger Umland zahlreiche Fichten gepflanzt, um abgeholzte Wälder wieder aufzuforsten. „Fichten waren günstig und genügsam“, so Burkhard. Er ist gemeinsam mit Schulte im Jersbeker Forst, einem Fichtenwald, zur Bestandskontrolle unterwegs. Der Blick der beiden fällt auf einen massiven Baum, die Rinde der Fichte weist starke Schäden auf. Nur der obere Bereich der Baumkrone trägt noch Nadeln – ein weiteres Opfer des Borkenkäfers.

Auch Mäuse machen den Pflanzen zu schaffen

Die Bäume haben noch einen Feind: Die drei heimischen Mäusearten machen den jungen Pflanzen zu schaffen, sie fressen die Rinde und die Wurzeln, töten so die Setzlinge. Burkhard: „2018 war ein Mäusejahr. Bei Trockenheit breiten sich Krankheiten unter den Tieren nicht so stark aus, die Population wurde kaum ausgedünnt.“ 5000 Festmeter Holz seien den Gegebenheiten des vergangenen Jahres zum Opfer gefallen. „Bei einem wirtschaftlichen Schaden von 35 Euro je Festmeter macht das einen Einnahmeausfall von 175.000 Euro“, rechnet Schulte vor. Hinzu kämen 250.000 Euro für die Wiederaufforstung. Nicht eingepreist seien die Umsatzeinbußen, die Waldeigentümer durch gesunkene Holzpreise zu verkraften haben. Denn aufgrund des Käferbefalls und der Sturmschäden musste mehr Holz geschlagen werden als nachgefragt war – das Überangebot drückt auf die Preise.

Jene sind laut Schulte wegen der Übersättigung des Marktes um bis zu 50 Prozent gefallen. „Vor 2018 haben wir pro Festmeter Stammholz 78 Euro bekommen, jetzt sind es 45.“ Die Sägewerke seien noch immer eingedeckt. Auch müsse vom Borkenkäfer befallenes Holz zu niedrigeren Preisen verkauft werden. Über die genaue Höhe der Umsatzeinbußen erhebt die Bezirksförsterei keine Zahlen, denn der Großteil der Einnahmen fließt an die Waldeigentümer, der Forstbetriebsgemeinschaft bleibt nur ein geringer Restbetrag.

Experten setzen auf heimische Baumarten

Derzeit sind die Förster mit dem Wiederaufforsten beschäftigt. „Wir setzen dabei vor allem auf heimische Baumarten wie Rotbuche, Stieleiche, Bergahorn und Douglasie“, sagt Schulte. Auch Eschen eigneten sich gut für Stormarns Wälder, allerdings leide die Art zurzeit unter einem Triebsterben. „Eine mutierte Form eines parasitären Pilzes befällt die jungen Pflanzen“, erklärt der Bezirksförster. „Die Verschiebung der Jahreszeiten durch den Klimawandel hat dazu geführt, dass die Eschen früher austreiben. Das passt optimal zum Lebenszyklus des Pilzes, der dann leichtes Spiel hat.“ Für 2019 stellen Schulte und Burkhard eine düstere Prognose: „Der Winter war zu kurz und überwiegend zu mild. Viele Borkenkäfer und andere Schädlinge haben überlebt, werden die Bäume im Frühjahr, wenn die Temperaturen 18 bis 20 Grad erreichen, befallen.“ Beide wünschen sich mehr staatliche Unterstützung für die Forstwirtschaft.

„An den klimatischen Bedingungen kann man nichts ändern, aber bei den Folgeschäden ist die Politik gefragt“, sagt Schulte. Besonders private Waldeigentümer erhielten wenig Hilfe. Derzeit unterstützt die Europäische Union mit dem Programm zur „Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“ (ELER) lediglich den Ankauf von Setzlingen, erstattet bis zu 70 Prozent der Kosten. An dem Fonds sind auch Bund und Länder mit je 25 Prozent beteiligt. „In der Regel liegt die finanzielle Hilfe für Forstwirte aber unter den 70 Prozent“, sagt Schulte.

8800 Hektar in kommunalem Besitz

In Stormarn sind 8800 Hektar Wald in kommunalem Besitz. Bad Oldesloe, Ahrensburg und Glinde haben laut Schulte unter Stormarns Städten und Gemeinden die größten solcher Flächen. 2200 Hektar gehören privaten Eignern. „Darunter ist auch das Unternehmen Hamburg Wasser“, sagt der Bezirksförster. Das meiste Holz im Kreis werde für den Kamin geschlagen.