Landkreis Harburg. Anne Jantzen (23) übernimmt die Aufgaben für den Naturschutz in den Niedersächsischen Forstämtern Sellhorn und Oerrel.

Als sie ihren Arbeitsvertrag unterschreibt, hat Anne Jantzen gerade ihren 23. Geburtstag hinter sich. Sie hatte ihren Jagdschein gemacht, den Bachelor of Science in der Tasche und eineinhalb Jahre Vorbereitungsdienst für den Försterberuf erfolgreich absolviert. Jetzt ist sie am Ziel: Als jüngste Frau übernimmt sie die Aufgaben als Försterin für den Naturschutz in den Niedersächsischen Forstämtern Sellhorn und Oerrel.

Es ist ein ungewohntes Bild, wenn Anne Jantzen in wetterfester Hose, Arbeitsjacke und dicken Wanderschuhen, mit Sprühdose und Meßkluppe in den Wald zieht. Denn Frauen sind in diesem Beruf in der Minderheit. Doch es werden stetig mehr. Allein in den Niedersächsischen Landesforsten waren von 27 Anwärtern in diesem Jahr sieben weiblich. Sieben Försterinnen wurden 2018 eingestellt. In den Forststudiengängen sitzen inzwischen zwischen 25 und 30 Prozent Frauen. Im vergangenen Jahr waren für die Landesforsten 477 Förster und 44 Försterinnen im Einsatz.

Für Anne Jantzen stand schon vor dem Abitur fest, dass sie Försterin werden wollte – wie ihr Vater, der als Revierleiter 2200 Hektar Wald im Forstamt Unterlüß bewirtschaftet. Einen Großteil ihrer Kindheit hat sie im Wald verbracht, ihren Vater auf der Jagd begleitet. Für sie war der Wald nie nur ein Ort zum Spielen und Entspannen, sondern immer auch ein Wirtschafts- und Naturraum. Als sie vor der Wahl stand, Sprachwissenschaften oder Forstwirtschaft zu studieren, fiel die Wahl auf Letzteres. Auch, weil sie wusste, dass hier Nachwuchskräfte dringend gebraucht werden und sie gute Chancen haben würde.

Als Expertin für Waldökologie, Waldnaturschutz und Naturdienstleistungen muss Anne Jantzen vor allem ihre Kollegen bezüglich immer komplexer werdender Naturschutzvorgaben beraten. „Ich nehme aber auch auf den Flächen der Niedersächsischen Landesforsten Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen vor, wenn es gilt, Eingriffe in die Natur auszugleichen“, sagt sie. Eines der größeren Projekte ist das „Grasgehege“ zwischen Winsen und Lüneburg .

In Absprache mit dem Landkreis Lüneburg wird die 130 Hektar große Fläche Grünland und Wald im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme als ökologischer Flächenpool hergerichtet. „Als Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft anderer Orte besteht hier die Möglichkeit, das Gebiet ökologisch aufzuwerten“, sagt die Försterin. „Das betrifft Tiere und Pflanzen, Lebensraum, Boden, Wasser, Klima und Landschaftsbild.“

Anne Jantzen managt das Projekt, das sich über mehrere Jahre ziehen wird, ließ jüngst den Wiesengraben verschließen, damit das Grundwasser wieder steigen kann. Jetzt soll der Wald ausgelichtet werden, damit ein Feuchtwald entstehen kann.

Mit orangener Sprühfarbe markiert Anne Jantzen die Bäume, die gefällt werden dürfen.
Mit orangener Sprühfarbe markiert Anne Jantzen die Bäume, die gefällt werden dürfen. © HA | Hanna Kastendieck

Ihre erste berufliche Station hat die 23-Jährige zwischen April und September im Forstamt Neuhaus in Südniedersachsen wahrgenommen. Bedingt durch die Stürme und die Massenvermehrung der Borkenkäfer war dort viel zusätzliche Arbeit angefallen. „Es war wichtig, hier die Arbeitskräfte zu bündeln, damit das Schadholz schnell aufgearbeitet werden konnte“, sagt die junge Försterin. „Ich konnte hier viele Erfahrungen sammeln.“

Dennoch ist sie froh, jetzt ihre eigentlichen Aufgaben wahrnehmen zu können. Sie mag das selbstbestimmte Arbeiten, die Aufgaben, die in der Natur auf sie warten. Und ihr ist es wichtig, dass sie mit dem, was sie tut, etwas Nachhaltiges schaffen kann – etwas, das den nachfolgenden Generationen zugute kommt. In ein paar Jahren könnte sie sich vorstellen, ein eigenes Revier als Försterin zu übernehmen und sich aktiv um die Holzwirtschaft zu kümmern.

Die Wiederherstellung dieser Eichenallee am Grasgehege ist Aufgabe von Försterin Anne Jantzen.
Die Wiederherstellung dieser Eichenallee am Grasgehege ist Aufgabe von Försterin Anne Jantzen. © HA | Hanna Kastendieck

„Ich finde es spannend, Waldbilder zu gestalten und so zu wirtschaften, dass alle Generationen etwas davon haben“, sagt sie. „Ein Förster arbeitet in großen Produktionszeiträumen, pflanzt Bäume, von denen erst die nachfolgende Generation profitiert. Das fasziniert mich. Unsere Vorgänger haben das heute im Wald wachsende Vermögen aufgebaut. Also müssen auch wir unsere Folgegenerationen im Blick haben.“

Die Verantwortung ist groß. Es liegt in ihrer Entscheidung, welcher Baum gefällt werden soll und welcher als Zukunftsbaum bestehen bleiben darf. Bei der Bewirtschaftung des Landeswaldes orientieren sich die niedersächsischen Landesforste an den 13 Grundsätzen des Programms für „Langfristige ökologische Waldentwicklung“ (kurz: LÖWE-Programm). Dabei handelt es sich um ein integratives Konzept, das ökonomische, ökologische und soziale Ziele harmonisiert. Übergeordnetes Ziel ist dabei die Entwicklung des Landeswaldes hin zu gemischten, vielfältigen und strukturreichen Wäldern, die ertragreich, stabil und vital sind.

Als Försterin ist Anne Jantzen auch angehalten, sich an der Jagd zu beteiligen. „Als Förster muss jeder Anwärter einen Jagdschein machen. Wald- und Wildtiermanagement gehören zusammen“, sagt sie. „Es ist unsere Pflicht, Wald und Wild in Einklang zu bringen.“ Doch Anne Jantzen kann nicht nur schießen, sie hat auch gelernt, eine Motorsäge fachmännisch zu bedienen. „Ich kann anpacken“, sagt sie.

Dass die junge Frau vor keiner Aufgabe zurückschreckt, beweist sie beim Termin mit dem Hamburger Abendblatt. Als ihr auf dem Weg der Reifen ihres Wagens platzt, zieht sie am Straßenrand kurzerhand mit Wagenheber und Radmutternschlüssel das Reserverad auf. Nach einer Viertelstunde ist das Problem behoben. Zufrieden steigt sie in ihren Golf Alltrack, schmeißt den Motor an und macht sich auf Richtung Werkstatt. Der Wald muss heute ausnahmsweise einmal warten.

Förster werden

An fünf Fachhochschulen und vier Universitäten in Deutschland werden Studiengänge im Forstbereich angeboten. Nach dem sechssemestrigen Bachelorstudium müssen angehende Revierförster einen einjährigen, berufsvorbereitenden Anwärterdienst oder ein zweijähriges Trainee­ship absolvieren. Dann können sie als Revierförster im gehobenen Forstdienst arbeiten.

Zu den Aufgaben gehört es, Waldarbeiter anzuleiten, Jagd und Holzernte zu organisieren und Waldwege zu pflegen.

Der klassische Revierdienst ist eine von vielen Berufsmöglichkeiten. Perspektiven bieten auch Naturschutzbehörden und die holzbearbeitende und -verarbeitende Industrie.

Im öffentlichen Dienst schwanke das Einstiegsgehalt von Revierleitern zwischen 2500 und 2900 Euro brutto.

Die Berufsaussichten haben sich in den vergangenen Jahren verbessert. Es gibt einen enormen Bedarf an Nachwuchskräften. Der Grund dafür ist das hohe Durchschnittsalter der Forstleute, von denen viele in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden.

Die Landesforsten

Die Niedersächsische Landesforsten sind der größte Waldeigentümer Niedersachsens und bewirtschaften 335.000 Hektar Landeswald. Zusätzlich betreuen sie als Dienstleister 77.000 Hektar Wald von Kommunen und Forstgenossenschaften.

Das Unternehmen mit Sitz in Braunschweig untergliedert sich in 24 Forstämter und 214 Förstereien und beschäftigt 1300 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz der Landesforsten beträgt zirka 130 Millionen Euro.

Das bewährte Leitbild im Wald ist die Nachhaltigkeit, das heißt, nicht mehr zu nutzen, als nachwachsen kann. In den Wäldern wachsen pro Tag knapp 6000 Festmeter (fm) Holz nach, das sind pro Stunde etwa 250 fm, die nachhaltig geerntet werden können.

Im Auftrag des Landes Niedersachsen nehmen die Landesforsten auch Aufgaben im Bereich der Umweltbildung wahr. Es gibt elf Waldpädagogikzentren und neun Walderlebniseinrichtungen als Orte des außerschulischen Lernens.