Bargteheide. Menschen mit schlechter Bleibeperspektive, etwa aus Afghanistan, haben keinen Anspruch auf Sprachkurse. Initiativen starten durch.

Sprache gilt als Eintrittskarte in die deutsche Gesellschaft. Und für Menschen aus Syrien, Eritrea oder Somalia ist die Teilnahme an einem Integrationskursus des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sogar verpflichtend. Ganz anders sieht die Situation für Flüchtlinge mit schlechter Bleibeperspektive aus, die sich aus der Schutzquote des jeweiligen Herkunftslandes ergibt und halbjährlich neu ermittelt wird. Um einen Kursus zu finden, benötigen sie oft viel Eigeninitiative – auch im Kreis Stormarn. Abhilfe will die Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Reinbek schaffen.

Junger Afghane behilft sich mit Sprachkursen im Internet

„Bitte helfen Sie mir“, sagt Hamid Reza Habibi und meint damit nicht etwa Geld oder Wohnraum, sondern einen Sprachkursus. Fast ein ganzes Jahr lebt der 26 Jahre alte Afghane bereits in Deutschland, kam mit Mutter und Schwester über Neumünster nach Bargteheide. In seiner Heimat arbeitete Habibi als Verkäufer und Friseur, möchte auch in Stormarn wieder angestellt werden oder eine Ausbildung machen. Doch die Suche nach einem Sprachkursus gestaltet sich schwieriger als gedacht. Und das trotz großer Eigeninitiative und mehrfacher Nachfrage in Städten wie Ahrensburg und Bad Oldesloe. „Auch für einen Mini-Job muss ich zuallererst Deutsch lernen“, sagt Habibi. „Bisher konnte ich mir nur Sprachkurse auf YouTube anschauen.“

Es gibt Angebote in Städten – unabhängig vom Herkunftsland

Doch welche Möglichkeiten haben Flüchtlinge, die nicht zu offiziellen Integrationskursen zugelassen sind? Die Angebote in Stormarn sind äußerst unterschiedlich, können aber von allen Flüchtlingen unabhängig vom jeweiligen Wohnort besucht werden. Während Ahrensburg auf den Freundeskreis für Flüchtlinge setzt, dem diverse Sprachkurse in unterschiedlichen Niveaustufen zu verdanken sind, gibt es in Bad Oldesloe das Jugendaufbauwerk der Handwerkskammer. Junge Erwachsene im Alter unter 27 Jahren haben dort die Möglichkeit, unabhängig vom Herkunftsland an einem Sprachunterricht teilzunehmen. Schwierig ist die Situation hingegen in Bargteheide, berichtet Ulrike Meyborg, Flüchtlingsbeauftragte der Stadt. Während es im Jahr 2015 noch zahlreiche Kurse mit ehrenamtlichen Deutschlehrern gegeben habe, seien diese Angebote eingestellt worden, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auch Asylsuchenden aus Afghanistan einen Zugang zu Integrationsmaßnahmen zugebilligt hatte. „Wenige Monate später wurden die Teilnahmeregeln bundesweit erneut angepasst und Menschen aus Ländern wie Afghanistan ausgeschlossen“, sagte Meyborg zum Abendblatt. „Es ist eine Schande für unsere Gesellschaft, wenn engagierte Leute keinen Anspruch auf Deutschkurse haben. Wie soll ich ihnen erklären, dass sie Menschen zweiter Klasse sind?“

Berichte wie diese kennt Ilona Akopjan, Einrichtungsleitung des IntegrationsCenters der Awo in Reinbek, zur Genüge. In die Migrationsberatung kämen Ratsuchende aus Trittau, Siek oder Brunsbek, die zum Teil seit Monaten auf der Suche seien. „Wir decken die Sprachkurse im ganzen südlichen Bereich ab, haben nach und nach die ehrenamtlichen Kurse übernommen und in hauptamtliche umgewandelt“, sagt Akopjan. „Diese sind unsere Erfolgsgeschichte. Und die Flüchtlinge sind glücklich, wenn wir ihnen eine Lösung anbieten können.“

Große Probleme haben Mütter mit kleinen Kindern

In Reinbek lauten die Lösungen „Erstorientierungskurs“, kurz EOK, sowie „Starterpaket für Flüchtlinge“ (STAFF). Unter dem Dach der Awo richtet sich dieses Angebot der Volkshochschulen an Menschen mit schlechter Bleibeperspektive aus dem Iran, Eritrea, Armenien oder Afghanistan. „Die ersten 300 Stunden werden von Bund- und Land finanziert, der Aufbaukursus mit bis zu 1000 Stunden ausschließlich aus Landesmitteln“, sagt Ilona Akopjan. „Damit soll die Versorgungslücke für alle Menschen geschlossen werden.“

Im Unterschied zu ehrenamtlichen Angeboten gebe es die Möglichkeit, ein offizielles Sprachzertifikat zu erwerben, welches für eine Arbeit oder Ausbildung oft verlangt werde. „Um ihnen die deutsche Gesellschaft näher zu bringen, unternehmen wir mit unseren Teilnehmern zusätzlich Exkursionen“, so Akopjan. „Wir waren schon in der Bank, Bücherei oder auch Elbphilharmonie.“

In ländlichen Regionen gibt es zu wenig Beratungsangebote

Obwohl sich das Angebot an alle Flüchtlinge wendet und auch Fahrkarten bis 120 Euro monatlich erstattet werden können, kommt es jedoch nicht bei allen an. Einen Grund kennt Kirsten Niemann, Sprachkurskoordinatorin der Awo. „Viele werden nicht ausreichend beraten, vor allem in den ländlichen Regionen. Ehrenamtliche Betreuer sind nicht immer über die aktuelle Rechtslage informiert, kennen nicht das ganze Angebotsspektrum.“

Schwierigkeiten hätten auch Mütter mit kleinen Kindern. Während vor zwei Jahren fast ausschließlich junge Männer unterrichtet wurden, verändere sich durch den Familiennachzug der Interessentenkreis. „Um eine Betreuung sicherstellen zu können, sind wir auf die Unterstützung der Kommunen angewiesen“, sagt Hatice Erdem, stellvertretende Leiterin Awo-Interkulturell beim Landesverband. „Wenn die Städte uns genügend Räume zur Verfügung stellen, kann es funktionieren. Dazu sind wir gerade mit dem Familienzentrum in Reinbek im Gespräch.“

In Reinbek endet der aktuelle STAFF-Kurs bereits im Februar. Für den nächsten Kursus gebe es bereits jetzt eine Warteliste.