Grabau. Dank Unterstützung der Bürger-Stiftung Stormarn wächst die Zahl an freiwilligen Vorlesern. Neue Regionen werden erschlossen.

Vorlesen? Kann doch jeder! „Das mag sein“, sagt Ilka Schwarz. „Aber es gibt Tricks, wie aus einer Vorlesestunde ein wahres Erlebnis für die Zuhörenden werden kann.“ Die Bargteheiderin ist gelernte Buchhändlerin und „liebt Bücher bereits ein Leben lang“.

Diese Leidenschaft hat sie zur sogenannten Lesepatin werden lassen: Zwölf Jahre lang las sie Kindern in Kitas und Schulen ihrer Heimatstadt Geschichten vor und koordinierte als Bereichsleiterin Termine der Kollegen. Alles im Ehrenamt und in Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Region Ahrensburg. Die kündigte jedoch Ende vergangenen Jahres ihre Unterstützung und die mehr als 50 freiwilligen Vorleser samt Ilka Schwarz standen plötzlich allein da (wir berichteten). Das abrupte Ende enttäuschte und empörte die engagierten Ehrenamtler, die sich um das Projekt große Sorgen machten. Annelore Penno, Lesepatin und Bereichsleiterin für die Region Bargteheide, sagt: „Von heute auf morgen sollte das, was jahrelang erfolgreich gewachsen ist, vorbei sein.“

Stiftung hat Kapital von fünf Millionen Euro

Thomas Bracklow (l.) aus Ahrensburg und Manfred Beyer aus Lütjensee. 
Thomas Bracklow (l.) aus Ahrensburg und Manfred Beyer aus Lütjensee.  © Verena Künstner | Verena Künstner

Rund 45 Stormarner Einrichtungen wie Kitas, Krippen und Grundschulen wurden von den Paten bis dato regelmäßig besucht, mehr als 1000 Kinder lauschten den vorgetragenen Geschichten, Märchen und Gedichten. Mit positiven Nebeneffekten: Der Wortschatz der Kleinen wurde größer, ihre Konzentrationsfähigkeit stieg, Fantasie wurde geweckt und die Liebe zum gedruckten Wort entfacht. Außerdem lernten viele Kinder erst durch die Lesepaten das Gefühl der Geborgenheit kennen, das beim Vorlesen entsteht. All das drohte zu zerbröckeln, da keiner mehr „den Hut aufhatte“, wie Penno sagt.

Ein öffentlicher Hilferuf der Lesepaten alarmierte die Bürger-Stiftung Stormarn. Mit einem Kapital von rund fünf Millionen Euro ist sie eine der größten Bürgerstiftungen im Land Schleswig-Holstein. Neben der Betreuung von 30 selbstständigen Bürgerstiftungen und Stiftungsfonds ermöglicht sie ehrenamtlich Tätigen in der Region, sich ganz auf die inhaltliche Arbeit zu konzentrieren. Alle verwaltungstechnischen Aufgaben übernehmen die erfahrenen Mitarbeiter.

Genau diese Art von Unterstützung suchten die Lesepaten – und haben sie unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn gefunden. „Hier wird unser Engagement wertgeschätzt“, sagt Annelore Penno und spricht im Namen aller Beteiligten. Dies sei besonders bei freiwilligem Einsatz wichtig, denn „nur wer gesehen wird, bleibt motiviert“.

Langjährige Lesepaten wurden im Schloss geehrt

Dass die neue Trägerschaft ein Auge für diese Bedürfnisse hat, bewies der Stiftungsvorstand bei einem Empfang für die Lesepaten im Ahrensburger Schloss. Neben der Ehrung langjähriger Lesepaten bezeichnete Vorstandsvorsitzender Ernst-Jürgen Gehrke deren Arbeit als Leuchtturm-Projekt. Er sagt: „Das Vorhaben, Kindern, die heute ein Smartphone einem Buch vorziehen, das Lesen von Büchern, Tageszeitung und Literatur näherzubringen, unterstützen wir mit voller Überzeugung.“ Es seien Menschen wie die Lesepaten, „die durch ihre regionale Verbundenheit mit ihren Ideen und aktivem Engagement den Motor einer Bürgerstiftung darstellen“.

So viel Anerkennung zeigt Wirkung: Mit dem Wechsel zur Bürger-Stiftung Stormarn sind viele ehemalige Vorleser wieder an Bord gekommen. So auch Ilka Schwarz. Nach einer Fortbildung bei der Mainzer „Stiftung Lesen“ gibt sie nun Seminare für Einsteiger. Und auch davon gibt es immer mehr. Gleich 14 neue Teilnehmer schulte die ehemalige Buchhändlerin beim jüngsten Lehrgang, darunter Thomas Bracklow aus Ahrensburg. Seit zwei Monaten liest der 74-Jährige einmal pro Woche in einer Bargteheider Grundschule. „Es ist herrlich zu sehen, wie man Kinder mit Vorlesen faszinieren kann“, sagt er.

Auch Manfred Beyer aus Lütjensee hat sein Hobby zum Ehrenamt gemacht. Er sagt: „Ich lese meinen Enkeln leidenschaftlich gern vor. Und die hören mir gern zu.“ Vor vier Wochen entschloss er sich, als Lesepate auch anderen Kindern seine freie Zeit zu schenken. „Leider haben nicht alle das Glück, dass ihnen zu Hause vorgelesen wird.“

14 Nachwuchs-Paten wurden geschult

Die Bereichsleiterinnen Regina Tretter (Großhansdorf, v. l.), Sylvia Kleinke (Trittau), Sabine Sarach (Ahrensburg), Karin Ahues-Illing (Bad Oldesloe) und Annelore Penno (Bargteheide).
Die Bereichsleiterinnen Regina Tretter (Großhansdorf, v. l.), Sylvia Kleinke (Trittau), Sabine Sarach (Ahrensburg), Karin Ahues-Illing (Bad Oldesloe) und Annelore Penno (Bargteheide). © Verena Künstner | Verena Künstner

Bracklow und Beyer gehören zu den wenigen männlichen Paten, doch auch hier steigt die Tendenz. „Das ist toll, denn häufig arbeiten in Krippen, Kitas und Grundschulen überwiegend Erzieherinnen und Lehrerinnen – da ist ein männlicher Vorleser eine gute Ergänzung“, sagt Sylvia Kleinke, die als Bereichsleiterin für die Region Trittau zuständig ist. Ihre Kollegin Karin Ahues-Illing baut derzeit in Bad Oldesloe eine neue Gruppe auf. Neben der Suche nach Vorlesern knüpft sie Kontakte zu Schulen, Kindergärten und Familienzentren. „Die Resonanz ist sehr gut“, sagt die ehemalige Lehrerin. „Viele Einrichtungen finden unser Angebot super und können kaum glauben, dass wir das alles tatsächlich kostenlos machen.“ Alles, was es brauche, sei eine gute Organisation und eine gewisse Regelmäßigkeit, damit auch die Ehrenamtler gut planen können. „Wie jeder einzelne die Vorlesestunden gestaltet, bleibt ihm überlassen. Das kommt auch immer auf die jeweiligen kleinen Zuhörer an“, sagt Seminarleiterin Ilka Schwarz.

Die Neueinsteiger sind dankbar für die vielen Tipps, die sie während der Schulung gibt. „Achtet auf eure Mimik und Gestik. Legt Emotion in eure Stimme, sprecht mal lauter und dann wieder leise. So kommt Leben in die Geschichte“, rät sie den 14 Nachwuchs-Paten. Außerdem sei wichtig, die Kinder immer wieder aktiv mit einzubeziehen. „Es geht bei uns nicht um Nachhilfe im Lesenlernen oder um Unterrichtsergänzung“, sagen die Bereichsleiterinnen einhellig. „Wir wollen den Kindern auf unbeschwerte Weise den Spaß am Lesen vermitteln.“ Wer Bücher und Geschichten auf diese Art kennenlerne, bekomme von ganz allein Lust, sie irgendwann für sich selbst zu entdecken.

Wer die Lesepaten mit eigenem Engagement bereichern will, erreicht sie per E-Mail unter lesepaten@buerger-stiftung-stormarn.de. Das Büro der Bürger-Stiftung Stormarn erreichen Sie telefonisch unter 04537/707 00 13.