Bad Oldesloe. Pflegeheime warten auf Hundertausende Euro von Behörde für Sozialhilfeempfänger. Landrat initiiert Sonderprojekt mit mehr Personal.
Die Kreisverwaltung in Bad Oldesloe schuldet Stormarner Pflegeheimen mehrere Hunderttausend Euro für die Unterbringung von Sozialhilfeempfängern – und das schon seit Jahren. Derzeit liegen in den Fächern des zuständigen Sozialamtes rund 300 unbearbeitete Anträge der Einrichtungen auf Kostenübernahme. Diese Zahlen bestätigte der Kreis dem Abendblatt. „Die Rückstände aus 2014 sind inzwischen abgearbeitet, für jene aus 2015 und 2016 soll das bis Ende Dezember der Fall sein“, sagt Andreas Zimmermann, stellvertretender Leiter des Sonderprojekts zu diesem Thema.
Landrat Henning Görtz bezeichnet die Situation als „bedauerlich“. Er begründet die Missstände so: „Unser Problem ist, dass wir eine hohe Personalfluktuation und Führungswechsel in dem Bereich hatten.“ Das Gebiet sei so komplex, dass neue Kollegen erst einmal für einen bestimmten Zeitraum eingearbeitet werden mussten, bevor sie Entscheidungen fällen durften. Zudem erwähnt er den demografischen Aspekt: Menschen leben immer länger, deshalb steigt die Zahl der Anträge.
Der Bearbeitungsrückstand sei ihm seit zwei Jahren bekannt, und er habe die Politiker im Kreistag darauf hingewiesen. Nun wird im Stellenplan 2019 darauf reagiert. „Die Beseitigung des Rückstaus ist mit vier neuen Mitarbeitern abgesichert“, so der Landrat. Wann alle Fälle abgearbeitet sind, darauf will er sich aber nicht festlegen.
Landrat Henning Görtz strukturiert Behörde um
Görtz hat bereits im Februar dieses Jahres umstrukturiert, ein Sonderprojekt für die Problembewältigung mit 14 Mitarbeitern installiert. Zusammen mit Larissa Bebensee, Fachdienstleiterin im Kreissozialamt, steht Andreas Zimmermann an der Spitze dieser Einheit. Er sagt: „Früher haben sich maximal neun Kollegen um die Angelegenheiten mit den Pflegeheimen gekümmert.“ Die Bearbeitung eines Falles dauere unterschiedlich lange. „Sie kann zwischen einem Tag und mehreren Monaten liegen.“ In die Länge ziehe sich die Sache, wenn Unterlagen nicht komplett seien und nachgereicht werden müssten.
Aufgedeckt hatte die Probleme in der Kreisbehörde der Norddeutsche Rundfunk (NDR). Demnach haben fast die Hälfte der rund 40 Stormarner Pflegeheime offene Posten angegeben, die durch das Kreissozialamt nicht beglichen wurden. Mehrere Einrichtungen beklagen laut NDR Rückstände bis zu 100.000 Euro.
Bargteheider wartete auf sechsstellige Summe
Diese Summe nennt zum Beispiel der Unternehmer Mathias Steinbuck. Er betreibt unter anderem fünf Pflegeheime, davon drei in Bargteheide und eines in Klein Hansdorf, beschäftigt 300 Mitarbeiter. Er sagt: „Zu Höchstzeiten haben die Rückstände bei uns sogar 200.000 Euro betragen.“ Die Gesamtsituation sei nach wie vor unbefriedigend, habe sich jedoch schon verbessert. Derzeit sind rund 25 Anträge für pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger in seinen Häusern unbearbeitet. Am Mittwoch hat ihm die Kreisbehörde für einen Fall 15.000 Euro überwiesen.
Verbal einprügeln auf den Landrat und seine Mitarbeiter will Steinbuck nicht. „Ich habe sogar Verständnis, dass sie es wegen der Personalsituation nicht besser hinkriegen.“ Über eine Sache ärgert er sich aber mächtig: „Auf der einen Seite schickt der Kreis Bußgelddrohungen bis zu 50.000 Euro für den Fall, dass ich in Zeiten des Fachkräftemangels nicht sofort neue Mitarbeiter einstelle. Andererseits sind da die offenen Zahlungen der Behörde.“
Steinbuck erzählt von Monaten, in denen er wegen der Vorlaufkosten Probleme hatte, die Löhne von Mitarbeitern pünktlich zu überweisen. „Da habe ich als Geschäftsführer unruhig geschlafen.“ Der Unternehmer berichtet zudem, dass auf der regionalen Pflegekonferenz ob der Missstände die Rede gewesen sei von Existenzbedrohung kleinerer Heime.
Schnellere Hilfe für Heime mit Finanzproblemen
„Wenn Einrichtungen mit finanzieller Schieflage auf uns zukommen, hat die Bearbeitung eines solchen Falles Priorität“, sagt Landrat Görtz. Er kritisiert Heime, die Sozialhilfeempfänger nicht aufnehmen, weil seine Behörde mit der Kostenübernahme in Verzug ist. „Das darf nicht passieren.“ Es ist rechtswidrig, Personen im Pflegeheim abzulehnen, weil sie auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind.
Einen solchen Fall nennt der NDR und zeigt eine Reinbekerin, die nach eigener Aussage nicht in einem Glinder Heim unterkam. Im Haus Togohof war das nicht. Dort leben 112 Menschen, auch diese Einrichtung wartet auf Geld vom Kreis. Leiterin Edith Schnoor sagt: „Der Zustand ist nicht hinnehmbar. Wir können bei Personalnot auch nicht auf die Versorgung von Patienten verzichten.“ Die Ablehnung von Sozialhilfeempfängern sei zudem ein Unding. „Die Menschen können ja nichts dafür, wenn sie zu wenig Geld haben.“
Experten diskutieren beim 1. Stormarner Seniorentag in Ahrensburg
Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn lässt beim 1. Stormarner Seniorentag am Dienstag, 20. November, im Ahrensburger Marstall (Lübecker Straße 8) Experten zum Thema Pflege zu Wort kommen. Auf dem Podium diskutieren von 18 Uhr an Matthias Badenhop, Staatssekretär im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein, Andreas Rehberg für die Heimaufsicht des Kreises Stormarn, Robert Nobiling, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe, sowie Pflegedienst- und Heimbetreiber. Besucher haben zuvor die Möglichkeit, sich bei einer Messe über Seniorenheimbetreiber aus der Region und deren Angebote zu informieren. Beginn ist um 16 Uhr. Der Eintritt zu Messe und Diskussionsrunde ist frei.
Die Menschen im Norden erreichen ein immer höheres Alter. Der Betreuungsbedarf steigt – doch schon jetzt fehlen Fachkräfte. Wie dramatisch ist die Situation in Stormarn wirklich? Ist die medizinische Versorgung trotzdem gesichert? Was tut die Politik, um einen Pflegenotstand zu verhindern? Um diese und viele weitere Fragen rund ums Thema Senioren wird es bei der Diskussion gehen. Zudem bekommen die Besucher Informationen darüber, wie sie ein gutes Heim finden und auf welche Kriterien sie bei der Auswahl unbedingt achten sollten. Moderator ist der Abendblatt-Autor Peter Wenig. Er hat sich ausführlich mit der Pflege-Situation in Hamburg beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben („Der große Hamburger Pflegeratgeber“).