Brunsbek. Stormarnerin findet Reinigungsmittel bei Süßigkeiten ihres Sohnes. Zwei Anzeigen bei der Polizei. Gibt es Kinderhasser in Papendorf?
Annina Ritschel ist immer noch fassungslos. „Das hätte schlimm ausgehen können“, sagt die 28-Jährige und blickt nachdenklich auf die bunte Halloween-Tüte ihres Sohnes. In diese bekam der Vierjährige am Mittwochabend ein Geschirrspül-Tab gesteckt, als er als Drache verkleidet im Brunsbeker Ortsteil Papendorf von Haustür zu Haustür ging und nach Süßigkeiten fragte.
„Wir waren nur eine halbe Stunde unterwegs, haben vielleicht bei zehn Leuten geklingelt“, sagt die junge Mutter. Sie begleitete ihren Sohn, ging aber nicht mit an die Türen. „Ich habe mich etwas im Hintergrund gehalten“, sagt Ritschel. „Lewis hat immer schön seinen Spruch ,Süßes oder Saures’ aufgesagt. Den hatte er vorher auswendig gelernt.“ Es war seine erste Halloween-Runde, noch am Abend naschte er einige Süßigkeiten aus der Tüte.
Das Original-Tab liegt als Beweismittel bei der Polizei
Dass sich darin auch ein Geschirrspül-Tab befand, ahnte Annina Ritschel zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Ich mag gar nicht darüber nachdenken“, sagt sie. „Er hätte das garantiert auch gegessen und den Unterschied nicht sofort gemerkt.“ Erst am nächsten Morgen – nach einem Warnanruf von anderen betroffenen Eltern – habe sie sich den Inhalt der Tüte genauer angeschaut und das weiße Reinigungsmittel entdeckt. Es war in einer mit Ausrufezeichen und Warnhinweisen versehenen Folie eingepackt.
Ritschel hat ein Foto davon gemacht, das Original liegt inzwischen als Beweismittel bei der Kripo Ahrensburg. „Die Entdeckung war ein riesiger Schock für mich“, sagt sie. „Ich habe sofort Anzeige erstattet.“
Sie wisse von drei weiteren Kindern aus Papendorf, die auch solche Tabs in ihrer Halloween-Tüte hatten. Eine zweite Anzeige ist inzwischen bei der Polizei eingegangen. Das bestätigte Polizeisprecher Holger Meier dem Abendblatt. „Wir müssen jetzt bei den Ermittlungen nachvollziehen, an welchen Adressen die Geschädigten geklingelt haben, um mögliche Schnittmengen zu identifizieren“, so Meier.
Papendorfer wollen nicht glauben, das bei ihnen ein „Kinderhasser“ lebt
Unklar ist, ob jemand die Tabs vorsätzlich in die Tüten gelegt hat oder ob es ein Versehen war. Viele Papendorfer hoffen auf ein Missverständnis. „Dass in unserem Dorf ein Kinderhasser lebt, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Bernd Best, der seit mehr als 30 Jahren in Papendorf wohnt. „Wir sind ungefähr 600 Einwohner, fast jeder kennt jeden.“ Schicke Einfamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten prägen das Ortsbild, dazu ein paar alte Bauernhöfe und Pferdekoppeln. Zu Halloween schmücken viele Einwohner ihre Grundstücke und halten Süßigkeiten bereit.
„Im Dorf gibt es viele Kinder, mindestens 70“, sagt Regina Meister-Krohn, Mutter einer erwachsenen Tochter. „Alle unsere Nachbarn haben kleine Kinder, die Halloween unterwegs waren.“ Die 55-Jährige ist geschockt über die Vorkommnisse. „Das kann nur ein Versehen sein. Etwas anderes kann und will ich mir nicht vorstellen“, sagt sie. „Hier leben auch viele ältere Menschen. Vielleicht hat jemand einen falschen Griff gemacht und die Tabs mit Süßigkeiten verwechselt.“
Diese Theorie äußern viele Dorfbewohner, doch es ist auch eine große Verunsicherung zu spüren. Insbesondere bei jungen Eltern. „Ich habe jetzt ein total komisches Gefühl“, sagt eine Mutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ihre vierjährige Tochter war Halloween ebenfalls unterwegs. Sie selbst wurde später von anderen Eltern gewarnt, hat daraufhin die Naschtüte ihrer Tochter durchsucht. Doch es war alles in Ordnung.
Eine andere Mutter hat zunächst an einen Scherzartikel gedacht
„Es ist beängstigend“, sagt eine andere Mutter. Auch sie hat eine vierjährige Tochter. „Wir waren in einer großen Gruppe mit 14 oder 15 Kindern unterwegs, eines hatte ein Spül-Tab in der Tüte.“ Sie habe erst an einen essbaren Scherzartikel gedacht. „Wir hoffen, dass alles nur ein schrecklicher Fehler war und niemand unseren Kindern schaden wollte“, sagt sie.
Annina Ritschel ist in Papendorf aufgewachsen, lebt inzwischen im benachbarten Braak. Ihre Eltern wohnen immer noch in dem kleinen Ort. Sie habe keinen Verdacht, wer den Tab in die Tüte ihres Sohnes gelegt haben könnte. „So etwas traue ich hier niemandem zu“, sagt sie. „Aber ich kann ja nicht in die Köpfe der Menschen schauen.“