Barsbüttel. Heike Brost kämpfte mit einer Bürgerinitiative für den Erhalt eines Parks – und war machtlos. Daraufhin trat sie der SPD bei.
Vielerorts in Stormarn, wo Wohnungen oder Gewerbegebietserweiterungen geplant sind, leisten Bürgerinitiativen Widerstand. In ihnen organisieren sich Menschen, die Angst vor Veränderungen in ihrem direkten Umfeld haben. Auch die Barsbüttelerin Heike Brost gehörte einer Interessengemeinschaft an, kämpfte für den Erhalt der Parkanlage hinter ihrem Grundstück – ohne Erfolg. Die Gemeinde veräußerte eine Teilfläche, wo jetzt schmucke Einfamilienhäuser stehen.
Die Machtlosigkeit war für die 54-Jährige eine Triebfeder, sich in der Politik zu engagieren und damit auch mitzubestimmen – und zwar bei vielfältigen Themen. Denn die Kinderkrankenschwester, die als stellvertretende Pflegedienstleitung im katholischen Krankenhaus Wilhelmstift arbeitet, blickt über den eigenen Tellerrand hinaus. Im Februar 2017 trat sie der SPD bei.
Politikerin hat gute Gründe für Beitritt zur SPD
Inzwischen ist sie Gemeindevertreterin und Mitglied in vier Gremien. Doch warum ausgerechnet die Sozialdemokraten? „Es ist die einzige Partei gewesen, die bei der Parkdiskussion durch neue Aspekte zu einer anderen Bewertung gekommen ist.“ Erst waren die Genossen für den Verkauf, ließen sich dann aber von den Argumenten der Initiative überzeugen und stimmten dagegen. „Es zeugt von Größe, wenn man sich die Gegenseite anhört, die Sichtweisen austauscht und sich revidiert“, sagt Brost. Die SPD sei modern und offener als andere Parteien gewesen.
Auch Vertreter von CDU, Grünen und der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB), die seit der Kommunalwahl im Mai stärkste politische Kraft in der 13.700-Einwohner-Gemeinde ist, hatten Brost auf eine Mitgliedschaft angesprochen. Das ist eine Anerkennung und zeigt, wie diplomatisch und überzeugend ihr Auftreten wirkt. „Wir hätten gern mit Frau Brost zusammengearbeitet“, sagt Angela Tsagkalidis, die mit Joachim Germer die Fraktion der Grünen führt. Sie sei dennoch froh, dass eine weitere Frau den Weg in die Politik gefunden habe und beschreibt das Wirken der neuen Gemeindevertreterin als „sehr überlegt“.
Tsagkalidis zieht Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte: „Auch ich habe früher protestiert, weil eine Gruppe in einer Kindertagesstätte aufgelöst wurde und bin dadurch zu den Grünen gekommen.“ Die beiden haben einen guten Draht zueinander. Sie gehören Parteien an, in denen Frauen stark vertreten sind. Von den 18 Fraktionsmitgliedern der SPD samt Ortsbeiräten und bürgerlichen Akteuren sind neun weiblich, bei den Grünen fünf von elf. Auf Initiative der Sozialdemokraten startet in Kürze eine interfraktionelle Frauenrunde regelmäßige Treffen. Brost und Tsagkalidis sind selbstverständlich dabei.
Heike Brost interessiert sich auch für die Details
Für die Frauen bedeutet das noch mehr Zeitaufwand für ihre Parteien. Brost beziffert ihn aktuell im Schnitt auf zehn bis zwölf Stunden pro Woche. „Wobei ich noch in der Einarbeitungsphase bin und viel von den etablierten Kollegen lerne.“ So komme es vor, dass sie Themen auf den Fraktionssitzungen, die auf zwei Stunden begrenzt sind, wegen Nachfragen in die Länge ziehe. „Ich bin gewissenhaft und möchte kleinste Details wissen, um zu einer überlegten Entscheidung zu kommen“, sagt sie. Schließlich müsse sie diese Bürgern auch begründen.
Ihre Galerie im ersten Stock hat sie vom Bastel- in ein Arbeitszimmer umfunktioniert. Unter dem Fenster kleben Zettel mit Gesichtern von Kandidaten der Parteien zur Kommunalwahl. Das weiße Board neben dem Schreibtisch ist mit zahlreichen Ordnern zu politischen Angelegenheiten gefüllt, etwa mit Sitzungsunterlagen. Aus einem mit jenen ragen an der Seite ein Dutzend gelbe Haftnotizen hervor. „Da habe ich noch Klärungsbedarf“, sagt Brost. Sie ist der Meinung, dass die Verwaltungsvorlagen, die im Internet für die Bürger einsehbar sind, einfacher gestaltet werden müssten, das System in Sachen Nutzerfreundlichkeit einer Überarbeitung bedürfe. „Denn es geht um Transparenz und Verständnis.“ Außerdem hält sie es für sinnvoll, Gästen von Ausschusssitzungen eine Politik-Knigge auszuhändigen. „Damit sie zum Beispiel um Redezeiten wissen und wann ein Vorsitzender unterbrechen kann.“
Seminare machen sie fit für die Kommunalpolitik
Sie selbst hat während ihrer Zeit als Protestlerin an Sitzungen diverser Gremien teilgenommen, dadurch tiefe Einblicke gewonnen und zugleich die Begeisterung zum Mitmachen. Besondere Unterstützung erfährt Brost derzeit vom stellvertretenden Fraktionschef Klaus-Jürgen Krüger als Mentor. Ihr Spezialgebiet ist das Thema Planung und Bauen, „aber auch Soziales mit den Bereich Pflege und Gesundheit ist mir wichtig“. Um Wissenslücken zu füllen, hat sie zuletzt zwei Seminare gemacht – eines mit dem Titel Haushaltssatzung und -planung.
„Frau Brost ist eine der Engagiertesten in unser Partei“, sagt der Fraktionsvorsitzende Hermann Hanser. Sie sei ein belebendes Element und sehr zielstrebig. Er schätze ihre grundlegend soziale Ader. Die frühere Marathonläuferin, die immer noch in der Leichtathletiksparte des Barsbütteler SV aktiv ist, hat klare Visionen für ihre Gemeinde: „Wir benötigen bezahlbaren Wohnraum für junge Familien, das schließt den Erhalt von Grünflächen nicht aus.“ Investitionen zum Beispiel in Feuerwehr oder Sportplätze seien trotz hoher Verschuldung sinnvoll, weil zukunftsorientiert und nachhaltig.
Ihr Mann sei von ihren politischen Aktivitäten nicht vollends überzeugt, weil Zeit für Zweisamkeit verloren gehe. Die beiden haben eine 27-jährige Tochter, die nicht mehr im Haus lebt und als Lehrerin arbeitet. Zu den neuen Nachbarn auf der früheren Parkanlage pflegen die Brosts übrigens ein gutes Verhältnis. Im Sommer grillten die Familien zusammen.