Barsbüttel. Die Gemeinde beschließt mit Stimmen von CDU und SPD einen neuen Flächennutzungsplan. Bürger protestieren, fürchten zu viele Wohnungen.
Die Aula der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule in Barsbüttel ist an diesem Abend proppenvoll. Als die Sitzung der Gemeindevertretung beginnt, strömen immer noch Menschen hinein. Einige von ihnen ergattern Sitzplätze, andere stehen in hinterster Reihe. Die Fenster sind geöffnet, trotzdem ist es heiß. Passend dazu ist die Stimmung: Es herrscht dicke Luft.
Mehr als 100 Bürger sind gekommen. Die Mehrheit von ihnen, um gegen den neuen Flächennutzungsplan zu protestieren. In ihm sind die Bereiche aufgeführt, die bebaut werden können. Und davon gibt es demnächst zu viele, meinen die Gegner. Sie fürchten den Verlust von Grünflächen. Die Mehrheit der Politik sieht das anders. Mit den Stimmen von CDU und SPD wird der sogenannte F-Plan beschlossen. Barsbüttel stellt die Weichen auf Wachstum.
Bis zu 1000 neue Wohnungen könnte bis 2030 entstehen
Weil so viele Besucher gekommen sind, wird das Thema auf der Tagesordnung nach vorn gehievt. Davor ist Einwohnerfragestunde, auch hier dreht sich alles um den „Flächennutzungsplan Barsbüttel 2030“ – so der offizielle Name. Heike Brost ergreift das Wort. Sie ist keine Unbekannte in der 13.749 Einwohner zählenden Kommune , hatte vor Jahren den Protest gegen die 50-Prozent-Rodung der Parkanlage Guipavasring mitorganisiert. Die Gemeinde hat das Areal verkauft für den Bau von vier Einzelhäusern. „Ich freue mich über das Engagement, dass Grün schützenswert ist“, sagt die 53-Jährige mit einem sarkastischen Unterton. Will damit ausdrücken, dass sie sich damals bei ihrem Anliegen genauso viel Unterstützung gewünscht hätte.
Andere Bewohner erwarten bei mehr Wohnungen im Hauptort massive Verkehrsprobleme, sprechen Bürgermeister Thomas Schreitmüller direkt an. Der entscheidet zwar nicht und gibt sich auch neutral in der Diskussion, verweist aber auf ein Gutachten des Landes. Demnach müsse Barsbüttel bis 2030 rund 750 Wohnungen schaffen, um den Bedarf zu decken. Die Prognose der Experten ist inzwischen veraltet. Bauamtsleiterin Rita Dux hatte sogar von 1000 gesprochen.
F-Plan bietet lediglich Möglichkeit für Bebauung
Wachsen kann Barsbüttel dank des neuen F-Plans vor allem im Süden des Hauptortes nahe dem Senioren- und Therapiezentrum – dort sind Geschosswohnungen angedacht – und weiter nördlich am Rähnwischredder mit Einzel- und Doppelhäusern. Wann und wie viele Projekte umgesetzt werden, steht noch nicht fest. Der Plan bietet lediglich die Möglichkeit für Bebauung. Das blenden Kritiker bei ihren Vorträgen aus.
Die ehemalige Gemeindevertreterin Margarete Hoffmann schreitet erneut zum Rednerpult. Eigentlich ist sie gekommen, um sich darüber zu beschweren, dass es am Nahversorgungszentrum keine öffentlichen Toiletten gibt. Mehrfach seien Passanten dabei erwischt worden, wie sie in den Grünstreifen am Parkplatz uriniert hätten, sagt sie. Doch plötzlich schwenkt Hoffmann um, holt die Verbal-Keule raus: „Es geht um Lebensqualität für Barsbüttel. Hier wird alles kaputtgemacht. Das ist eine Scheiß-Politik.“ Dafür erntet sie reichlich Applaus. Jedoch nicht von den Entscheidungsträgern, viele von ihnen schütteln mit dem Kopf.
Bürgerentscheide verhinderten Rathaus-Umzug und Neubau
Dann legt Hoffmann nach, fragt Bauamtsleiterin Dux provokativ zu der Möglichkeiten eines Bürgerbegehrens bei Bauprojekten. Sie erfährt, dass sich ein solches nur gegen einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan richten kann. Hoffmann ist in Sachen Bürgerbegehren Expertin. In der Vergangenheit hatte sie zwei mitinitiiert, die in einen Bürgerentscheid mündeten und erfolgreich waren. Einmal wurde so ein Rathaus-Umzug verhindert, später mussten die Planungen für einen Neubau am Stiefenhoferplatz eingestellt werden.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus-Jürgen Krüger versucht, zumindest einige Bedenken zu zerstreuen. Er sagt: „Es wird keine Bebauung ohne Verkehrskonzept geben.“ Dennoch betont der Politiker, wie wichtig es sei, gerade bezahlbare Einheiten zu erstellen. Hermann Hanser, Fraktionschef der Sozialdemokraten: „Geschosswohnungen im Süden mit einem öffentlich geförderten Anteil haben für uns Priorität.“ Zumindest in diesem Bereich gehört der Gemeinde eine Fläche, der Großteil ist in Privatbesitz.
„Wir werden immer mehr zum Seniorenwohnsitz“
Wolfgang Böckmann (CDU) wirbt in einer Erklärung, die er abliest, um Verständnis und unterstreicht, wie wichtig der Zuzug junger Familien ist: „Kinder sind die Zukunft Barsbüttels, wir werden immer mehr zum Seniorenwohnsitz.“ Punkten kann er nicht. Immer wieder gibt es Zwischenrufe aus dem Publikum. Mitunter in einem Tonfall, der nicht angemessen ist.
Dass so viele Bürger erschienen sind, liegt auch an den Aktivitäten der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB). Sie hatte rund 30 Plakate im Ort aufgehängt mit dem Hinweis zur Entscheidung über den F-Plan in der Gemeindevertretung. Auf ihnen prangt der Slogan „Hände weg von unseren Grünflächen“. Zudem wurden 400 Flyer verteilt. Immerhin erreicht die Wählergemeinschaft, dass die Ring-3-Anbindung zu Hamburg wieder in den Plan aufgenommen wird. Neben BfB stimmen auch FDP, die fraktionslose Gemeindevertreterin Hedwig Wieczorreck und die Grünen gegen den Flächennutzungsplan. „Auch, weil die Einwendungen der Einwohner einfach abgebügelt wurden“, sagt Grünen-Fraktionschef Joachim Germer.